Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zur eigentlichen Reaktion auf Ihren Antrag komme, lassen Sie uns bitte über einen Aspekt sprechen, der nicht direkt etwas mit KI zu tun hat, aber trotzdem im Antrag Erwähnung findet. Im Antrag bemängeln Sie ganz offen, dass Schüler*innen im internationalen Vergleich wenig Vertrauen in Lehrkräfte und Eltern haben. Das schreiben Sie, ohne rot zu werden, in den Antrag und unterstützen diese Aussage somit offenkundig.
Dabei sind es offensichtlich Sie, denen es an Vertrauen fehlt. Wer wie Sie in den vergangenen Wochen fordert, langzeiterkrankte Lehrkräfte aufmerksamer und strenger zu kontrollieren und amtsärztlichen Untersuchungen zu unterziehen,
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
weil einzelne Lehrkräfte Krankschreibungen falsch auslegen,
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Falsch auslegen!)
der sät Misstrauen gegenüber unseren Lehrkräften.
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Das hat mit der Aufgabenstellung nichts zu tun!)
Ich möchte ganz deutlich sagen: Unsere Lehrkräfte arbeiten mit, und sie arbeiten für unsere Zukunft. Wie Sie selbst noch im Ausschuss sagten, Frau Müller-Rech: Teilweise gehen Lehrerinnen noch mit dem Kopf unterm Arm in die Schule, obwohl sie ins Bett gehören. Aus dem Verhalten einzelner ohne Not und vor allem ohne Belege eine grundsätzliche Verhaltenskrise aller Lehrkräfte abzuleiten,
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Das hat niemand gemacht, Frau Kollegin!)
schürt Misstrauen gegenüber dem Berufsstand der Lehrkräfte.
Man muss sich nicht wundern, wenn das Vertrauen von Schüler*innen sinkt, wenn wir es in der Landespolitik nicht schaffen, an entscheidenden Stellen und Punkten gemeinsam das System zu stärken.
(Beifall von den GRÜNEN)
Jetzt komme ich zu Ihrem Antrag zur Künstlichen Intelligenz. „Von der Kreide zur KI“ heißt Ihr Antrag. Aber unsere Schulen sind nicht in den 2010er-Jahren hängen geblieben. Die Zeit von trockenen Händen, Kreideresten in den Hosentaschen und schlecht geputzten Tafeln ist doch vorbei.
Es scheint, als sei Ihr Antrag nach einer längeren Ruhepause jetzt wieder aus der Schublade gezogen und ohne Aktualisierung eingereicht worden. An manchen Stellen wirkt es zumindest so. Gleichzeitig haben Sie auch ein bisschen Recht.
Nein, wir alle haben keine perfekte Antwort auf den Umgang mit KI. Es stimmt, dass es keine Strategie zur Skalierung und zum Rollout gibt. Wissen Sie, woran das liegt? KI wirkt nur wenige Jahre nach seiner öffentlichen Verfügbarkeit bereits stark disruptiv und beeinflusst Entwicklungen auf allen Ebenen. Wer vorgibt, den einen guten, fertigen Plan zu haben, der lässt mich doch sehr hellhörig und – offen gestanden – ein bisschen misstrauisch werden.
Deshalb bin ich froh darüber, dass sich das Ministerium entschieden hat, mit „Telli“ schrittweise und damit modifizierbar ein sicheres Tool anzubieten und statt mit der Förderung von KI-Anwendungen lieber mit einem Handlungsleitfaden und einer Befähigungsstrategie zu unterstützen. Was soll denn ein Rollout von KI-Anwendungen überhaupt bringen? Die kurze Phase, in der man dachte, dass wir zukünftig das Prompt Engineering als neuen goldenen Berufszweig etabliert sehen werden, ist wohl schon vorbei.
Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen darin schulen, KI anzuwenden. Das ist sicher nicht die Schwierigkeit bei den bereits kostenlos zugänglichen Tools. Denen kann man mittlerweile teilweise eine Sprachnachricht schicken, und es kommen Ergebnisse heraus.
Die echte Herausforderung ist die Kompetenzvermittlung. Wir alle müssen lernen, was der Umgang mit KI bedeutet. Wir alle müssen lernen, wie wir die Ausgaben einzuschätzen haben und wie wir sie weiterverwenden können und sollten. Und wir müssen auch verstehen, was es für uns als Person und für unsere Gesellschaft bedeutet, wenn KI immer mehr einzubeziehen ist.
Dieses Lernen soll natürlich auch in der Schule stattfinden. Ich bin mir sicher, dass dazu auch die Enquetekommission „KI“ einen wichtigen Handwerkskoffer bieten wird. Schüler*innen brauchen die Fähigkeit, gemeinsam durch diesen Lern- und Entwicklungsprozess zu gehen. Dann wird KI auch bei den anstehenden Oberstufenreformen fest eingebunden, und es gibt im Rahmen der Projektkurse vertiefendes Arbeiten, was gut ist.
Der Kompetenzerwerb im Bereich „KI“ ist kein Produkttesten, sondern ein kognitiver Prozess. Die Vorstellung, dass KI uns als Handelnde und denkende Individuen ersetzen soll und wir jeden Vorgang in unserer Welt nicht so menschenfreundlich wie möglich, sondern so effizient wie möglich gestalten sollten, teile ich nicht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen der SPD sehr dankbar, dass er die Perspektive der Schülerinnen und Schüler noch mal erwähnt hat. Auch ich finde, dass das in der Debatte wenig zur Sprache kam.
KI ist eine riesige Welt, über die wir auf unterschiedlichsten Ebenen miteinander zu diskutieren haben, die Einzug in Schule gehalten hat und Einzug in Schule halten wird. Aber wir müssen auch über die Kompetenzvermittlung sprechen.
Wenn ich mir vorstelle – die Studienlage zeigt das ja –, dass sich sehr viele Jugendliche einsam fühlen und in einer gefühlten Krisenhaftigkeit aufwachsen, die wir alle miteinander hier erleben, dass ihnen die guten Zukunftsaussichten in gewisser Weise sogar fehlen, dann möchte ich nicht wissen, wie ich mich als 17-Jährige heute fühlen würde.
Wie hat das mit KI zu tun? Es gibt Schülerinnen und Schüler, junge Menschen, die KI als Freundin oder Freund morgens befragen, die KI-Chats als Therapeutinnen und Therapeuten nutzen, die morgens in einen Dialog mit einem KI-Chat eintreten und sich quasi den Tag über begleiten lassen, die ganz intime, private Fragen mit der KI besprechen. Man muss sich einmal klarmachen, was es für den Alltag bedeutet, wenn ein digitales Interface zu einem solchen engsten Vertrauten wird.
Das ist immer noch keine Gegenrede zu KI, sondern das ganz klare Petitum, dass ein solcher Antrag wie der hier vorliegende in der Dimension der Kompetenzvermittlung vielleicht noch zu kurz greift.
Ich freue mich sehr über den Austausch und die weiteren Beratungen im Ausschuss.
Wenn wir KI mit persönlichen Informationen füttern und uns auf die Rückmeldungen verlassen, die eine KI gibt – im Handeln, im Fühlen, im Ziehen von Konsequenzen –, dann ist das ein Zeichen dafür, dass junge Menschen das, was das alles macht, vielleicht noch nicht ganz verstanden und die Dimension dessen noch nicht durchdrungen haben. Hier braucht es Aufklärung.
Dann geht es um Fragen wie: Wohin gehen meine Daten? Was sind eigentlich Trainingsdaten? Was ist Bias? Wer sich mit diesen Fragen befasst, wird in der Folge vermutlich vorsichtiger und umsichtiger werden.
Ich glaube, das ist etwas, was wir miteinander bewegen müssen, wenn wir über Kinder- und Jugendschutz sprechen. Deswegen freue ich mich über die weiteren Beratungen. Ich freue mich auch, dass das Ministerium gerade noch einmal breit und gut dargelegt hat, wie wir ebenso Lehrkräfte darin stärken müssen, jungen Menschen diese Kompetenzen zu vermitteln.
Wir tun, glaube ich, wenn wir von einer digitalen und von KI geprägten Welt sprechen, unseren Jüngsten einen großen Gefallen, wenn wir sie befähigen, in diesem Bereich große und gute Kompetenz entwickeln. – Vielen Dank.
