Lena Zingsheim-Zobel: „Wir müssen über den auslaufenden Schulkonsens sprechen und ausloten, wie wir gemeinsam vorankommen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Anmeldeverfahren an weiterführenden Schulen

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, hier mit dem Titel – ich zitiere – „Verfahren zur Anmeldung an weiterführenden Schulen für alle Schulformen in gleicher Weise transparent, effektiv und fair gestalten“ anführen, ist eine aus unserer Sicht in vielen Punkten falsche Analyse dessen, was seit Jahren Status quo ist. Spannend, dass Sie nach fünf Jahren Verantwortung im Schulbereich nun aus der Opposition heraus versuchen, das Bildungssystem gerechter zu gestalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn dieser Antrag wirklich zu mehr Transparenz und Chancengleichheit führen würde, könnten wir fachlich ja gut über Wege diskutieren. Sie sehen jedoch das Instrument des vorgezogenen Anmeldeverfahrens als reines Instrument zur Bevorzugung der Gesamtschulen. Das ist Quatsch. Es wird gerade da eingesetzt, wo eine übergroße Nachfrage für eine Schulform erwartet wird, um Eltern nach der Anmeldung transparent darstellen zu können, ob sie einen Platz an dieser Schulform erhalten haben oder sich im zweiten Verfahren dann für eine andere Schule aktiv entscheiden können.

Da ist eine vermeintliche Bevorzugung gar nicht nötig. Das zeigt nur eins: Sie blicken immer noch mit ideologischer Perspektive auf die Schulformen – so auch Ihre Einschätzung, dass Gymnasien und Realschulen benachteiligt würden.

(Beifall von den GRÜNEN und Christina Schulze Föcking [CDU])

Wir haben uns im Zukunftsvertrag mit der CDU darauf verständigt, dass wir die Schullaufbahnberatungen ab Klasse 4 intensivieren und dass wir auf den Schulfrieden aufbauen wollen. Ihr Antrag bringt alles andere als Ruhe und Verlässlichkeit in das System, aber viele Unsicherheiten für Eltern und Schulträger.

Ja, wir müssen über den auslaufenden Schulkonsens sprechen und ausloten, wie wir gemeinsam vorankommen im Sinne von Bildungsgerechtigkeit für alle. Ich lade Sie hiermit herzlich ein, dies mit uns konstruktiv gemeinsam zu machen und jetzt keinen kalten Fehlstart hinzulegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir setzten uns im Koalitionsvertrag dafür ein, dass wir im Sinne der Kinder handeln wollen. Eine jede Schule ist verpflichtet, jeder Schülerin und jedem Schüler individuell nach Begabungen und Voraussetzungen die Förderung zukommen zu lassen, die er oder sie braucht, um die bestmöglichste Bildungsbiografie erleben zu können. Wenn dies – wir wissen, dass wir hier anpacken müssen – nicht immer der Fall ist, dann müssen wir über Werkzeuge sprechen, die mehr individuelle Förderung und Zeit zulassen und Schule größer sein lässt als der reine Fachunterricht.

Da sind wir beim zweiten Teil Ihres Antrags. Denn in Ihrem Antrag geht es nicht nur, wie die Überschrift es hergibt, um die Anmeldeverfahren, sondern auch um die Erprobungsstufe in Klasse 5 und 6. Sie nennen in dem Zusammenhang den selbst gewählten Begriff der Abschulung, ohne dabei auch die Schattenseiten eines solchen Schullaufbahnwechsels zu nennen.

Dahinter steckt ja die Tatsache, dass Kinder an den Anforderungen für einen zukünftigen Bildungsabschluss schon in Klasse 5 oder 6 scheitern oder zu scheitern scheinen. Was ein Schulwechsel für ein Kind eh schon bedeutet, muss ich hier nicht sagen. Wenn es dabei dann auch noch das Gefühl hat, dass es in seiner bzw. in ihrer Schullaufbahn bergab geht, dann ist dies ein Faktor mehr, der zu Verunsicherungen bis hin zu psychischen Belastungen führt. Ich möchte wirklich gerne dabei sein und sehen, wie Sie Eltern oder dem Kind erzählen, dass der Schullaufbahnwechsel, wie Sie im Antrag schreiben, eine Chance sei, obwohl zwei Jahre lang gekämpft wurde oder im Prinzip der gesamte Freundeskreis verloren geht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, an dieser Stelle gehe ich auf diesen Teil Ihres Antrags nicht tiefer ein; denn wenn wir in dieser Debatte Ihren Antrag unter seiner Überschrift diskutieren würden – diese suggeriert schließlich, dass es um die vorgezogenen Anmeldeverfahren gehen soll –, wären wir in der Schule am Thema vorbei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Ihren Antrag im Fachausschuss weiter beraten. Ich würde mich freuen, wenn wir über Maßnahmen sprechen, die wirklich zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit führen. In der aktuell angespannten und belasteten Situation brauchen wir nicht noch mehr Unsicherheiten oder Änderungen, die weitere Schlüsse, die sich daraus ergeben, nicht berücksichtigen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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