Lena Zingsheim-Zobel: „Wir schaffen jetzt im ersten Schritt Rahmenbedingungen für mehr Zufriedenheit und gesteigerte Attraktivität des Lehrerinnenberufs“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum IQB-Bildungstrend

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um ein unzweifelhaft wichtiges Thema: um die Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, kurz IQB.

Die Ergebnisse, die uns in den letzten Wochen erreicht haben, beunruhigen uns zutiefst. Wir alle sind zweifellos über die Zahlen, die für Nordrhein-Westfalen evaluiert wurden, betroffen. Gemessen am Kompetenzbereich der 4. Klasse erreichen viele Schülerinnen und Schüler die Mindeststandards in den Fächern Deutsch und Mathematik nicht. Das haben wir bereits in den Debatten hier gehört und alle festgestellt. Das redet hier auch niemand klein. Ihr Antrag, liebe FDP, fasst das überschaubar zusammen.

Mindestens als unglücklich empfinde ich hingegen die Behauptung, dass wir als Zukunftskoalition die Grundschulen im Zukunftsvertrag vernachlässigen würden. Wer hat es denn in den vergangenen fünf Jahren vernachlässigt, die Lehrkräfte, diejenigen, die die Kernkompetenzen vermitteln, endlich gleich zu bezahlen und für A13 zu sorgen?

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Wir schaffen jetzt im ersten Schritt Rahmenbedingungen, die den Weg für mehr Zufriedenheit und gesteigerte Attraktivität des Lehrerinnenberufs an Grundschulen ebnen.

Der Weg zu A13 und die langfristige Implementierung von mehr Lehrerinnenstellen sowie die Ankündigung der Ministerin, für das Personal kurz-, mittel- und langfristige Lösungen zu finden, sind nicht nur ein Symbol. Belastungsgrenzen liegen nicht an der Überforderung der fachlichen Vermittlung von Kernkompetenzen, sondern sie entstehen – verkürzt gesagt – durch zu wenig Personal und damit einhergehend dadurch, in zu großen Klassen unterrichten zu müssen.

Präsident André Kuper: Geschätzte Kollegin, ich muss einmal stören. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der FDP, und zwar von Herrn Professor Pinkwart. Lassen Sie sie zu?

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Gerne.

Präsident André Kuper: Bitte, Herr Professor Pinkwart.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Zingsheim-Zobel, dass Sie die Frage zulassen. Sie hatten angesprochen, dass die Besoldungsanpassung schon in der letzten Legislaturperiode dringend notwendig gewesen wäre. Ist Ihnen erinnerlich, dass die ersten Masterabsolventen für den Grundschuldienst zur rot-grünen Regierungszeit ihre Stellen eingenommen haben und dass schon zu dieser Zeit eine Anpassung notwendig gewesen wäre?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist eine super Entschuldigung!)

Ich habe im Ausschuss gesagt: Auch Schwarz-Gelb hätte das damals mit der Reform schon tun können. – Das sehe ich durchaus auch sehr selbstkritisch. Ich wollte aber nur noch einmal gesagt haben, dass es nicht nur ein Handlungsdefizit der Vorgängerregierung, sondern ein Handlungsdefizit mehrerer Vorgängerregierungen ist.

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Die Frage ist dann, warum wir das damals noch nicht gemacht haben? Ich war damals noch nicht Teil der Landesregierung. Ich bin neu im Parlament und bin sehr froh, jetzt nach vorne gucken zu können und A13 als Teil mit realisieren zu können. – Vielen Dank für die Frage.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Studie der Robert Bosch Stiftung hat mit einer Umfrage unter Lehrkräften im April 2022 ergeben, dass 92 % der befragten Lehrkräfte das Kollegium und 84 % sich selbst als stark belastet empfinden. Neben der Coronamaßnahmen gaben die befragten Lehrkräfte als Belastung den Lehrkräftemangel an. Der VBE schließt sich an und fordert ein Maßnahmenpaket für die Gesunderhaltung von Pädagoginnen und Pädagogen.

Beginnen wir vorne und erkennen an, dass uns der Fach- und Lehrkräftemangel eingeholt hat und auch Sie in den vergangenen fünf Jahren nicht wesentlich gegensteuern konnten. Wir müssen die Realität der Grundschulen erstens anerkennen und zweitens Menschen ins System bringen und entlasten. Denn das ist ja kein Selbstzweck. Das kleine Einmaleins von individueller Förderung besteht doch aus multiprofessionellem Personal und ausreichend Zeit, um Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Lernzugänge zu ermöglichen.

Jetzt zum Kernpunkt Ihres Antrags, dem Masterplan Grundschule: Unzweifelhaft hat das MSB unter Führung Ihrer Fraktion in der letzten Legislaturperiode Maßnahmen in Form des Masterplans vorgelegt. Sie führen den Masterplan in Ihrem Antrag an und verwenden ihn fast schon inflationär als Lösungsansatz für diesen seit 2011 abwärts rutschenden Trend. Dabei greift der Masterplan zuerst im Schuljahr 2021/22, aufsteigend ab der Schuleingangsphase. Inwiefern sich diese Maßnahmen in der Studie bereits zeigen, ob mit positivem oder negativem Effekt, ist an dieser Stelle also nicht abschließend zu klären. Möglicherweise wären die Effekte deutlich spürbarer, wenn der Masterplan von Ihnen, wie versprochen, bereits 2017 auf den Weg gebracht worden wäre.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine andere Sache möchte ich hier aber auch noch kurz festhalten, weil das Beispiel Hamburg in jeder Debatte über die IQB-Studie auftaucht. Sie führen Hamburg als Vorzeige-Bundesland an. Es mag sein, dass Hamburg mit all seinen Maßnahmen in der Bildungspolitik eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Im Zweifel kann man ja schon sagen: Besser gut abschreiben als schlecht selber machen. – Aber dann müssen die Vergleiche auch passen und entsprechende Voraussetzungen bestehen, damit das Abschreiben klappen kann.

Einen geografischen Abriss muss man hier schon machen. Der Stadtstaat Hamburg mit 1,8 Millionen Menschen und NRW mit 396 Kommunen und 18 Millionen Menschen: Der Unterschied ist riesig.

(Beifall von Tim Achtermeyer [GRÜNE])

Die Herausforderungen sind vielfältig, und die Maßnahmen müssen die Diversität des Landes berücksichtigen.

Die Verantwortung, zeitnah zu handeln, haben wir alle. Wir können jetzt nicht einfach sagen: Warten wir einmal ab, was nach dem Einsetzen des Masterplans passiert. – Damit würden wir wertvolle Zeit verlieren, die wir schlicht nicht haben. Wir müssen uns jetzt ehrlich machen und alle bisherigen Wege evaluieren und bislang nicht gegangene Wege gehen.

Die Behauptung, die Zahlen hätten uns als neue Landesregierung offenbar überrascht, weil aus unserer Sicht nicht die qualitative Stärkung des Kompetenzerwerbs im Koalitionsvertrag steht, ist schlichtweg haltlos. Wie Herr Grunwald bereits ausgeführt hat, werden wir hiernach handeln und haben bereits im Nachtragshaushalt begonnen.

Ich bin mir sicher, dass die Debatten im Ausschuss gehaltvoll und konstruktiv geführt werden, und freue mich deshalb auf den Austausch im Fachausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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