Manuela Grochowiak-Schmieding: „Dass wir hier eine Gebärdensprachdolmetscherin sehen, ist ein weiterer Schritt in Richtung „barrierefreier Landtag“.“

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir hier eine Gebärdensprachdolmetscherin sehen, ist ein weiterer Schritt in Richtung „barrierefreier Landtag“.
(Allgemeiner Beifall)
Bei unseren grünen Parteitagen und weiteren grünen Veranstaltungen ist das schon zu einem selbstverständlichen Bild geworden.
Übrigens haben wir uns als guten Vorsatz für das neue Jahr vorgenommen, allen unseren Fraktionsmitgliedern die Teilnahme an einem Gebärdensprachkurs anzubieten. Damit wollen wir uns ein Stück weit für die inklusive Gesellschaft fit machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es ist schön, dass Sie dieses Thema im Jahre 2012 nun auch für sich entdeckt haben. Sie haben hier einen Antrag vorgelegt, dessen Thema wir bereits ausführlich im Sozialausschuss beraten haben. Eigentlich sollten Sie deshalb auch wissen, dass ein sorgfältiger Arbeitsprozess stattfindet, der im Übrigen durch die vorliegenden Petitionen angeregt wurde. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass es ein Kollege der FDP und meine Kollegin Martina Maaßen waren, die dieses Thema überhaupt erst in den Ausschuss und die parlamentarische Debatte gebracht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Immerhin freue ich mich, dass Sie inzwischen davon abgerückt sind, Ihren Antrag heute hier kontrovers zur Abstimmung zu stellen; denn das wäre der Sache nun wirklich nicht dienlich.
Worum geht es, meine Damen und Herren? – In Deutschland gibt es schätzungsweise 80.000 gehörlose Menschen. Etwa 1,5 Millionen sind schwerhörig oder postlingual ertaubt. Dazu kommt die Gruppe der Altersschwerhörigen.
Der soziale Kontakt der gehörlosen Menschen mit der hörenden Umwelt wird erschwert, weil die Verwendung der Lautsprache in der Gesellschaft vorherrschend ist. Nicht hören zu können, bedeutet daher im Allgemeinen einen sehr weit gehenden Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Für gehörlose Eltern stellt darüber hinaus die Erziehung ihrer hörenden Kinder eine ganz besondere Herausforderung dar. Aufgrund ihrer Kommunikationssituation sind sie oftmals von anderen Bildungs- und Beratungsangeboten für Eltern ausgeschlossen. Dennoch wollen natürlich auch diese Eltern ihre Pflichten und Rechte – insbesondere dann, wenn es um ihre Kinder geht – wahrnehmen.
Meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte das nun wirklich nicht auf die gesunde Entwicklung der Kinder beschränken, was auch immer Sie darunter verstehen, und schon gar nicht auf die von Ihnen bemühten Schulmitwirkungspflichten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Unter Schulmitwirkungspflichten versteht man zum Beispiel die Pflicht einer Schülerin oder eines Schülers zur Teilnahme am Unterricht und dazu, sich dort Leistungsüberprüfungen zu stellen. Ich vermute, dass das dem- oder derjenigen, der oder die diesen Antrag formuliert hat, nicht ganz klar war. Solche Feinheiten können wir im Ausschuss aber gerne noch klären.
Meine Damen und Herren, gehörlose Menschen verfügen über visuelle Sprache, nämlich die deutsche Gebärdensprache. Darüber hinaus gibt es als eine weitere Möglichkeit das Schriftdolmetschen.
Zurzeit ist die Bereitstellung – das ist bereits gesagt worden – geeigneter Kommunikationsmittel per Gesetz auf die sogenannten Verwaltungsverfahren begrenzt. In NRW wird das im Moment noch durch Kannbestimmungen oder freiwillige Maßnahmen in Kita und Schule abgemildert. Diese Hilfestellungen sind ein erster Schritt zur Unterstützung gehörloser Eltern und Kinder.
Mit der Aufstellung des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ hat die rot-grüne Landesregierung einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der Vorhaben der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung getan. Hierin wird unter anderem die Normenkontrolle aller Gesetze festgeschrieben. Es wird auch das Recht der Menschen auf Assistenz zur uneingeschränkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben festgestellt.
Das Normenprüfverfahren ist bereits in Arbeit. Änderungs- und Anpassungsbedarfe der Kommunikationshilfenverordnung und des Behindertengleichstellungsgesetzes wurden bereits erkannt.
Darüber hinaus hat die Landesregierung schon im Jahr 2011 bei der Universität zu Köln eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie haben sie eben als gar nicht so wichtig bezeichnet. Wir sehen das völlig anders. Diese Untersuchung wird die Lebenslagen gehörloser und schwerhöriger Menschen analysieren und uns Handlungsempfehlungen für unsere landespolitische Tätigkeit geben. Das Gutachten wird Ende Mai 2013 vorliegen.
(Ursula Doppmeier [CDU]: Das ist aber zu spät für die Einschulung!)
Es wird uns auch Erkenntnisse zu dem Problem gehörloser Menschen an Schulen und in Kitas bringen.
Auch dies müsste bei Ihnen in der CDU bekannt sein; denn alles das wurde bereits im Fachausschuss diskutiert. Dort wurde auch mehrheitlich anerkannt, dass die Problemstellung insgesamt sehr komplex ist und die Lösung zunächst einer fundierten Analyse bedarf. Mit einer solchen Analyse als Basis wollen wir dann eine zielgenaue Lösung erarbeiten.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Abgeordnete.
Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE): Ich werde jetzt zum Schluss kommen, Herr Präsident. – Dabei können sicher auch Erfahrungen und Lösungen aus anderen Bundesländern einfließen. Die von Ihnen genannte Lösungsmöglichkeit ist mit Sicherheit noch nicht einmal die praktischste und schon gar nicht die unbürokratischste. Selbstverständlich werden wir auch die Betroffenen zu den Beratungen hinzuziehen.
Die rot-grüne Koalition wird sich dem Thema „Inklusion“ mit der gebotenen Sorgfalt und Ernsthaftigkeit widmen. Wir werden also nicht unausgegoren herumwursteln, sondern mit Hand und Fuß handeln. – Ich freue mich auf konstruktive Beratungen im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)