Jutta Velte: „Bei der CDU heißt Willkommenskultur Hochglanz für die Hochqualifizierten und Panzerglas für die anderen.“

Antrag der CDU zur Integrationspolitik

Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Güler! Es fällt mir schwer, das zu sagen. Aber an einem Punkt teile ich die Auffassung meines Kollegen von Grünberg nicht. Ich nehme diesen Antrag und ich nehme auch Ihre Rede, Frau Güler, zum Anlass, festzustellen, dass Sie die gute Kooperation und die gute Tradition im Integrationsausschuss, Integrationsarbeit gemeinsam zu betreiben, massiv aufgekündigt haben.
Es geht nicht nur darum, dass Sie sagen, die anonymisierten Bewerbungen seien fehlgeschlagen und hätten etwas mit Verleugnung von Herkunft zu tun.
(Zuruf von Serap Güler [CDU])
Wir haben gemeinsam immer wieder darüber gesprochen. Ich finde es fast peinlich, wie Sie den Versuch und den Kampf der öffentlichen Stellen, mehr Migrantinnen und Migranten in den öffentlichen Dienst zu bekommen und damit als Pilotprojekt für die Wirtschaft zu dienen, runterputzen. Das finde ich wirklich peinlich. Und das wird weder den Migrantinnen und Migranten gerecht
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
noch wird es den Unternehmerinnen und Unternehmern gerecht.
Ich bin der irrigen Annahme nachgegangen, man würde sich hier mit Ihrem Antrag befassen. Das ist ja anscheinend nicht der Fall. Trotzdem würde ich gerne zwei, drei Dinge aus dem Antrag wertend erwähnen.
Positiv ist natürlich: Die CDU erkennt an – immer mehr, nähert sich dem wenigstens an –, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Sie erwähnen in Ihrem Antrag auch den stolzen Anteil an Einwanderung in Nordrhein-Westfalen. Das finde ich gut, weil Sie an der Stelle auch das verstörende Bild zurechtrücken, das Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Laumann, zur Einwanderung aus Südosteuropa gezeichnet hat. Deswegen: Herzlichen Glückwunsch! Darüber freue ich mich.
Über die Frage der Berufsanerkennung hat Bernhard von Grünberg einiges gesagt. Ihre Einschätzung zur Diskriminierung vieler Menschen mit Einwanderungsgeschichte teile ich. Sie haben dem ja jetzt mit Ihrer Anmerkung zur anonymisierten Bewerbung noch einen Aspekt hinzugefügt.
Willkommenskultur wollen wir alle; die will doch schließlich jeder. Aber gehen wir mal ein bisschen auf das ein, was Sie als Willkommenskultur bezeichnen. Bei Ihnen – das spricht an jeder Stelle aus Ihrem Antrag – heißt das Hochglanz für die Hochqualifizierten und Panzerglas für die anderen. Das ist für uns als Grüne keine Willkommenskultur, und das ist mit uns nicht zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Mir wird aus Ihrem Antrag überhaupt nicht klar, wieso Sie sich zu einer Verordnungspartei entwickelt haben. Sie wollen zwei Dinge verordnen. Sie haben nicht inhaltlich hergeleitet, wie Sie verordnen wollen, dass die Ministerpräsidentin das und das entscheiden soll. Das betrifft uns als Parlament nicht. Das betrifft die Organisationshoheit. Da wollen Sie eingreifen.
Als aktive Kommunalpolitikerin bin ich erbost darüber, was sie den Kommunen alles vorschreiben wollen. Sie wollen den Kommunen, die nun wirklich auf einem guten Weg sind, unterstützt durch die kommunalen Integrationszentren, unterstützt durch die vielen Migranten­selbstorganisationen, die an der Aufstellung der kommunalen Integrationszentren mitgewirkt haben, vorschreiben: Bildung ist nicht! Was ihr euch überlegt habt zum Thema „Seniorenarbeit“, zum Thema „Mehrsprachigkeit“, zum Thema „Quartiersmanagement mit Migrantinnen und Migranten“, das stellen wir jetzt mal auf null. Da sagen wir: Stopp! Jetzt habt ihr nur noch Willkommenskultur zu machen, und zwar Willkommenskultur vor dem Hintergrund der Panzerglasscheiben in den Ausländerämtern. – Und das finde ich ein bisschen daneben.
Ich glaube nicht, dass man den Kommunen vorschreiben kann, was Sie zu tun haben. Ich denke, dass man dafür werben muss.
Überall, wo ich bin, werbe ich dafür, Willkommenskultur in den Kommunen einzurichten. Ich weiß, dass viele Kommunen da auf einem sehr guten Weg sind. Ich arbeite bei den Migrantenselbstorganisationen, spreche mit denen auch darüber. Die arbeiten auch daran. Die sehen den Bedarf. Die Menschen aus Europa, die in Deutschland ankommen und hier einen Job suchen, streben auch danach.
Die Kommunen sind aber die Träger der ganzen Geschichte. Ich bin nicht bereit, denen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Ich glaube, es wäre gut, wenn das Land Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle Hinweise geben würde, Gespräche führen würde, um die Willkommenskultur vor Ort zu stärken, die vielfach schon vorhanden ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zum Schluss gestatten Sie mir noch eine Anmerkung: Das, was Sie jetzt machen, verhindert doch eine produktive Diskussion in den Kommunen. Wir brauchen auch für die Willkommenskultur in den Kommunen zwingend eine Modernisierung des Ausländerrechts. Dem haben Sie sich die ganze Zeit verweigert. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Mehr zum Thema

Integration