Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe SPD, einerseits kritisieren Sie zu Recht die Überlastung der Kitas und wollen mindestens bürokratische Entlastungen. Andererseits findet Ihrer Ansicht nach die Schuleingangsuntersuchung zu spät statt, wie Herr Maelzer eben angeführt hat. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal solche Diagnostiken von vorne bis hinten durchgeführt haben und wissen, welchen Aufwand so etwas erfordert.
(Silvia Gosewinkel [SPD]: Ja!)
Ich weiß, dass Frau Gosewinkel so etwas getan hat. Ich auch. Deswegen weiß ich, dass es nicht zulasten der Erzieherinnen und Erzieher gehen darf, die eigentlich für das Kind da sein sollten. Bevor Sie also Diagnostiken zu einem früheren Zeitpunkt fordern, lassen Sie uns doch überlegen, wie wir ganzheitlich und multifunktionell in Kitas arbeiten können.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, wenn ich Sie an dieser Stelle schon unterbrechen darf. Sie haben den Namen in den Mund genommen, und sie erbittet jetzt eine Zwischenfrage, nämlich die Kollegin Gosewinkel.
Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Das war ja quasi eine Einladung.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Ja. – Bitte schön.
Silvia Gosewinkel (SPD): Danke. – Vielen Dank, Frau Zingsheim-Zobel, für die Möglichkeit der Zwischenfrage. Sie haben ja den Begriff „Diagnostik“ in den Mund genommen und mich auch direkt angesprochen. Ja, ich habe das gemacht, und das dauert seine Zeit. Ich frage auch Sie: Wie schätzen Sie die Bildungsdokumentationen für die Erzieherinnen zeitlich ein?
Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Ich glaube, Sie haben eben richtigerweise gesagt, dass die Bildungsdokumentationen ein hohes Gut sind und dass sie sehr, sehr gut und umfassend das Kind beschreiben. Natürlich ist das ein enormer Verwaltungsaufwand, auch für die Kindergärten und für die Erzieherinnen und Erzieher. Ich glaube aber auch, dass wir gut beraten sind, wenn wir das ganzheitlich betrachten und auch in den Ausschüssen darüber nachdenken, wie wir das, was Kita und Schule angeht, noch viel besser miteinander verknüpfen können.
Im Schulbereich nehmen wir die Ergebnisse der IQB-Studie sehr ernst. Wir müssen insbesondere in Grundschulen die Sprachförderung vertiefen und über Übergänge zwischen Kitas und Schulen sprechen und sie nutzen – ganzheitlich selbstverständlich, nur um das einmal hier am Rande gesagt zu haben, und auch mit den beiden Ministerien zusammen.
Jetzt zum Inhalt des Antrags oder – sagen wir mal so – zu dem Inhalt des Antrags, der fehlt. Das hat die Vorrednerin schon angedeutet. Auf den insgesamt vier Seiten, auf denen Sie die Prosa darlegen, wie wichtig Ihnen ein ganzheitliches Konzept zur Sprachförderung ist, schaffen Sie es ernsthaft, eine der zentralsten Dimensionen komplett außen vor zu lassen. Mehrsprachigkeit, liebe FDP, ist ein riesiger und wichtiger Faktor für alle jungen Menschen in diesem Land.
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Das bestreitet doch keiner!)
Ich muss schon sagen, es verwundert mich extrem, dass Sie ein ganzheitliches Konzept fordern, den Aspekt aber einfach auslassen. Wenn schon, dann richtig! Wir in Nordrhein-Westfalen sind geprägt von Vielfalt und der Situation, auf ein großes Repertoire an Sprachvielfalt zurückgreifen zu können. Allein in Nordrhein-Westfalen bieten wir herkunftssprachlichen Unterricht in 30 Sprachen für ca. 102.000 Schüler*innen an. Das spiegelt die sprachliche Vielfalt in unserem Land doch wider. Das deckt längst nicht alle Sprachen der Schüler*innen ab, zeigt aber doch die Notwendigkeit, dass wir Sprachförderung eben nicht monoton betrachten.
Sprachliche Vielfalt ist Normalität. Wie könnte es auch anders sein bei über 7.000 offiziellen und weiteren 1.000 inoffiziellen Sprachen? Bei Sprachförderung darf es also nicht alleiniges Ziel sein, den Kindern die Sprache Deutsch beizubringen, so wie es eben hier darzustellen versucht wurde. Ich unterstelle allen demokratischen Fraktionen hier, dass wir das alle gemeinsam so sehen. Wissenschaftlich erwiesen ist doch auch, dass es das Aufwachsen in Mehrsprachigkeit leichter macht, weitere Sprachen zu erlernen. Es geht vor allem darum, dass alle Kinder früh Unterstützung erhalten, gut in dem heute vorherrschenden Schulsystem ankommen und ihnen die Startvoraussetzungen mitgegeben werden, die sie brauchen, damit Teilhabe ermöglicht wird, angefangen natürlich in der Kita und dann in standardisierten Sprachstandserhebungen und passgenauen Maßnahmen in Schule.
Ich glaube, liebe FDP, dass Sie in Ihrem kleinen ABC der kindgerechten Sprachförderung ein paar Buchstaben vergessen haben. Die Buchstaben D bis Z machen wir dann also im Ausschuss. Ich freue mich auf die Überweisung und stimme zu.
(Beifall von den GRÜNEN)