Lena Zingsheim-Zobel: „Es ist gut und richtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen am Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz festhalten“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Kinderbetreuung in Kita und OGS

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Zwei meiner drei Kinder sind im Kindergarten. Meine Kleinste kennt dieses Parlament ziemlich gut. Bei aller Unvereinbarkeit von Politik und Familie können wir uns sehr viel Flexibilität herausnehmen, und ich habe Familie und Freunde, die mitziehen, die das Betreuungsnetz mitstricken. Ich bin ziemlich privilegiert. Meine Situation spiegelt bei Weitem nicht die mehrheitliche Lebensrealität wider, die noch viel härter sein kann.

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Gleichzeitig bin ich froh, dass meine Kinder noch im Kindergartenalter sind, denn sobald die Schule losgeht, kann das auch anders aussehen.

(Zuruf von der SPD)

Da kann es vorkommen, dass die Erstklässlerinnen bereits um 11:50 Uhr auf dem Schulhof stehen und abgeholt werden wollen. Familien – meistens die Mütter –, die ihren Job herunterfahren müssen, um ihre Kinder mittags abzuholen –

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

das kann und darf so nicht stehen bleiben.

(Marcel Hafke [FDP]: Ja, so ist das!)

Es ist klar: Dafür brauchen wir den Ganztag und den Dialog mit allen.

Ich finde es, liebe SPD-Fraktion, schon spannend, dass Sie in dem einen Moment sagen, endlich müsse Jugendhilfe und Schule miteinander verzahnt werden, miteinander arbeiten, und im nächsten Moment kritisieren Sie genau diesen Prozess, den die beiden Ministerinnen miteinander erarbeitet haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ja, weil genau das doch nicht passiert!)

Es ist deshalb gut und richtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen am Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz festhalten. Bereits seit letztem Herbst liegt die Förderrichtlinie zum Ausbau vor.

Vizepräsident Christof Rasche: Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Kollegen Müller.

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Frank Müller (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Kollegin. Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass die SPD-Fraktion nicht den Prozess des Dialoges als solchen kritisiert, sondern Ihr Scheitern und dass der Prozess zu keinem Ergebnis geführt hat?

(Beifall von der SPD und der FDP)

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Müller, vielen Dank für die Zwischenfrage. Ich finde, dass der Prozess des Dialoges an dieser Stelle nicht gescheitert ist, weil man im Gespräch miteinander war. Ja, es ist kein Landesausführungsgesetz herausgekommen, sondern es ist ein Erlass.

(Zuruf von der SPD: Ah!)

Aber Sie unterstellen uns und der Landesregierung, wir würden dann einfach gar nichts mehr machen. – Wir bauen weiter aus. Es ist nicht so, dass wir beim Ganztagsausbau nicht voranschreiten.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wenn, dann machen das die Kommunen!)

Für das kommende Jahr sind 50.000 Plätze angesetzt worden, in diesem Jahr sind es 38.000.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Deren Betriebskosten ihr finanzieren wollt!)

– Herr Maelzer, wenn Sie etwas sagen möchten, dann können Sie sich melden. Ansonsten würde ich jetzt gerne weiter ausführen. Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, die bittere Wahrheit ist gerade, dass wir uns Qualität und einen quantitativen Ausbau,

(Zuruf von der SPD)

wie wir es uns wünschen würden und was auch wichtig wäre, in dem Maße nicht leisten können. Das ist bitter. Mit Sicherheit würden wir alle sagen, eigentlich wäre beides sinnig und sinnhaft, aber der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz richtet sich eben an einen Ganztagsplatz.

Deswegen müssen wir erst mal in den Ausbau investieren. Alles andere wäre gerade wirklich nicht gut.

Den Ausbau machen wir in dem Wissen, dass es vor Ort Unterschiede gibt, aber auch in dem Wissen, dass wir eine gute Trägerlandschaft haben. Von der Opposition wurde eben das Bild gezeichnet – darauf weise ich noch mal hin –, dass die Kinder nach der Schule oder nach dem Unterricht in die OGS gehen und dann eigentlich nur noch Däumchen drehen und die Träger, die Fachkräfte, die vor Ort Grandioses leisten und sich um eine gute Rhythmisierung und um gute Ganztagsangebote bemühen, einfach nicht da sind.

(Andrea Busche [SPD]: Bemühen tun Sie sich, ja!)

Man muss noch mal sagen, dass es durchaus auch gute Ganztagsplätze gibt.

Liebe SPD, in Ihrem Antrag weisen Sie richtigerweise auf eine gute Rhythmisierung hin. Aus Familienperspektive ist es doch so, dass berufstätige Eltern ganz schön zu tun haben, wenn sie den Hobbys der Kinder, der Besorgung von Schulmaterial und vielem Weiteren gerecht werden müssen, während sie eigentlich im Homeoffice arbeiten.

Wir wollen für unsere Schülerinnen und Schüler ein Ganztagssystem, das Kultur, Sport, Freizeit, Lernen und Spaß miteinander verbindet, und ein Schulsystem, das alle Expertise rund um die Kinder bündelt und miteinander vernetzt.

Deshalb bin auch ich ein großer Fan von Familiengrundschulzentren. Wir sollten zusehen – das sagte auch die Ministerin –, dass wir Kita und Schule noch enger miteinander verzahnen. Ganztag kann da anpacken und die Ressourcen für die Kinder genau steuern.

Ein Satz zum Sprach-Screening: Nicht mehrere Sprachscreenings miteinander zu verknüpfen, wäre falsch. Das Sprachscreening, das Ministerin Feller angekündigt hat, weist aber die Besonderheit auf, dass nach diesem Sprachscreening eine passgenaue Förderung vorhanden ist, die die Lehrkräfte und die Eltern weiter nutzen können. Ich finde es richtig, dass man da weiterdenkt.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

– Ganz schön aufgeheizt ist diese Debatte.

(Andrea Busche [SPD]: Zu Recht! – Kirsten Stich [SPD]: Ja, weil es um etwas geht!)

Ich möchte, dass wir die Schnittstellen zwischen Kita und Schule enger verknüpfen und die Übergänge noch einmal in den Blick nehmen. Das werden wir tun. Auch aus schulpolitischer Perspektive freue ich mich deswegen auf die weitere Debatte.

Vizepräsident Christof Rasche: Es gibt noch eine Zwischenfrage des Kollegen Müller. Wird sie zugelassen?

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Klar.

Vizepräsident Christof Rasche: Na klar. – Bitte sehr.

Frank Müller (SPD): Vielen Dank. – Frau Kollegin, ich möchte mich ordnungsgemäß zu Wort melden und nicht zwischenrufen. Sie haben völlig recht. Deswegen: Danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Wir haben uns mit Blick auf die passgenaue Förderung, gegen die jetzt erst mal nichts spräche, auch im Ausschuss immer gefragt – diese Frage wurde nicht beantwortet –: Wer macht die denn? Zusätzliche Ressourcen sind damit am Ende des Tages schließlich nicht verbunden. Es gibt kein Konzept dahinter, außer dass man mehr Wissen hat. Aber mehr Wissen führt eben nicht zu mehr Förderung. Also: Wer macht das? In welchem Haushaltsansatz der Landesregierung zu welchen Projekten werde ich das nachher finden?

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Kollege, vielen Dank für die Zwischenfrage. Sie müssen sich dieses Sprachscreening vielleicht mal genauer anschauen. Nach diesem Screening wird es nämlich sehr konkrete Fördermaßnahmen und direkt auch Material geben. – Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir stärker darin werden müssen, Lehrkräfte zu entlasten – beispielsweise durch Alltagshelfende, die die Ministerin und die wir auf unbesetzte Stellen setzen, damit sie die Lehrkräfte bei ihrer Arbeit, also bei der Förderung von Basiskompetenzen etc., unterstützen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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