Lena Zingsheim-Zobel: „Hier ist Raum für Respekt, Offenheit und Menschlichkeit“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag zu Antisemitismus an Schulen

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Der Antrag „Antisemitismus an nordrhein-westfälischen Schulen weiter entschieden bekämpfen und Lehrkräfte bestmöglich unterstützen“

 

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wissen, dass Schule mehr als ein Ort von Pauken und von Fakten ist. Schule prägt und formt. Gerade deshalb muss klar sein, dass Antisemitismus in unseren Schulen keinen Platz haben darf – nicht in Worten, nicht in Taten und nicht durch Schweigen.

Was wir heute vorlegen, ist ein deutliches Signal, ein gemeinsames Zeichen gegen Antisemitismus, getragen von allen vier demokratischen Fraktionen dieses Hauses. An dieser Stelle möchte auch ich mich herzlich für das gute Miteinander bedanken und klar machen, dass wir hier sehr deutlich zusammenstehen und dass uns „Nie wieder“ eint.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Wir alle stehen zusammen, um jüdisches Leben zu schützen – nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret an unseren Schulen, in unseren Klassenzimmern, auf unseren Schulhöfen.

Seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat die Zahl antisemitischer Vorfälle spürbar zugenommen. 2024 sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt 940 antisemitische Vorfälle erfasst worden. Das sind 42 % mehr – 42 %! – als noch im Jahr 2023. Das zeigt sich nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Schulen.

Hinter den Zahlen stehen Menschen, jüdische Kinder und Jugendliche, Lehrkräfte und weitere Fachkräfte an unseren Schulen, die beschimpft, bedroht, angegriffen und ausgegrenzt werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdische Schülerinnen und Schüler Angst davor haben, zur Schule zu gehen. Unsere Aufgabe ist es, Schulen zu sicheren Orten zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schulen müssen für alle Menschen dort, von den Schülerinnen bis zu den Lehrkräften, ein Schutzort sein – für alle und ganz besonders für jene, die in der Geschichte Ziel von Hass, Hetze und Gewalt waren und es bis heute sind.

Es reicht nicht, Antisemitismus erst dann zu thematisieren, wenn etwas passiert. Prävention sorgt dafür, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass Menschen angegriffen werden. Prävention beginnt mit Bildung, mit Aufklärung und mit Haltung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb stärken wir mit diesem Antrag gezielt die Lehrkräfte in unserem Land, denn sie sind es, die täglich Verantwortung tragen – oft unter schwierigen Bedingungen.

Wir setzen auf mehr Qualifikation in der Aus- und Fortbildung. Deshalb wollen wir, wie es auch Abraham Lehrer, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland schon lange empfiehlt, in Kooperation mit Yad Vashem eine Fortbildungseinrichtung für Lehrkräfte einrichten.

Wir setzen auf neue Materialien und auf stärkere Partnerschaften mit außerschulischen Akteuren. Wir setzen auf Programme wie „Meet a Jew“, auf Gedenkstättenfahrten und auf Schulpartnerschaften mit Israel. All das werden wir ausbauen, zugänglich machen und dauerhaft fördern. Wichtig dabei ist immer die pädagogische Begleitung und die Auseinandersetzung, denn solche Programme und Fahrten sollen nachhaltig wirken.

Es ist uns wichtig, dass jüdisches Leben sichtbar wird. Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sollen erleben, dass jüdische Kultur ein lebendiger und selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft ist. Sie sollen verstehen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen – in der Vergangenheit, für das Miteinander im Heute und für die Zukunft.

Dazu gehört auch, dass Schulbücher verändert werden, dass antisemitische Stereotype nicht durch Unterrichtsmaterial vermittelt werden und dass Schulen klare Handlungsempfehlungen haben, wenn es zu Vorfällen kommt.

Lehrkräfte und Schulleitungen brauchen Rechtssicherheit, aber auch Rückendeckung durch die Politik, durch die Gesellschaft, durch uns alle, denn Antisemitismus ist vielschichtig.

Gerade in den sozialen Medien werden Falschinformationen und Verschwörungserzählungen zu einer gefährlichen Waffe. Deswegen ist es so wichtig, dass Schülerinnen und Schüler lernen, diese Mechanismen zu erkennen und ihnen zu widersprechen.

Antisemitismus tritt aber nicht nur in unterschiedlichen Kontexten auf, sondern seine Ursache und sein Ursprung sind genauso vielschichtig. „One fits all“ ist deshalb eine zu kurze Antwort auf antisemitische Aussagen und Vorfälle.

Lehrkräfte sind erstens in der Situation, Antisemitismus zu erkennen, zweitens den Ursprung zu benennen und drittens präzise darauf reagieren zu können. Auch deshalb sind Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte in NRW so enorm wichtig.

Unsere Demokratie lebt vom Streit, vom Diskurs, von Meinungsvielfalt, aber sie endet dort, wo Menschenverachtung beginnt. Antisemitismus ist kein Meinungsaustausch. Er ist ein Angriff auf die Menschenwürde, und er ist eine Gefahr für unser Zusammenleben und unsere demokratische Gesellschaft.

Deshalb setzen wir mit diesem Antrag ein Zeichen für Schutz, für Bildung, für Haltung und vor allem für unsere gemeinsame Verantwortung. Wer in Nordrhein-Westfalen zur Schule geht, soll wissen: Hier ist kein Platz für Hass. Hier ist Raum für Respekt, Offenheit und Menschlichkeit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

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