Lena Zingsheim-Zobel: „Wir müssen uns auch darüber verständigen, wie die Bildung der Zukunft aussehen soll“

Zur Aktuellen Stunde auf Antraf der Fraktionen von FDP und "AfD" zu Klassengröße in Grundschulen

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Meine Damen und Herren! Es ist schön, dass wir in der Aktuellen Stunde einen Ritt durch die gesamte Bildungspolitik Nordrhein-Westfalens versuchen.

(Kirsten Stich [SPD]: Ja, ist ja nötig!)

Ich werde versuchen, mich auf die vollen Klassenzimmer zu fokussieren. In der Tat ist es ein Problem, dass viele Klassen proppenvoll sind. Leider ist das nicht nur aktuell so, sondern leider auch nicht rasch zu ändern.

Im Schulkonsens 2011 wurde zwischen CDU, SPD und Grünen vereinbart, dass wir frei werdende Ressourcen wegen rückläufiger Schüler*innenzahlen dafür verwenden, die Unterrichtsqualität zu verbessern. Dazu gehörte auch eine schrittweise Senkung der Klassengrößen. Natürlich ist es richtig, dass bei einer Klassengröße von 29 Kindern weniger und schwieriger individuell gefördert werden kann als bei einer Klassengröße von 20 Kindern.

Tatsächlich wurden die Klassengrößen in der Grundschule nach 2011 gesenkt. Allerdings hat uns dann die Entwicklung überholt: Die Schüler*innenzahlen sind nicht wie prognostiziert gesunken, sondern sie sind im Gegenteil gestiegen. Und dafür sind nicht die Geflüchteten ursächlich.

Ebenso gravierend ist der Lehrkräftemangel, besonders an den Grundschulen. Ich kann mich an die Absicht in der letzten Legislaturperiode erinnern, liebe FDP, die Klassengrößen im Gemeinsamen Lernen zu beschränken und personell entsprechend auszustatten. Mit der Formel 25 – 3 – 1,5 wurde die Größe auf 25 Schüler*innen beschränkt, davon maximal drei Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und mit 1,5 Lehrkräften.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Doch diese Zauberformel, wie sie rasch genannt wurde, kam nie in der Realität an. Die GEW sprach seinerzeit von einem Rechentrick. Die hohen Erwartungen wurden enttäuscht. Deshalb ist es wichtig, sich ehrlich zu machen und keine leeren Versprechungen abzugeben, sondern wirklich spürbare Verbesserungen zu identifizieren und umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist gut, dass wir heute deutlich weiter sind, Multiprofessionalität in den Schulen walten lassen wollen und nicht nur unterrichtliche Zugänge für Schülerinnen und Schüler ermöglichen, sondern auch mehr Menschen ins System bringen.

Deshalb hat die Landesregierung das Handlungskonzept Unterrichtsversorgung aufgelegt, verbunden mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen. Dieses Konzept wird evaluiert und weiterentwickelt.

Die Koalitionsfraktionen aus CDU und Grünen haben dazu im Frühjahr erfolgreich einen Antrag zur Fachkräfteoffensive im Bildungsbereich auf den Weg gebracht. Nur wenn wir unseren Schülerinnen und Schülern ausreichend Personal an die Seite stellen, können wir gute Bildung gewährleisten. Durch mehr multiprofessionelles Personal in Schulen verbessern wir auch die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte, die wegen der angespannten Stellensituation oft bis an die Belastungsgrenze kommen.

Multiprofessionelles Personal ist wichtig und hilft, aber natürlich brauchen wir auch ausreichend grundständig ausgebildete Lehrkräfte. Davon haben wir zu wenige. Seit Jahren wissen wir: Wir haben einen Überhang an Absolvent*innen für das Lehramt der Sekundarstufe II und einen Unterhang beim Grundschullehramt. Das hängt auch mit der Bezahlung zusammen.

CDU und Grüne haben deshalb direkt nach der Regierungsübernahme richtigerweise einen Stufenplan zur Umsetzung von A13 auf den Weg gebracht. Das war nicht nur gerecht, sondern auch klug, um bessere Anreize für das Grundschullehramt zu schaffen. Liebe FDP, es wäre schön gewesen, wenn Sie diesen Schritt wie 2017 versprochen schon durchgesetzt hätten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP] – Ralf Witzel [FDP]: Falschnachrichten!)

Ein Teil der Wahrheit ist auch, dass wir hier in tradierten Mustern diskutieren: Unterricht in Klassenverbänden. Ich möchte einen Anpack ansprechen, den ich in dieser Debatte genauso wichtig finde. Wir müssen uns auch darüber verständigen, wie die Bildung der Zukunft aussehen soll. Wie wollen wir wirklich wirksamen jahrgangsübergreifenden Unterricht realisieren, der Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit von Schüler*innen in den Fokus rückt? Wir wissen, dass projektorientiertes Arbeiten junge Menschen darin befähigt, Verantwortung zu übernehmen und Handeln zu reflektieren, und dass so viel mehr gelernt wird.

Die jüngste ifo-Umfrage zeigt einmal mehr, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen mit dem Schulsystem am unzufriedensten sind. Lassen Sie uns die Ärmel hochkrempeln, anpacken und endlich gemeinsam loslegen,

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Machen Sie das! Wir warten darauf!)

anstatt immer wieder und erneut die Missstände anzuführen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Kirsten Stich [SPD]: Dann fangt doch an! – Sarah Philipp [SPD]: Aber ihr regiert doch! – Weitere Zurufe von der SPD – Glocke)

In jedem Fachbereich herrscht aktuell Fachkräftemangel. Das ist ganz eindeutig so. In jedem Fachbereich, mit dem wir uns in diesem Parlament beschäftigen, ist klar und wird von diesem Parlament anerkannt, dass wir handeln und daran arbeiten müssen. Das haben wir auch im Bildungsbereich klar festgehalten und einen Antrag dazu geschrieben.

Trotzdem geht es vor allem im Bildungsbereich von Plenarsitzung zu Plenarsitzung darum, wie schlimm alles an den Schulen sei und dass wir keine Fachkräfte hätten, anstatt gemeinsam weiter zu überlegen.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Darüber würde ich mich tatsächlich freuen, und deswegen freue ich mich auf die weitere Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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