Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was uns hier vorgelegt wurde, ist kein ernst zu nehmender Beitrag zu einer modernen Bildungspolitik, sondern ein Versuch, diskriminierende und überholte Rollenbilder unter dem Deckmantel vermeintlicher Wissenschaftlichkeit zu konservieren.
(Beifall von Angela Freimuth [FDP])
Die Einbringung von Ihnen, Herr Blex, war an Absurditäten kaum zu überbieten:
(Zuruf von Thomas Röckemann [AfD])
Hier die Mädchen, da die Jungen, und alle müssen bitte in ihren aufgedrückten Bahnen funktionieren. – Das ist ein rückwärtsgewandtes Bild von Bildung und Gesellschaft und in keiner Weise fair gegenüber der Einzigartigkeit von Kindern und Jugendlichen in unserem Land.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, Dilek Engin [SPD] und Christin Siebel [SPD])
Jedes Kind ist anders, und jedes Kind bringt unterschiedliche Stärken mit. Genau darauf müssen wir eingehen. Ganz davon abgesehen, sind Ihre Behauptungen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zur Konstruktion von Rollenbildern ziemlich überholt. Wir müssen unsere Schülerinnen auf die Zukunft vorbereiten. Sie sollen ein eingeständiges Leben in einer demokratischen Gesellschaft führen können.
Ich möchte auch noch etwas zu den Studien sagen, die Sie aufgegriffen haben. Sie verweisen zwar auf eine Studie, aber es stellt sich die Frage, ob Sie diese überhaupt gelesen haben. Denn in der Studie wird gezeigt: Unterschiede bei Lese- und Mathematikkompetenzen zwischen Mädchen und Jungen sind in erster Linie auf nichtkognitive und motivationale Faktoren zurückzuführen.
(Dr. Christian Blex [AfD]: Ich habe von IQ gesprochen!)
In den Ergebnissen der Studie wird übrigens auch noch festgehalten: Die angebliche Feminisierung der Schule kann nicht für den geringeren Schulerfolg von Jungen verantwortlich gemacht werden. Bei Ihnen, der AfD, fehlen anscheinend Basiskompetenzen.
(Beifall von den GRÜNEN, Jonathan Grunwald [CDU] und Franziska Müller-Rech [FDP])
Ihre Argumentation fällt schlicht in sich zusammen. Was ist denn mit einem Jungen, der es liebt, seinem kleinen Bruder eine Geschichte vorzulesen? Was ist mit einem Mädchen, das lieber auf einen Baum klettert, statt sich beim Malen eifrig mit Freundinnen zu unterhalten? Wissen Sie, ich feiere unsere Kinder im Land für ihre Offenheit, ihre Neugierde, ihr Ausprobieren, ihren Mut. Nicht das Geschlecht sollte für unsere Kinder entscheidend sein, sondern die Persönlichkeit und das, was wir ihnen an die Hand geben. Aber das werden Sie einfach nie verstehen.
Sie behaupten, der Feminismus schränke Männer ein, dabei schränken Sie Jungen ein, indem Sie Ihren Antrag auf ein sehr enges, überholtes Rollenbild reduzieren. Wer ernsthaft glaubt, Jungen müssten mit weniger sprachlicher Bildung pädagogisch artgerechter – in Anführungsstrichen – behandelt werden, der beraubt sie ihrer Chancen.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE] und Jule Wenzel [GRÜNE])
Wir stehen zu den Projekten, mit denen besonders Mädchen in den Blick genommen werden. Sie zu stärken und auf dem Weg zu mündigen, selbstbewussten Erwachsenen zu begleiten, ist vor allem in Zeiten von erneut ansteigendem Antifeminismus eine wichtige Aufgabe, der wir gerne nachgehen.
Wir brauchen Schulen, in denen Geschlechterklischees zementiert werden, genauso wenig wie wir Sie, sehr geehrte Damen und Herren der AfD, in unserer Demokratie brauchen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Blex, lassen Sie mich Ihnen zum Ende noch einen netten Hinweis geben: Wenn Sie da ein Trauma und so tiefgreifende Probleme in Ihren Bildern haben, dann bin ich vielleicht die Letzte, die Sie um Hilfe fragen wollen, aber es gibt ganz tolle, starke Frauen, insbesondere auch in diesem Land, die ganz hervorragend Hilfe leisten können.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE] und Dilek Engin [SPD] – Zuruf von Thomas Röckemann [AfD])
Den Antrag werden wir entschieden ablehnen.
(Beifall von den GRÜNEN und Dilek Engin [SPD] – Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
