Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Ich darf seit zweieinhalb Jahren Mitglied dieses Parlaments sein. Seit zweieinhalb Jahren darf ich mit daran arbeiten, dass wir in Schule und Bildung für mehr Chancengleichheit sorgen, wir Inklusion in Schulen vorantreiben und Digitalisierung möglich machen. Hätten Sie mir 2022 gesagt, dass wir in zweieinhalb Jahren vor einer solch politisch herausfordernden und damit einhergehend finanziell schwierigen Situation stehen, hätte ich die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Dann hätte ich die Ärmel hochgekrempelt. Und genau das machen wir.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Das haben wir bereits ganz zu Beginn mit „A13 für alle“ klargemacht.
Es ist so klar wie richtig, dass wir Bildung priorisieren. Es ist so klar wie richtig, dass wir für unsere Zukunft fitte junge Menschen brauchen, die ihre Stärken kennen und zu nutzen wissen. Es ist so klar wie richtig, dass wir langfristig auch unsere wirtschaftliche Lage stabilisieren, wenn wir alle Kinder, die heute auch noch im Kindergarten sind, zu gut ausgebildeten Kräften begleiten. Das Gerüst dafür müssen wir bereitstellen. Die Arbeit, die dahintersteckt, leisten tagtäglich unsere Lehrkräfte und alle am Schulleben Beteiligten. Deshalb will ich vorwegschicken, dass wir uns nicht nur in einer finanziell schwierigen Lage, sondern auch in einer Zeit des Fachkräftemangels befinden. Diese beiden Herausforderungen
(Dilek Engin [SPD]: Fachkräftemangel mit weniger Lehrkräften! Toll!)
zeitgleich erzeugen Druck, der in den Schulen zu spüren ist.
Mit 23 % Anteil am Gesamthaushalt ist der Etat für Schule und Bildung weiterhin der mit Abstand größte im Landeshaushalt.
(Dilek Engin [SPD]: Das sind gebundene Gelder!)
Konkret bedeutet das einen Aufwuchs von 1,8 Milliarden, die wir zusätzlich für Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen investieren. Gleichzeitig schrecke ich nicht davor zurück, zu sagen, dass unsere Bildung weiterhin nicht optimal aufgestellt ist, denn das Ziel von Chancengleichheit ist weiterhin fern.
Durch das Nennen der zur Verfügung stehenden Summe ist noch kein einziges Problem gelöst, und ich selbst würde mir gerne mehr finanziellen Spielraum wünschen, um mit mehr Ressourcen an einem zukunftsfesten Bildungssystem zu arbeiten. Und trotzdem ist dieser Einzelplan ein Erfolg. Wir bekommen die Chance, ein wenig freier zu atmen, als das für andere Ressorts gilt. Das weiß ich zu schätzen und danke den anderen Fachbereichen dafür, dass sie die Priorisierung von Bildung unterstützen. Wir können durch diesen Aufwuchs den Platzausbau im Ganztag souverän angehen. Auch hier gilt: Wir leben nicht in einer perfekten Welt.
Nicht nur als Mutter mache ich mir Gedanken dazu, dass wir uns eine intensive Arbeit an landesweiten Qualitätsstandards aktuell nicht leisten können. Aber selbst, wenn wir das Geld dafür hätten, dann könnten wir damit immer noch kein Personal herbeizaubern.
Was mich persönlich beruhigt, ist meine Praxiserfahrung in der Schule. Diese gibt mir Vertrauen in das Personal an unseren Schulen und im Ganztag. Hier arbeiten Menschen, denen wir wirklich vertrauen können. Ihnen liegt es am Herzen, sich lokal für hohe Bildungsstandards im Offenen Ganztag einzusetzen. Im Haushalt sind umfassende Mittel vorgesehen, mit denen wir eine gute Basis schaffen. 50.000 neue OGS-Plätze, die wir möglich machen, sind keine Kleinigkeit. Das sind rund 12.000 mehr als im vergangenen Jahr. Gar nicht klein ist nämlich auch die Summe, die dahintersteckt: 884 Millionen Euro fließen im kommenden Jahr in die OGS.
Wir wenden uns mit diesem Haushaltsplan außerdem einer weiteren, häufig als Herausforderung empfundenen Dimension zu, der Unterstützung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wir reagieren auf die zunehmende Zahl von Kindern, die besondere pädagogische Aufmerksamkeit und Expertise benötigen, indem wir 100 neue Stellen für Sonderpädagogik in Grundschulen schaffen.
Wir haben bereits im vergangenen Jahr die Studienkapazität erhöht, und die Inklusionspauschale bleibt in Höhe von 77 Millionen Euro bestehen. Damit machen wir den Weg für zusätzliches Personal im gemeinsamen Lernen und für Maßnahmen rund um Barrierefreiheit frei.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Nicht zuletzt trägt das Handlungskonzept Unterrichtsversorgung dazu bei, Lehrkräfte und Power dahin zu bringen, wo es am meisten gebraucht wird, und wir beobachten eine Wirkungsentfaltung. Die Zahl der unbesetzten Schulleitungsposten ist zurückgegangen, und mit 7.100 zusätzlichen Lehrkräften und Kräften in der Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sowie Alltagshelfenden haben wir eine Menge mehr Power im System.
Die zusätzlichen Möglichkeiten für Schulen im Bereich der Sonderpädagogik werden nun auch auf Belastungssituationen der Lehrkräfte ebenfalls positiv einzahlen. Mit diesem Angebot an die Schulen reagieren wir auf die vielen Hinweise, dass sich Lehrkräfte besonders davon belastet fühlen, Aufgaben übernehmen zu müssen, für die sie nicht ordinär ausgebildet sind.
Vom Kind aus gedacht braucht es Schulen, in denen eine kontinuierliche und langfristige Begleitung der Schüler*innen dafür sorgt, dass Förderungen greifen und die Beziehungen sowohl zwischen den Schüler*innen als auch zu den Lehrkräften wachsen.
Dass wir nun im kommenden Schulrechtsänderungsgesetz die bestehenden PRIMUS-Schulen über den Schulversuch hinaus absichern werden, ist ein Erfolg.
Auf das gleiche Konto zahlt das Startchancen-Programm ein. Es ist dazu da, Chancengleichheit herzustellen und Effekte bestehender Ungleichheiten abzufedern. Nach wie vor haben wir zu viele Schüler*innen, die die Schule abbrechen und ohne Schulabschluss dastehen. Dafür braucht es geballte Kraft aus dem Startchancen-Programm. 23,9 Millionen Euro fließen in bedarfsgerechte Lösungen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung.
Jede Startchancen-Schule enthält Ressourcen, um sich ins Quartier zu öffnen, Zivilgesellschaft einzuladen und Mentoringprogramme einzubinden: 11 Millionen Euro für die fachbezogene Pauschale und weitere Mittel über Startchancen hinaus, um Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen voranzubringen, aber auch gerade die emotionale und soziale Kompetenz.
Seien Sie mir nicht böse, wenn ich an diesem Punkt einen kleinen Schwenk mache, auch aufgrund meiner Sonderpädagoginnen-Vergangenheit. In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder einschlägige Studien gesehen, die uns zeigen, dass Schüler*innen in Basiskompetenzen die Mindeststandards nicht erreichen. Wesentlich ist deshalb, dass wir Basiskompetenzen durch unterschiedliche Maßnahmen und digitale Tools stärken.
Hier wäre es übrigens tatsächlich, liebe FDP, ein großer Erfolg gewesen, wenn wir jetzt schon Klarheit über den DigitalPakt 2.0 hätten.
Wir müssen uns aber eben auch fragen, wann Schüler*innen in der Lage sind, lesen, schreiben und rechnen zu können.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
Das sind sie nur dann, wenn sie selbstsicher, selbstbewusst und motiviert sind. Das sind sie dann, wenn sie ihre eigenen Gefühle sortieren können, wissen, wie sie ihr Empfinden positiv beeinflussen können, und verstehen, wie es den anderen geht. Und das sind sie dann, wenn sie wissen, wie sie Konflikte bewältigen können, Herausforderungen meistern und resilient sind. Deshalb ist die Basis, die in IGLU, IQB und PISA nicht gemessen wird, eben auch die emotionale und soziale Kompetenz.
Daher ist es richtig, dass wir mit dem Startchancen-Programm und darüber hinaus genau dahin schauen. Im Rahmen der Säule III verdoppeln wir deshalb die Anzahl der Schulsozialarbeiter*innenstellen landesseitig im Haushalt. Ich freue mich sehr darauf, die über 400 Schulen in Nordrhein-Westfalen in ihrem Prozess zu beobachten. Durch diese langfristig angelegte Maßnahme werden wir gute Effekte sehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Gute Effekte benötigen wir auch dringend im Bereich der politischen Bildung an Schulen. Unsere Demokratie – das mussten wir in den vergangenen Monaten schmerzlich spüren – ist keine Selbstverständlichkeit. Dass sich erstens Geschichte nicht wiederholen darf und wir zweitens vor allen Dingen unsere Demokratie leben und schützen müssen, muss ständig präsent sein. Gedenkstättenfahrten und Austausche, auch digital, mit Zeitzeug*innen brauchen wir viel mehr. Wir weiten deshalb den Posten für genau solche Möglichkeiten aus. Deshalb supporten wir auch die Kooperationsplattform BipaLab.NRW mit 350.000 Euro.
Aus der Geschichte zu lernen, heißt auch, dass wir uns den aktuellen Diskussionen stellen. Extremistische Positionen haben an unseren Schulen keinen Platz. Egal, ob religiös oder politisch motiviert, müssen wir sie bekämpfen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Thorsten Klute [SPD])
Die ergänzende Einrichtung von 54 Planstellen für systemische Extremismusprävention setzt genau da an, wo es aktuell dringend nötig ist. Radikalisierung, Extremismus und Gewalt zu verhindern ist eines unserer Kernziele.
Es ist gut, dass hier im Einzelplan 05 eine Unterstützung für die schulpsychologischen Beratungsstellen im Land gegeben ist.
Gleichzeitig gilt es auch dafür zu sorgen, dass wir gute Integration möglich machen. Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland. Diese Vielfalt gilt es zu schützen und zu stärken. Deshalb steigen die Mittel im Rahmen des Programms „Integration durch Bildung“ um 17 Millionen Euro an.
Frau Ministerin Feller, an dieser Stelle herzlichen Dank dafür, dass Sie sich hinter die Lehrkräfte stellen, die sich für Demokratie und gegen alle Feinde des Rechtsstaats engagieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der Haushalt, den wir für Schule und Bildung vorlegen, ist ein Haushalt, der auf akute Bedarfe reagiert. Er ist kein Haushalt, der sich mit Projektförderung schmücken kann. Mit Pragmatismus möchte ich sagen: Mit dem, was wir hier haben, kann man arbeiten.
Deshalb ist es falsch, wenn Sie, liebe SPD, den bildungspolitischen Stillstand herbeirufen. Lassen Sie uns den Haushalt als Basis betrachten, von der aus wir inhaltlich Dinge weiterentwickeln können. Bildung braucht Geld. Aber sie braucht auch gute Ideen. Wir sollten im kommenden Jahr unsere Köpfe und Ideenschmieden heißlaufen lassen, um gut voranzukommen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)