Manuela Grochowiak-Schmieding: „Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein ganzes Bündel von Förderprogrammen aufgelegt“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zu Kinderarmut

###NEWS_VIDEO_1###
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbst wenn keine einzige Stunde Unterricht mehr ausfallen würde, würde das nichts an der Tatsache ändern, dass Eltern in prekären Lebenssituationen ihren Kindern die Schulausstattung nicht kaufen können.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)
Materielle Armut hat eine einzige Ursache: Es fehlt schlicht das Geld.
(Zuruf von der CDU: Aha!)
Dem folgen Armut an Gesundheit, Bildungsarmut, Armut an sozialem Ansehen sowie Armut bei Teilhabe und Selbstbestimmung
Wenn die Opposition in Person von Herrn Laschet daherkommt und spricht: „Arbeit, Arbeit, Arbeit!“, stimmt das zwar. Das ist richtig. Aber wenn ich dann höre, wie Sie den Arbeitsmarkt gestalten wollen, wie Sie glauben, Arbeit beschaffen zu können und Arbeitsstellen schaffen zu können, nämlich nach dem Motto „Regulierung weg“, wird mir ganz anders zumute.
Was heißt das denn? Das heißt: Arbeitsverhältnisse schaffen zulasten von Umwelt und Natur. Das heißt: Weg mit Mindestlohn und Tariftreuegesetz. Und das heißt, dass Sie eines befördern wollen, nämlich prekäre Arbeitsverhältnisse, und nichts anders.
(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Dennis Maelzer [SPD] – Henning Rehbaum [CDU]: Verschwörungstheorie!)
Was haben wir damit? Wir haben noch mehr Aufstocker, also noch mehr Menschen, die unter Umständen vollzeitbeschäftigt sind und trotzdem nicht genug Geld bekommen, um ihren Lebensunterhalt zu gestalten. Und was ist die Folge von prekären Arbeitsverhältnissen, von geringen Löhnen? Die Folge ist auch Altersarmut.
Das ist ein Arbeitsmarkt, den Sie offensichtlich befördern wollen. Wir werden dann fehlende Einnahmen im Sozialversicherungssystem haben.
Herr Tenhumberg, Sie beklagen, dass die Ausbildungszahlen schlecht seien, ganz besonders in NRW. Stimmen Sie uns einfach zu. Wir richten eine Ausbildungsumlage ein. Dann schauen wir einmal, wie sich der Ausbildungsmarkt entwickelt. Im Altenpflegebereich hat sich das bestens bewährt.
(Lothar Hegemann [CDU]: Unverschämtheit! – Weitere Zurufe)
Dann haben Sie davon gesprochen, dass die Beitragsbefreiung im letzten Kindergartenjahr nur etwas für Reiche sei. Ganz ehrlich: Dann müssen wir auch noch weiter gucken. Kinder- oder Betreuungsgeld ist auch nur etwas für Reiche; denn den Menschen, die im SGB-II-Bezug sind, also Hartz IV bekommen, wird das angerechnet. Andersherum ausgedrückt: Diesen Menschen wird das Kindergeld abgezogen. – Wo wollen Sie denn eigentlich hin?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Hafke, Sie haben vollmundig betont: Armutsbekämpfung, Perspektiven schaffen. – Die Richtlinie der FDP ist nach wie vor eher: Hilf dir selbst; sonst hilft dir keiner. – Damit kommen wir natürlich auch nicht weiter.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein ganzes Bündel von Förderprogrammen aufgelegt. Einige sind hier schon genannt worden. Ich will gar nicht alle wiederholen, sondern nur einige Stichworte nennen: der Härtefallfonds, die zuführende Schulsozialarbeit, der soziale Arbeitsmarkt. Das ist ein ganz wichtiges Instrument, um Menschen, die in Langzeitarbeitslosigkeit verharren, wieder auf die Sprünge zu helfen, um vielleicht den Anschluss wiederzufinden. Wir haben im Land Beratungsstrukturen mit Arbeitslosenzentren, Schuldnerberatungsstellen und dergleichen ausgebaut. Das alles wird vom Land gefördert. Im Übrigen handelt es sich dabei um Initiativen, die Sie ganz gern immer wieder wegkürzen wollen.
(Armin Laschet [CDU]: Quatsch!)
– Das entnehme ich Ihren Sparanträgen für die Haushalte, die wir immer wieder vorgelegt bekommen.
Wir fördern ressortübergreifende Politik. Da sind wir sicherlich noch steigerungsfähig. Aber die Landesregierung und wir im Land Nordrhein-Westfalen haben begriffen, dass wir nicht nur nebeneinander, quasi versäult, denken und arbeiten dürfen, sondern die Strukturen miteinander verbinden müssen, um so voneinander zu profitieren und Synergieeffekte zu erzielen.
Es gibt noch viel zu sagen. Ich möchte einfach einmal darauf hinweisen, wie die Regularien in der Sozialhilfe sind. Da heißt es:
„Die Leistungen sollen sie“
– die Menschen, die sie erhalten –
„so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuarbeiten.“
Gut. – Dort heißt es auch:
„Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann …“
Okay. – Ich finde, das sind Maßstäbe, die wir vielleicht auch einmal bei der Subventionierung von Wirtschaftsförderung anlegen sollten. Wirtschaftsunternehmen werden nämlich auch zum Beispiel durch niedrige Grundsteuern, niedrige Energiepreise usw. subventioniert.
(Armin Laschet [CDU]: Ist die Grundsteuer zu niedrig?)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit!
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Ich bin gleich fertig. – Wenn wir da die gleichen Maßstäbe anlegen wie bei den Ärmsten unserer Gesellschaft, dann verhindern wir vielleicht, dass sich der Spruch von Karl Simrock „Armut ist des Reichtums Hand und Fuß“ nicht bewahrheitet.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Und jetzt ist es gut. Sie haben die Redezeit schon deutlich überschritten.
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Denn: Fördern und fordern ja. Aber das muss für alle gelten. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Mehr zum Thema

Kinder & Familie, Soziales