Manuela Grochowiak-Schmieding: „Um das zu ändern, bräuchten wir neue Gesetzesinitiativen, die mit der aktuellen Bundesregierung leider nicht durchzusetzen sind“

Antrag der Piraten gegen Sanktionsverschärfung im SGB II

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Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, Sie treten hier im Hohen Hause gerne als Moralisten auf. Ihre Vorwürfe an alle Fraktionen, es würden Scheinanträge gestellt, sind zahlreich. Na ja, wenn Sie das meinen, sage ich: Willkommen im Klub!
(Torsten Sommer [PIRATEN]: Von mir?)
Sehen Sie, wir können uns hier gerne über die Hartz-IV-Bundesgesetzgebung unterhalten, und selbstverständlich steht es Ihnen frei, hier im Landtag einen Antrag nach dem anderen zu diesem Thema zu stellen. Aber es wäre schon nett, wenn Sie sich wenigstens so viel Mühe geben würden, diese sachlich und fachlich fundiert zu formulieren. Ihren heutigen Antrag unterschreiben Sie nämlich mit „Sanktionsverschärfungen im SGB II verhindern!“, meinen damit aber offenbar Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten.
Herr Sommer, Sie haben das eben erklärt, und ich habe gehört, dass das für Sie gleichbedeutend ist. Aber im Gesetz wird es nun einmal unterschieden, und es gibt auch unterschiedliche Situationen, in denen entweder das eine oder das andere angewandt wird.
Es handelt sich hierbei also um zwei unterschiedliche Sachverhalte. Zugegebenermaßen sind sie oft gleichzeitig erfüllt. Denn wer sich weigert, sich auf eine Arbeitsstelle zu bewerben, muss mit einer Sanktion wegen Pflichtverletzung rechnen. Da aber wohl nicht nachweisbar sein wird, dass derjenige den Job auch wirklich bekommen hätte, ist hier Kausalität für die Schadensersatzforderung eher nicht gegeben.
(Torsten Sommer [PIRATEN]: Ja!)
– Darin sind wir uns also einig.
Sozialwidriges Verhalten und gleichzeitig sanktionsbewehrt wäre zum Beispiel die Trunkenheitsfahrt eines Berufskraftfahrers mit der Folge, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wird und er den Arbeitsplatz verliert.
Sie haben dieses Beispiel gerade auf den alkoholkranken Kraftfahrer erweitert. Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass das in der Tat zu differenzieren ist, wobei ich in dem Fall glaube, dass es besser wäre, die Fahrerlaubnis zumindest so lange zu entziehen, bis die Krankheit überwunden ist. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Auch der Kraftfahrer, der nach einer Feier betrunken in sein Auto oder in seinen Lkw steigt, handelt in mehrfacher Hinsicht schlichtweg fahrlässig.
Tatsächlich kann die Ersatzpflicht – und darin sind wir uns sicherlich auch einig – den Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin wirklich empfindlich und hart treffen, und oft wohl auch härter als die Sanktion, insbesondere dann, wenn beides nebeneinander verhängt wird. Denn neben der Kürzung der Bezüge durch die Sanktionen müssen die Leistungen aufgrund der verhängten Ersatzpflicht zurückgezahlt werden. Unabhängig vom Fehlverhalten und davon, wie man die Folgewirkung jetzt nennt, ist zu konstatieren, dass es sich immer um eine Kürzung existenzsichernder Leistungen handelt.
Für uns Grüne ist die Haltung da ganz klar: Das lehnen wir ab.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])
Gerade bei den Ersatzansprüchen wird es oft schwer sein, aus dieser Schuldenfalle herauszukommen.
Was nun Ihre Einlassungen zu psychischen Beeinträchtigungen und physischen Auseinandersetzungen angeht, so halte ich auch nichts davon, dies einseitig den Beschäftigten in den Jobcentern anzulasten. Hier agieren immer zwei Parteien, denen es mit den vielen Anweisungen sicherlich nicht leichtgemacht wird, aber mit Ihrem Antrag ändern Sie daran gar nichts. Denn wir reden über ein bestehendes Gesetz, das nach den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit in den Jobcentern umgesetzt wird. Also, der Zug, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, ist leider bereits abgefahren,
(Torsten Sommer [PIRATEN]: Wir hatten dazu schon einen Antrag!)
und Ihr Antrag ist nicht geeignet, hieran etwas zu ändern.
Um das zu ändern, bräuchten wir neue Gesetzesinitiativen, die mit der aktuellen Bundesregierung leider nicht durchzusetzen sind; das ist bedauerlich. Mit mehr Grün in Land und Bund sähe ich natürlich eine Chance.
(Torsten Sommer [PIRATEN]: Mit mehr Orange übrigens auch!)
Ihren Antrag müssen wir leider ablehnen.
(Beifall von den GRÜNEN)

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