Manuela Grochowiak-Schmieding: „Sie fordern in Ihrem Antrag Dinge, die es in NRW schon längst gibt.“

Antrag der CDU zum Ehrenamt

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch sechs Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Deutschland noch weit entfernt von der Umsetzung von Inklusion als Menschenrecht. Nach wie vor müssen Betroffene um ihre Rechte kämpfen, und das tagtäglich, und auch Normalverdienende – das hat Herr Kollege Scheffler eben auch schon erwähnt – geraten in die Sozialhilfe, sobald sie einen höheren Assistenzbedarf haben.
Immer noch ist die freie Wahl von Schule, Arbeit, Wohnen nicht selbstverständlich. Nach wie vor gibt es in der Gesellschaft Barrieren, die Gleichberechtigung behindern. NRW ist sicherlich auf einem guten Weg bei der Entwicklung zu einer Gesellschaft für alle. Wir müssen den Vergleich mit anderen Bundesländern sicher nicht scheuen:
So entwickelt sich in unserem Land ein Arbeitsmarkt auch neben der Werkstatt für Menschen mit Behinderung; beim ambulanten Wohnen bieten vielfältige Angebote eine gute Alternative zu den stationären Wohnangeboten oder Wohneinrichtungen; seit einigen Jahren gehen über 80 % der Kinder schon in Regelkindertageseinrichtungen; und mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz befördern wir die Inklusion in der Schule – um nur einige wichtige Maßnahmen zu nennen.
Darüber hinaus haben wir im Aktionsplan „NRW inklusiv“ der Landesregierung einen Maßnahmenkatalog, der uns der Umsetzung der gesellschaftlichen Inklusion in NRW näherbringt. Dennoch bleibt bei der Umsetzung von gleichberechtigter Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für alle im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention natürlich viel zu tun. Vor diesem Hintergrund ist natürlich jeder Vorschlag, der dies weiter befördert, zu begrüßen.
Nur, liebe Kolleginnen von der CDU, bei Ihrem Antrag kommen mir allerdings Zweifel an Ihrer Ernsthaftigkeit, und das in zweifacher Hinsicht.
Zum einen fordern Sie in Ihrem Antrag Dinge, die es in NRW schon längst gibt. Das sind zum Beispiel die von Ihnen erwähnten Lotsen und auch die Beratung nach dem Peer Counseling. Das gibt es nämlich schon, unter anderem in den bestehenden Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben. Den Ausbau dieser Beratungsstruktur haben wir schon im April letzten Jahres in diesem Hohen Hause beschlossen. Dies geschah im Übrigen gegen Ihre Stimmen. Es ist deshalb schon erstaunlich, dass Sie heute mit einem solchen Antrag um die Ecke kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch die Tatsache zu denken, dass dieser Antrag von der gleichen Fraktion gestellt wird, deren gemeinsamer Antrag mit der FDP zu Sozialkosten erst in der letzten Woche im Kommunalausschuss abgelehnt wurde. Worum ging es dabei? Liebe Kolleginnen von der CDU, mit diesem Antrag wollten Sie eine Taskforce für Sozialkosten in der Eingliederungshilfe beschließen lassen.
Natürlich habe ich nichts dagegen, ein Augenmerk auf die Ausgaben bei den Sozialleistungen zu legen. Auch das ist richtig. Aber Sie haben Ihre Forderungen auf ein Gutachten des FiFo-Instituts gestützt, dessen Datenlage im Rahmen der Anhörung von allen Experten negativ beurteilt, um nicht zu sagen verrissen wurde. Dennoch haben die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP davon gesprochen, dass gegebenenfalls auch Standardabsenkungen bei den Leistungen für Menschen mit Behinderungen denkbar seien und kein Tabu sein dürften. Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, die – wie ich zu Beginn meiner Rede schon sagte – tagtäglich um die Anerkennung und Bewilligung ihrer Rechte kämpfen müssen. Diese Haltung der Kolleginnen und Kollegen im Kommunalausschuss oder der Kollegen aus Ihrer Fraktion ist auch der Grund für meine Zweifel an Ihrer Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit, was diesen Antrag angeht.
Wir werden ihn an den Fachausschuss überweisen. Ich bin auf die Debatte gespannt. – Recht schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)