Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Der vorliegende Antrag der AfD mag den Anschein erwecken, dass er Schulabsentismus bekämpfen und die Schulpflicht durchsetzen will – so weit erst mal ein gutes Ziel. Doch ein genauerer Blick offenbart erhebliche Schwächen und das wahre Ziel dieses Antrags: Pauschalisierung und Diskriminierung. Der Antrag stellt einseitige Forderungen, ignoriert sowieso schon bestehende Herausforderungen an unseren Schulen und verschärft bestehende Vorurteile.
Lassen Sie mich auf die Kernpunkte eingehen, die klarmachen, warum wir diesen Antrag ablehnen müssen.
Erstens. Die überlasteten Schulen: Es kann nicht angehen, dass wir unseren Schulen fortwährend neue Aufgaben aufbürden, ohne ihre bestehenden Herausforderungen zu berücksichtigen. Allein der Lehrkräftemangel – daraus resultieren viele zusätzliche Aufgaben – lastet auf den Schulen. Nun soll eine zentrale Erfassung von Schulpflichtverstößen eingeführt werden, die auch noch eine detaillierte statistische Analyse und fortlaufende Meldepflichten erfordert.
Wer in letzter Zeit mal einen Blick in eine Schule geworfen hat, weiß, dass das schon längst gemonitort wird. Herr Blex, Sie haben die Zahlen doch selber gerade vorgelesen.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
Zweitens. Diskriminierung und Stigmatisierung: Der Antrag zielt unverhohlen auf Menschen mit Migrationsgeschichte ab. Damit werden von der AfD wieder einmal Vorurteile gefördert und pauschale Denkmuster genutzt.
(Dr. Christian Blex [AfD]: Meine Kinder gehen regelmäßig zur Schule!)
Ein solches Stereotyp ist nicht nur ungerecht, sondern lenkt auch von den tatsächlichen Ursachen und Lösungsmöglichkeiten ab. Ja, Schulabsentismus ist stark geknüpft an sozioökonomisch herausfordernde Lebensumfelder.
Eine Studie der Fachhochschule Dresden aus dem Jahre 2023 belegt, dass Schulen von jungen Menschen vermehrt als lebensfern wahrgenommen werden. Das muss uns doch Sorgen machen und zum politischen Auftrag werden, sehr geehrte Damen und Herren, und nicht die Frage, wer woher kommt.
Unser Auftrag ist, Chancengleichheit zu schaffen. Unser Auftrag ist, Bildung zu ermöglichen, die nachhaltig wirkt und jungen Menschen Perspektiven gibt. Wir dürfen uns nicht von diskriminierenden Annahmen leiten lassen, sondern müssen differenziert und ohne Vorurteile handeln. Aber das war noch nie Ihr Ziel.
Drittens. Fehlende präventive Maßnahmen: Ein weiterer schwerwiegender Mangel dieses Antrags ist der einseitige Fokus auf Überwachung und Sanktionierung. Wo sind denn Ihre präventiven Ansätze? Wo sind denn dazu Ihre Ideen?
Prävention ist der Schlüssel, um Schulabsentismus langfristig zu verringern. Bund und Land machen mit dem Startchancen-Programm einen wichtigen Schritt, um durch gezielte Schulsozialarbeit und Unterstützungssysteme Kindern und Jugendlichen das Lernen zu erleichtern und sozial-emotionale Kompetenzen zu stärken.
Schulsozialarbeit ermöglicht es, individuelle Probleme frühzeitig zu erkennen und gezielte Hilfen anzubieten. Das ist der Weg, der uns weiterbringt, nicht die bloße Ahndung von Fehlzeiten.
Ich fasse zusammen: Der Antrag belastet die Schulen, diskriminiert Familien mit Migrationsgeschichte und vernachlässigt die eigentlich wichtige Aufgabe: die Prävention. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)