Lena Zingsheim-Zobel: „Bildungsgerechtigkeit entsteht, wenn alle Kinder die gleichen Chancen auf gute Bildung und Teilhabe haben“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Hauptschulen

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf den ersten Blick klingt der Antrag nach einer guten Idee: mehr Praxisbezug, mehr Lebensnähe, mehr Kooperation mit Betrieben, Handwerk und sozialen Trägern. Das alles sind Punkte, die wir Grünen selbstverständlich begrüßen. Denn Schulen sollen nicht nur Wissen, sondern vor allen Dingen auch Zukunftskompetenzen vermitteln.

Aber schauen wir genauer hin, so sehen wir, dass der Antrag ein bildungspolitisches Manöver ist. Hier wird eine alte Scheindebatte fortgeführt, die an den eigentlichen Bedarfen vorbeigeht.

Zunächst aber zu einem Punkt, der gerade wieder in der Debatte genannt wurde: die angebliche Bedrohung der Hauptschulen durch die Öffnung der Realschulen für den Hauptschulbildungsgang.

Wir haben es schon oft genug gehört, und es steht schwarz auf weiß im Schulrechtsänderungsgesetz: Eine Einrichtung von Hauptschulbildungsgängen an Realschulen ist ausdrücklich nur dort erlaubt, wo keine Hauptschule oder weitere Schulformen mehr in erreichbarer Nähe sind und gefährdet werden. Das heißt, keine Hauptschule wird durch diese Regelung in ihrer Existenz gefährdet. Es geht allein darum, und das ist wichtig, wohnortnahe Bildungsangebote für Schüler*innen sicherzustellen. Es wäre gut, wenn auch Sie das endlich anerkennen würden, statt immer wieder das Gegenteil zu behaupten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Lassen Sie uns aber nun über das Wesentliche sprechen: die Qualität von Schule. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die an Hauptschulen tagtäglich geleistet wird. Diese wertvolle Arbeit verdient unsere Anerkennung und unseren Dank.

Doch anders als die FDP behauptet, liegt der Wert der Hauptschule nicht darin, dass das gegliederte Schulsystem per se für die notwendige Differenzierung sorgt. Der Wert liegt in der pädagogischen Professionalität, in der Bereitschaft, jedes Kind im Blick zu haben und individuelle Wege zu eröffnen. Differenzierung entsteht nicht durch starre Strukturen, sondern durch die Haltung und Kompetenz der Lehrkräfte. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen.

Und ja, Praxisbezug ist wichtig. Langzeitpraktika, Kooperationen mit Betrieben, Projekten und Werkstätten: All das kann Jugendlichen helfen, Selbstvertrauen und Kompetenzen zu entwickeln, die sie für ihr späteres Leben brauchen. Das gilt doch aber für alle Schulen.

Berufliche Orientierung, alltagsnahes und selbstwirksames Lernen sind Themen, die wir in allen Schulformen brauchen. Die Frage ist also nicht, ob wir die Hauptschule zu Praxisschulen umbauen, sondern wie wir durch stärkere Integration von Praxiselementen alle Schulen zu Praxisschulen machen.

Dafür sind wir als schwarz-grüne Koalition mit unserem Antrag zur Bildung nachhaltiger Entwicklung bereits wichtige Schritte gegangen.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Ein paar Beispiele: außerschulische Expertinnen einbinden, projektorientiertes Lernen erleichtern, außerschulische Lernorte als Unterrichtsorte anerkennen, den Whole-School-Approach – letztes Mal im Ausschuss besprochen und groß und breit auch in einem Bericht des Ministeriums dargelegt – leben.

Wir sollten unseren Blick nicht auf einzelne Schulformen richten, sondern auf das ganze Schulsystem weiten. Bildungsgerechtigkeit entsteht, wenn alle Kinder die gleichen Chancen auf gute Bildung und Teilhabe haben.

(Kirsten Stich [SPD]: Das ist richtig!)

Dazu gehört selbstverständlich auch die Möglichkeit, verschiedene Bildungsabschlüsse wohnortnah und nur in einer hohen Qualität zu erreichen. Genau dafür sorgen die aktuellen Schulrechtsänderungen.

Kinderrechte gehören in das Grundgesetz und in jede Schulpolitik. Jedes Kind hat ein Recht darauf, in der Schule zu lernen, seine Stärken zu entdecken und Fehler zu machen. Alle Kinder haben das Recht darauf, den bestmöglichen Abschluss zu erreichen. Lehrkräfte sind in der Rolle, dabei zu begleiten. Unser Job ist es, das System dahin zu bringen.

Schule muss ein Ort sein, an dem jedes Kind wachsen kann – unabhängig davon, wo es herkommt. Denn Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, sie zählen hier und heute.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Für die weiterführende Debatte werden wir der Überweisung natürlich zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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