Karin Schmitt-Promny: „Schulen sind in der Lage, sich über Schulentwicklung auseinanderzusetzen“

Antrag der FDP zur Forschungsfreiheit

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Karin Schmitt-Promny (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines muss man der FDP-Fraktion zugestehen: Sie ist Meisterin in der Formulierung von dramatischen Überschriften.
Beim heute zu beratenden Antrag kann man sich zunächst erschrecken. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ein hohes Gut unserer Demokratie, sei eingeschränkt. Die Forderung des Titels verlangt, diese erst wieder zu ermöglichen. Als Verhinderer der Forschungsfreiheit werden sodann die Kultusministerkonferenz und das Land identifiziert, die den Zugang zu Bildungsdaten blockieren.
Doch was leistet Ihr Antrag selbst im Hinblick auf diesen hohen Aufschlag, den Sie machen? Ist die Forschungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen tatsächlich gefährdet? Welche Blockaden gilt es denn zu überwinden? Der Antrag und auch Ihre Rede, Frau Schmitz, bleiben den Nachweis zu diesen Fragen leider schuldig.
Der Antrag verweist auf die Kritik von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die klagen über – man höre – mangelnde Transparenz und eine Blockadehaltung der Exekutivvertreter beim Zugang zu Bildungsdaten.
Insbesondere die Kultusministerkonferenz gerät in den Fokus der Beschwerde.
Aber dabei scheint der Antrag der FDP ins Leere zu laufen. Die KMK spricht sich für die Erhebung von Daten aus und lässt auch ländervergleichende Studien zu. Auch das Land NRW unterstützt im Rahmen transparenter Verfahren diese Studien, indem es seine Daten für Analysen zur Verfügung stellt.
Nachvollziehbar ist das allgemeine Interesse an Bildungsforschung und ihren Ergebnissen. Dafür aber braucht es Maß und Mitte. Vorrangig muss der Schutz der Individualdaten gesichert sein. Der Datenschutz darf auch im Hinblick auf wissenschaftliche Interessen nicht verletzt werden.
Die Schulen dürfen mit wissenschaftlichen Anfragen auch nicht überfordert werden. Eine empirische Untersuchung ist für alle Beteiligten, auch für die Untersuchten, mit Arbeit verbunden. Sie bedeutet ein Add-on neben allen sonstigen Aufgaben in Unterricht und der Organisation des Schullebens. Insofern ist es richtig, dass laut Schulgesetz die Schulleitung nach Beteiligung der Schulkonferenz eigenständig entscheidet. Ein Anspruch auf Zustimmung zu einer wissenschaftlichen Untersuchung besteht meines Wissens nicht.
Eine Ablehnung eines Forschungsvorhabens ist sicherlich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler enttäuschend. Aber die Möglichkeit der Ablehnung durch eine Schule halten wir für ebenso wichtig.
Die Berücksichtigung schulinterner Gründe für die Ablehnung einer wissenschaftlichen Untersuchung lässt der Antrag anscheinend zu. Dann heißt es aber,
dass Schulen oftmals nicht nur unter nachvollziehbaren Aspekten wie Organisationsfragen Wissenschaftler abschlägig bescheiden. Es herrscht offenbar bisweilen die Sorge vor, dass auch Defizite bekannt werden könnten.
Unter welchen Generalverdacht, stellen Sie, Frau Schmitz, denn hierbei die Schulen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir denken, dass Schulen heute durchaus in der Lage sind, sich über Schulentwicklung auseinanderzusetzen. Wenn dann wirklich Defizite festgestellt werden, sollte dies einhergehen mit einer Analyse der Situation und der Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen. Im Text heißt es weiter, dass die Sorge verbunden ist mit der Befürchtung
„eine solche Transparenz, gerade auch bei möglicher Offenlegung von Defiziten, sei vom Dienstherrn nicht gewollt.“
Hier nähert sich Ihr Antrag einer Verschwörungstheorie. Doch die Realität zeigt anderes: In NRW gibt es keine schulbehördlichen Genehmigungsvorbehalte. Somit können wissenschaftliche Forschungen in und über Schule durchgeführt werden. Das ist gängige Praxis, da brauchen Sie auch nicht den Kopf zu schütteln. Frau Schmitz, erst jüngst im Schulausschuss des Landtags, am 29. Juni, wurden uns die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen von Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan vorgestellt.
Abschließend stellt sich uns die Frage, welches Erkenntnisinteresse Sie wirklich bewegt, diesen Antrag zu stellen. Auch hier zeigt sich wieder Ihre Beschränkung auf die Frage eines Rankings. Schulen aber sind keine Institutionen, die fortlaufend Daten liefern sollten. Das alleine führt nicht zu einer qualitativen Weiterentwicklung unseres schulischen Bildungssystems.
Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen sollte vielmehr die Wirksamkeit der Ergebnisse für die Entwicklung von Unterricht und der Institution Schule als Teil eines ganzheitlichen Bildungssystems sein. Wir brauchen eine Bildungsforschung, die unter Einbeziehung von Praktikerinnen und Praktikern Ergebnisse liefern kann, die unterstützen, Kindern und Jugendlichen eine gelingende Bildungsbiografie zu ermöglichen. – Vielen Dank.