Mario Krüger: „8,7 Milliarden Euro – das ist der höchste Betrag, der jemals in diesem Land im Rahmen der Gemeindefinanzierung den Gemeinden zur Verfügung gestellt worden ist.“

Gemeindefinanzierungsgesetz 2. Lesung

Mario Krüger (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Vorsitzende. – Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Also das, was wir gerade gehört haben, war schon harter Tobak. Sie schüren den Unfrieden in der kommunalen Familie nicht nur heute an diesem Pult, sondern beispielsweise auch im Rahmen von Pressemitteilungen. Ganz gezielt wird der Streit bezogen auf die Frage, nach welchen Kriterien die Gelder verteilt werden, hochgekocht.
(Christian Lindner [FDP]: Deswegen haben gerade ein paar Kommunen Klage eingereicht!)
Da werden Beispiele bemüht – ich habe sie nachlesen können – bezogen auf das „Goldene U“, bezogen auf das Thema „PHOENIX See“, bezogen auf das Thema „Konzerthaus Bochum“ oder „neues Stadion“ in Essen, und wir Westfalen, sparsam wie wir sind, bezahlen das Ganze. Dann heißt es, dass Rot-Grün einseitig die Ruhrgebietsstädte bzw. Städte im Bergischen Land bevorzugt und dass das zulasten des ländlichen Raums geht. Das tragen wir nicht mit.
Sie sollten sich einmal – dazu hat Herr Körfges gerade auch einiges gesagt – Ihre Regierungszeit vor Augen führen, in welchem Umfange Sie sozusagen eine Gesundung der Landesfinanzen zulasten der kommunalen Familie vorgenommen haben, indem Sie systematisch sozusagen über zusätzliche Befrachtungen hier die Schlüsselverteilmasse absenkt haben.
Dann sollten Sie sich auch einmal zu Gemüte führen, über welche Beträge wir uns heute eigentlich unterhalten. 8,7 Milliarden € – das ist der höchste Betrag, der jemals in diesem Land im Rahmen der Gemeindefinanzierung den Gemeinden zur Verfügung gestellt worden ist. Das hat sicherlich etwas mit erhöhten Steuereinnahmen zu tun, aber auch damit, dass wir im Bereich der Grunderwerbsteuer 367 Millionen € eingebracht haben, was Sie nicht getan haben. Das hat auch damit etwas zu tun, dass wir im Rahmen der Befrachtung und deren Herausnahme 166 Millionen € zusätzlich eingebracht haben. Das macht alleine 533 Millionen € aus, die zusätzlich zu dem, was die damalige Landesregierung gemacht hat, hineingebracht worden sind.
Wenn Sie in diesem Zusammenhang noch die 350 Millionen € einbeziehen, die wir für den Stärkungspakt vorhalten, dann reden wir über eine Summe von etwa 880 Millionen €, die zusätzlich geflossen sind, und zwar völlig losgelöst von der Situation der Steuermehreinnahmen.
Dann möchte ich noch auf das Thema Verfassungsbeschwerden GFG 2011 und 2012 eingehen: Die Erkenntnis, dass im Rahmen der Soziallasten ein Handlungsbedarf besteht, hatten Sie; dieses Problem sind Sie aber nicht angegangen. Das GFG 2010 hatte in diesem Zusammenhang einen Faktor von 3,9 angesetzt. Wir haben 2011 das Ganze entsprechend den damaligen Berechnungen auf 9,6 angehoben – normalerweise wäre ein Wert von 17,6 notwendig – und im Jahr 2012 auf 15,3.
Eigentlich könnte der kreisfreie Raum klagen und sagen, es könne doch wohl nicht wahr sein, dass die ermittelten Soziallasten nicht eins zu eins in diesem Zusammenhang eingebracht würden. Das ist gemacht worden, um den ländlichen Kreis zu schonen bzw. um bezogen auf die Verteilungswirkung nicht eine Situation auszulösen, die möglicherweise vor Ort erhebliche Schwierigkeiten bereitet.
Wenn Sie sich dann noch mal vor Augen führen, dass beispielsweise bezogen auf das Thema GFG 2012 im Rahmen der Abmilderungshilfe weitere 70 Millionen € mit einer Umverteilungswirkung von 100 Millionen € eingestellt worden sind, dann wird deutlich, dass Rot-Grün sehr wohl auch die Finanzprobleme des ländlichen Raumes wahrnimmt und entsprechend angeht.
Wir haben uns mit der kommunalen Familie, mit den Spitzenverbänden, darauf verständigt, dass wir noch einmal die Systematik des GFG hinterfragen. Dazu ist ein Gutachten in Auftrag gegeben worden; wie wir gerade gehört haben, liegt der erste Arbeitsentwurf vor. Selbstverständlich werden wir uns mit den Spitzenverbänden das Thema noch im Detail ansehen. Wie ich den Minister Jäger kenne, wird in den nächsten ein, zwei Monaten auch das entsprechende Arbeitsexemplar da sein. Ich freue mich dann auf die Diskussion, die wir in diesem Hause führen können.
In Richtung CDU und FDP noch eines gesagt: Das ifo hat seinerzeit festgestellt, dass wir dreigliedrig herangehen müssen: Zum einen müssen die Kommunen eigene Konsolidierungsbemühungen leisten, zum Zweiten ist eine bessere Finanzausstattung durch das Land erforderlich – dem kommen wir nach –, und zum Dritten bedarf es einer besseren Finanzausstattung durch den Bund durch Übernahme entsprechender sozialer Lasten. Dass es hier einen Handlungsbedarf beispielsweise im Bereich der Eingliederungshilfe über das Bundesleistungsgesetz oder beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft gibt, das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen. Ich würde mich freuen, wenn Sie dies demnächst in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit ein Stück weit transportieren würden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)