Jutta Velte: „Es braucht ein ganzes Land, um mit dieser Herausforderung fertig zu werden“

Antrag der CDU zur Integration von Flüchtlingen

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Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mit etwas Positivem zu beginnen. Das Positive wäre, dass sich die CDU damit beschäftigt, dass die CDU versucht, die Ergebnisse aus den Anhörungen, die in den verschiedenen Ausschüssen – auch zu einem ähnlichen Thema – stattgefunden haben, zu verarbeiten, und dass die CDU das jetzt als Querschnittsaufgabe angeht.
Das alles sind Punkte, wo ich finde, dass es eigentlich ganz gut läuft. Dazu sprechen nicht die Integrationspolitiker – auch nicht die Arbeitsmarkt- bzw. Sozialpolitiker –, sondern die Mittelstandsvereinigung der CDU spricht dazu. Und das ist doch erst einmal …
(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU] – Weiterer Zuruf von der CDU: Wo ist das Problem?)
– Entschuldigung, Herr Wüst: Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU spricht dazu. Ich finde es ja schön – Sie haben sich ja bei vielen Anträgen enthalten, und Sie haben Anträge zum gleichen Thema abgelehnt –, dass Sie sich mit dem Thema „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“ befassen.
Natürlich ist es schade, dass Sie bei der Konferenz mit den Arbeitgeberverbänden, den Handwerkskammern, den Gewerkschaften, den Jobcentern, den Arbeitsagenturen, den Universitäten und dem IQ Netzwerk nicht zugegen sein konnten. Das möchte ich Ihnen nicht vorwerfen. Ich möchte Ihnen aber schon so ein bisschen einen Anstoß geben, sich einmal das durchzulesen, was in dem Papier abschließend steht. Darin sind ja viele Maßnahmen enthalten, die schon durchgeführt werden und auf die Sie sich in Ihren Anträgen in keiner Form beziehen. Das wäre aber hilfreich gewesen; denn könnte man auch sehen, was in diesem Land schon alles geleistet wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es tut mir vor allem auch deswegen leid, dass Sie nicht dabei waren, weil die Themen, die Sie ansprechen – Mindestlohn und Praktika –, an der Stelle überhaupt nicht von Bedeutung waren. Thema war, dass alle Verbände – die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände, die Handwerkerschaften – eigentlich dargestellt haben, mit welcher Intensität und auch mit welchem Mitteleinsatz sie in diesem Themenfeld tätig sind und wie sehr sie sich darum bemühen – dabei fühlen sie sich, was ich persönlich schon für ein großes Wunder halte, auch eingebunden –, für die Einführung der Integration Points vor Ort zu kämpfen.
In den Integration Points wird ja genau das passieren, was Sie in Teilen Ihres Antrages fordern, nämlich die Koordination und Kooperation aller vor Ort, um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu bewerkstelligen. Deswegen ist es schade – auch wenn das praktisch aus dem Papier trieft und es schon etliche Integration Points in diesem Land gibt –, dass Sie diesen Punkt nicht aufgreifen.
Diese gemeinsame Erklärung zeigt, dass es ein ganzes Land braucht, um mit dieser Herausforderung fertig zu werden, und dass dieses ganze Land auch dasteht, um das zu machen.
An vielen Stellen hört es sich bei Ihnen so an, als würden Sie sagen: Es liegt kein Konzept vor. Das würde ich gerne auch noch einmal mit Herrn Kruse besprechen. Also, wenn Sie keine Strategie haben, heißt das nicht, dass es kein Konzept gibt. Dieses Land hat ein Konzept. Es gibt immerhin auch sehr viel Geld aus, um diesem Konzept zu folgen.
Es gibt viele Instrumente und Möglichkeiten, von denen wir aber – und das halte ich für richtig – sagen, dass sie gut für alle sind, insbesondere wenn sie im Arbeitsmarkt zum Tragen kommen: sowohl für die Langzeitarbeitslosen, vielleicht auch für diejenigen, die den inklusiven Arbeitsmarkt suchen, vor allem aber für die Geflüchteten.
Sie reden – darüber bin ich mir jetzt nicht so ganz im Klaren – von Schutzsuchenden, die keine Erfahrung mit der beruflichen Bildung haben. Damit gehen Sie natürlich vollständig an den anderen Teilen Ihres Antrages vorbei. Denn die Geflüchteten, die zu uns kommen, haben sehr wohl Erfahrung mit beruflicher Bildung. Sie haben aber vielleicht keine Erfahrung mit dem dualen Ausbildungssystem.
Was Ihre Forderung nach Bundesratsinitiativen und anderen Dingen angeht: Es kommt mir im Moment so vor, als würden Sie in NRW Wein predigen und im Bund Wasser verordnen.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] und Simone Brand [PIRATEN])
Ich möchte Ihnen dafür zwei Beispiele nennen. Einmal geht es um die Integrationskurse, die ja in Ihrem Antrag nicht vorkommen, obwohl wir doch wissen, dass Sprache die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche berufliche Integration ist. Die Sprachkurse sollen – zumindest ist das der Vorschlag der CDU-geführten Regierungen – demnächst von den Geflüchteten wieder bezahlt werden. Das ist kontraproduktiv. Dies führt ja nicht zu einer Arbeitsmarktintegration, sondern dazu, dass hohe Hürden aufgebaut werden. An der Stelle braucht man nicht über Mindestlohn zu sprechen, sondern das sind ganz markante Hürden.
Sie fordern – das finde ich richtig, es ist auch aus der Konferenz heraus gekommen – drei Jahre Ausbildung plus zwei Jahre Berufszugang. Das betrifft aber nicht Nordrhein-Westfalen – wir wollen das alle –, sondern es ist doch der Bund, der das verhindert.
Ich möchte noch darauf eingehen, dass Sie irgendwie immer Ärger mit den Berufskollegs haben. Sie möchten da multiprofessionale Teams haben. Wären Sie alle bei den Haushaltsberatungen dabei gewesen, dann hätten Sie auch gesehen, dass diese multiprofessionellen Teams schon längst auf dem Weg sind und dass fast 230 Stellen geschaffen worden sind, um genau das zu gewährleisten, was Sie mit Ihrem Antrag beabsichtigen.
Zum Schluss möchte ich auch noch auf das Thema „direkte Abstimmung“ eingehen. Ich verstehe das ja: Wir haben viel darüber geredet, und wir haben so viele Anhörungen gehabt, dass Sie sich keine weitere mehr antun wollen. Ich hätte es aber gut gefunden, wenn wir noch einmal in den Ausschüssen – auch im Integrationsausschuss – darüber hätten diskutieren können, um zu gucken, was wir an Instrumenten haben und wo wir besser werden können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, eine schöne Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr!
(Beifall von den GRÜNEN)

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