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Karin Schmitt-Promny (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der CDU-Antrag verweist auf die Bedeutung des dualen Systems in unserem Bildungswesen und für die Wirtschaft, aber er tut diesem nichts Gutes. Er argumentiert eindimensional, ja, er ist handwerklich schlecht gemacht. So benennt er die berufliche Bildung lediglich für den Bereich des Handwerks, obwohl Industrie und Handel ebenso in das duale System eingebunden sind.
Er zeigt Probleme und scheinbare Lösungsansätze auf, die bereits seit Langem auch im Ausbildungskonsens diskutiert werden und für die es bereits eine Vielzahl von Aktivitäten der Landesregierung gibt. Er qualifiziert ohne Not die akademische Bildung ab. Ist der CDU nicht bewusst, dass Unternehmen heute auf die heterogene Ausrichtung ihrer Teams setzen, dass auch der Philosoph in der Ideenschmiede eines großen Unternehmens durchaus hilfreich sein kann?
Das Gegeneinander-Ausspielen ist anachronistisch. Für die CDU kann nur die Schule durchgängig und nachhaltig technische Grundlagen vermitteln und Interesse für Technik entfachen. Die CDU verkennt die Relevanz der Elementarbildung in dieser Frage. Der erste institutionelle Schritt zur technischen Grundbildung erfolgt in den Kitas. Hier sind die Neugier und die Freude der Kinder am Entdecken und Verstehen gegeben. Vielleicht sollten wir uns mehr Gedanken darüber machen, wie diese Motivation auch in die Schulen hinüber gerettet und dort weiter entwickelt werden kann.
Die CDU äußert sich kritisch zur Bildungserwartung der Eltern. Eltern wollen die Bildungswege für ihre Kinder offenhalten – aus gutem Grund. Kinder und Jugendliche brauchen Offenheit für ihre Entwicklung. Schule soll sie in ihrem Bildungsweg unterstützen und fördern. Nach der 9. oder 10. Klasse sollen Sie in der Lage sein, aus ihren Interessen und Fähigkeiten heraus ihren Weg zu bestimmen hin zu einer beruflichen Ausbildung oder in eine weitere Schulbildung bis zum Abitur. Oder kommt für die CDU wieder der handwerklich begabte Junge, der in der Hauptschule richtig platziert ist, in den Fokus? Diese Frage kann man sich da stellen. Will sie zurück zu einem festgefügten Begabungsbegriff der Kinder und Jugendlichen? Hat die CDU nicht mitbekommen,
(Klaus Kaiser [CDU]: Hören Sie doch zu, was ich gesagt habe!)
dass auch im Handwerk für viele Ausbildungsberufe höhere technologische Anforderungen gestellt werden, da die Arbeitsinhalte viel komplexer geworden sind, und dass dementsprechend im Handwerk höhere Ansprüche an die schulische Bildung von Auszubildenden gestellt werden?
Wir diskutieren die Erweiterung der MINT-Bildung an Schulen. Diese Anforderung richtet sich aber an alle allgemeinbildenden Schulen. Und allen Schulen der Sekundarstufe I den Schwerpunkt MINT als Zielrichtung zu verordnen, widerspricht ihrem Auftrag, Schülerinnen und Schüler offen zu fördern und ihnen Chancen für ihre jeweilige Entwicklung zu bieten. Man könnte fast meinen, dass hier die Hauptschule wieder durch die Hintertür ins Spiel gebracht werden soll.
(Klaus Kaiser [CDU]: Jetzt passt aber alles zusammen, alle Klischees, die es gibt!)
– Ja, ich bin noch nicht ganz fertig. Ihr Antrag hat so viele Fragen bei uns aufgeworfen, dass wir uns darüber Gedanken mussten, die ich gerne weiter vortragen möchte.
Eine MINT-Förderung ohne akademische Ausbildung geht nicht. Wie will die CDU denn zu Lehrern – das haben wir in der letzten Woche auch gehört –, insbesondere auch zu Lehrerinnen, kommen, die diese Fächer unterrichten können? Wie will sie denn den notwendigen Nachwuchs in den Studienfächern der Ingenieur- und Naturwissenschaften gewinnen, wenn den MINT-Fächern nicht auch in der Sekundarstufe II Rechnung getragen wird?
Der CDU-Antrag verkennt zudem, wie vielfältig bereits heute die Möglichkeit einer Verbindung von beruflicher Ausbildung mit der Erlangung der Fachhochschulreife oder der allgemeinen Hochschulreife ist.
Das Interesse an diesen Wegen ist deutlich gewachsen, ebenso wie das Interesse junger Menschen an einem dualen Studium. Ein Beispiel wurde eben von der Kollegin benannt. Unser Bildungssystem soll Chancen eröffnen und Kinder und junge Menschen mit vielfältigen Angeboten unterstützen, verbunden mit der Anerkennung der verschiedenen Bildungswege. Und das kann nicht eine einseitige Ausrichtung von Schulen oder Kindern bedeuten.
Wir sind gespannt, ob es von der CDU nach diesem Antrag im Ausschuss eine inhaltliche Fundierung geben wird, die uns im Hinblick auf die Fachkräfteausbildung tatsächlich voranbringen kann. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)