Manuela Grochowiak-Schmieding: „Inklusion ist nicht nur ein Thema für einige wenige, sondern ein Thema für uns alle“

Gesetzentwurf zur Sozialen Inklusion

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Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister Schneider, mit dem Aktionsplan der Landesregierung „NRW inklusiv“wollen wir das Ziel, die inklusive Gemeinschaft in unserer Gesellschaft, die inklusive Gesellschaft als solche schrittweise erreichen.
Viele der darin beschriebenen Maßnahmen werden bereits umgesetzt: Beteiligung, Beratung und Unterstützung sind unter anderem durch den Inklusionsbeirat, durch das Lotsensystem und auch durch die Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben gewährleistet, die wir bereits im Lande haben. Ich erwähne dies nur als einige Beispiele dafür, wie der NRW-Aktionsplan funktioniert.
Als Teil der Kampagne zur Bewusstseinsbildung ist gerade erst vor wenigen Wochen der erste Inklusionspreis NRW verliehen worden. In unterschiedlichen Kategorien wie Arbeit, Freizeit, Kultur wurden herausragende Initiativen für ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Inklusion ausgezeichnet. Dabei wurden in der Tat tolle Aktivitäten bekannt, die auch zur Nachahmung inspirieren. Das ist für die Kampagne zur Bewusstseinsbildung wichtig.
Denn an solchen Beispielen wird deutlich, wie viel Spaß Inklusion macht und wie Inklusion unserer Gemeinschaft guttut. Sie ist nicht nur ein Thema für einige wenige, sondern ein Thema für uns alle. Denn wir alle haben daran teil.
Als weitere Maßnahme im Katalog des Aktionsplans werden Normprüfung und Normprüfungsverfahren genannt. Dass die Landesregierung nun das Erste allgemeine Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen, also das Inklusionsstärkungsgesetz, einbringt, ist ein Teil hiervon.
Hierin werden allgemeine Grundsätze, Behindertengleichstellung, Kommunikationshilfeverordnung und Wahlrecht zeitgemäß formuliert. An dieses Gesetz – da können wir uns alle ganz sicher sein – knüpfen die Menschen mit Behinderung, deren Angehörige, aber auch ihre Interessenvertretung, die Verbändevertretung, hohe Erwartungen. Menschen mit Behinderung soll die gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden. Dazu gehören einfaches Wählen trotz Sehbehinderung, Unterstützung bei Elterngesprächen für Hörbeeinträchtigte sowie selbstbestimmtes Wohnen trotz Beeinträchtigung.
Dieses Inklusionsstärkungsgesetz – das ist wichtig – beschreibt keine neuen Aufgaben, sondern es konkretisiert Maßnahmen, die die Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen. Das Gesetz richtet sich insbesondere an die Träger der öffentlichen Belange im Land und an die Kommunen. Es sind nicht nur die Kommunen genannt, sondern auch das Land, Herr Preuß. Sie haben das eben ein bisschen eingeschränkt vorgetragen. Diese tragen also in mehrfacher Hinsicht auch Verantwortung. Denn vor Ort werden die Barrieren abgebaut und dort wird gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht.
Natürlich haben öffentliche Einrichtungen auch eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Menschen mit Behinderung fördern und unterstützen ist das Ziel. Ein gutes Beispiel – das ist vorhin schon erwähnt worden – hierfür ist das, was wir in NRW vorangebracht haben. Das sind die Angebote für selbstbestimmtes Wohnen und Leben. Bereits seit 2003 haben die beiden Landschaftsverbände die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung beim Wohnen erhalten. Seitdem konnte in NRW das Angebot an betreutem und selbstständigem Wohnen deutlich erweitert werden. Der weitere Zubau an Heimplätzen konnte gestoppt werden.
Heute leben in NRW bereits mehr Menschen im ambulant betreuten Wohnen und im selbstständigen Wohnen mit Assistenz als in Wohnheimen. Damit ist NRW ganz klar Vorreiter in der Bundesrepublik.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die in den letzten Jahren bereits vollzogene Verlagerung der Organisation von ambulanten Wohnformen für Menschen mit Beeinträchtigung auf die Landschaftsverbände erhält nun die gesetzliche Grundlage.
Wir begrüßen, dass im Gesetzentwurf nun auch die Unterstützung von Eltern mit Hör- und Sprachbehinderungen mit geeigneten Kommunikationshilfen über das Verwaltungsverfahren hinaus gewährleistet wird. Das bedeutet, dass für gehörlose Eltern Kommunikationshilfen wie zum Beispiel Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung gestellt werden, wenn sie an Elterngesprächen in der Kita oder in der Schule teilnehmen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Inklusion ist ein Querschnittsthema durch alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche. Es ist aber auch ein Querschnittsthema über alle Ebenen. Hier sind Bund, Land und Kommune gefordert, ihre Verantwortung anzuerkennen und entsprechend zu handeln.
Wir geben in unserem Land viel Geld für Infrastruktur und Bau von Immobilien aus. Der Standard, den unsere öffentlichen Verkehrsflächen und auch Gebäude – egal, ob öffentlich oder privat – erreichen, sucht seinesgleichen in Europa. Bedauerlich ist nur, dass bei den hohen Investitionen nicht immer darauf geachtet wird, Barrieren zu vermeiden, die die Zugänglichkeit, das Auffinden und die Nutzung erschweren oder gar verhindern. Da steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eher schlecht da.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich komme zu meiner letzten Bemerkung: Manchmal ist weniger doch mehr. Verstehen Sie mich aber nicht falsch: Ich meine damit, weniger investieren in Hochglanz für einige, dafür mehr investieren in Teilhabe für alle.
Im weiteren Beratungsverfahren kommt sicher noch der eine oder andere Änderungs- oder Ergänzungsvorschlag zur Sprache. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion zu diesem Gesetzentwurf.
Mir seien jetzt noch einige Worte zu unserem Herrn Minister gestattet, dessen Verdienste und Wirken schon mehrfach erwähnt worden sind. Sehr geehrter Herr Minister Schneider, lieber Guntram, ganz besonders und häufig habe ich dein phänomenales Gedächtnis bewundert. Ich hoffe, dass dich das auch in Zukunft nicht im Stich lässt. Denn du sollst ja uns alle in hoffentlich guter Erinnerung behalten. Dass wir dich in Erinnerung behalten, ich denke, dafür sorgst du quasi mit deinem Abschiedsgeschenk, das du uns heute mit dem Inklusionsstärkungsgesetz hinterlässt. Vielen Dank dafür und alles Gute für die weitere Zeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)