Lena Zingsheim-Zobel: „Bildung ist nicht nur ein Privileg, sondern ein Grundrecht, das jedem und jeder Einzelnen zugutekommt“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von SPD und FDP zum Thema Schuldemonstrationen

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen!

(Dr. Christian Blex [AfD]: Kollegende!)

Wie gut, Herr Blex, dass Sie nicht mehr an Schule sind.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Dr. Christian Blex [AfD]: Kollegende!)

Liebe Schüler*innen, ihr habt recht:

(Dr. Christian Blex [AfD]: Schulende!)

Ihr moniert ein System, das mehr und mehr wissenschaftlich belegt bekommt, dass es auf die Herausforderungen, denen ihr begegnet, nicht mehr ausreichend antwortet. Und ihr seid im Recht. Denn das Demonstrationsrecht zeichnet unsere Demokratie aus und macht sie vor allem lebhaft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb finde ich es nicht nur großartig, dass ihr von diesem Recht Gebrauch macht, sondern wir alle in diesem Parlament können froh sein, dass ihr euch Gedanken dazu macht, wie es besser werden kann.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Wir haben hier die Aufgabe, auch eure Stimme zu hören und Lösungsvorschläge zu diskutieren. Gut, dass wir das heute machen können!

(Marcel Hafke [FDP]: Reden Sie zu den Abgeordneten!)

Ich möchte deshalb aber schon noch einmal darauf hinweisen, dass die Aktuelle Stunde vollkommen zu Recht zu den Schüler*innenprotesten beantragt worden ist. Ich würde mir schon sehr wünschen, dass wir dann auch dazu sprechen und nicht die Debatte als Steigbügel nutzen, um das System kaputtzusprechen. Das wird dem Engagement der Schüler*innen nicht gerecht und macht die Situation an den Schulen keinen Deut besser.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mangelnde Fachkräfte, marode Schulgebäude und eine unzureichende Digitalisierung: Das sind nur einige der Herausforderungen, mit denen unsere Schulen konfrontiert sind.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Diese Probleme sind nicht neu. Schon in meiner eigenen Schulzeit habe ich kaputte Klassenräume, Toiletten und Tafeln und hin und wieder auch mal Unterrichtsausfall erlebt. Doch diese Herausforderungen haben sich zugespitzt und eine besondere Dringlichkeit erhalten.

Bis vor knapp zwei Jahren habe ich die Situation an unseren Schulen hautnah als Lehrerin selbst erlebt. Ich habe miterlebt, wie sich der Fachkräftemangel nicht nur auf die Lernqualität der Schüler*innen auswirkt, sondern auch auf die Arbeitsbelastung der Kolleg*innen.

Wir müssen anerkennen, dass die Maßnahmen und Bemühungen der Politik aus der Vergangenheit nicht die ausreichenden Veränderungen gebracht haben, die unsere Schulen so dringend benötigen. Diesen Schuh müssen wir uns hier alle parteiübergreifend anziehen.

Was nicht hilft, ist Oppositionsarbeit, die die Verunsicherungen und Ängste der Menschen noch verstärkt, weil es heißt, dass wir untätig seien. Dem ist nicht so. An dieser Stelle wünsche ich mir wirklich mehr Konstruktivität.

Wenn hier von der Opposition behauptet wird, die Bildungspolitik wäre untätig, dann verschließen Sie die Augen vor der Realität. Mit den von uns möglichen Mitteln bringen wir Bewegungen in das Schulsystem. Wir hören den Menschen zu: Lehrkräften, Verbänden, Eltern, Schüler*innen.

Wir bieten mit unserem BNE-Antrag und unserem Demokratie-Antrag Unterstützungen für Schulen, die sich schon jetzt für die Entwicklung unserer Schulen einsetzen und Druck herausnehmen. Wir gehen mit unserem Fachkräfte-Antrag eine der größten Herausforderungen in unserem Bildungssystem an. CDU und Grüne sind hier nicht untätig.

Am 13. März dieses Jahres versammelten sich Hunderte von Schüler*innen in verschiedenen Städten unseres Landes, um für eine bessere Bildungspolitik zu demonstrieren und auf diese Herausforderungen aufmerksam zu machen. Sie fordern eine Wende.

Mir ist neu, Frau Müller-Rech, dass die FDP plötzlich als Bewegungspartei bekannt ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Landesschüler*innenvertretung NRW sagt – ich zitiere –: Den aktuellen Zustand an Schulen wollen und können wir so nicht mehr akzeptieren. – Das kann ich gut verstehen. Die Forderung der Schüler*innen nach Renovierungen und Modernisierungen unserer Schulen sind nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig.

Es ist bedauerlich, dass viele Schulgebäude den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden und dringend einer Renovierung bedürfen. Es ist an der Zeit, dass wir in die Zukunft unserer Bildungseinrichtungen investieren und sicherstellen, dass sie den Bedürfnissen unserer Schüler*innen gerecht werden.

Ich bin sehr froh über das Startchancen-Programm, das hier unterstützen kann.

Doch leider stehen wir dabei vor einem großen Hindernis, das unsere Bemühungen um eine bessere Bildungspolitik erschwert: der Schuldenbremse. Sie zielt darauf ab, dass die finanzielle Belastung zukünftiger Generationen durch Einsparungen verringert wird. Diese Regelung trifft auch den Bildungsbereich.

Doch Kürzungen im Bildungsbudget werden in Zukunft gravierende Auswirkungen haben. Denn Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche und gerechte Gesellschaft. Sie ist entscheidend für unsere Wirtschaft und auch für die Stabilität unserer Demokratie. Wenn wir nicht ausreichend in Bildung investieren, riskieren wir beides.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Wir dürfen nicht zulassen, dass kurzfristig nötige Sparmaßnahmen langfristige Schäden anrichten und die Zukunftschancen unserer Kinder beeinträchtigen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Auch der Fachkräftemangel an unseren Schulen ist traurige Realität. Ich verstehe gut, dass Schüler*innen dieses Thema in ihren Protesten kritisieren. Denn das sind diejenigen, die von dem Problem direkt betroffen sind. Sie spüren die direkten Auswirkungen auf ihre Bildung und damit auf ihre Zukunftschancen.

Und sie bekommen untereinander mit, dass es von der Postleitzahl abhängt, wie gut ihre Schule aufgestellt ist. Dabei haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf qualitativ hochwertige Bildung, die von engagierten und gut ausgebildeten Lehrkräften geleitet und von multiprofessionellen Teams begleitet wird – überall.

Auch diese Herausforderung nehmen wir gemeinsam ernst. Hier findet Ministerin Feller wirksame Schritte, um beispielsweise Lehrkräfte verstärkt dort einzusetzen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Ja, aus einer Kolleg*innenperspektive verstehe ich, dass das nicht nur Freudensprünge auslöst. Wir alle wünschten uns, dass uns das alles anders gelingen würde. Aber solange wir nicht genug Lehrkräfte haben, müssen wir uns darauf verständigen, was am wichtigsten ist.

Und eines der Themen in Schule ist die soziale Gerechtigkeit.

Deshalb ist es auch gut und richtig, dass das Ministerium den schulscharfen Sozialindex evaluiert und angepasst hat. Denn er hat nicht die Aufgabe, Schule zu stigmatisieren, sondern, Herausforderungen anzuerkennen und eine Aussage dazu zu machen, dass sie besondere Unterstützung benötigen. Auch hier wird das Startchancen-Programm einen wichtigen Beitrag leisten.

Liebe Schüler*innen, wenn aus dieser Debatte heute eines ankommen soll, dann: Macht weiter!

Wir wollen Partizipationsmöglichkeiten für euch in Schulen schaffen. Demnächst startet eine Bewerbungsphase für Partizipationsangebote in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Ich verspreche mir davon viele Ideen und die Erprobung von echter Beteiligung, damit wir davon auch Gutes übernehmen können.

Es ist richtig, dass wir die Prioritäten auf unsere Kinder und Jugendlichen richten, auf Bildung von Anfang an. Es liegt an uns allen, gemeinsam für eine bessere Zukunft zu kämpfen, in der Bildung nicht nur ein Privileg, sondern ein Grundrecht ist, das jedem und jeder Einzelnen zugutekommt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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