Jutta Velte: „Bei Beteiligung geht es auch immer um die Frage der Augenhöhe“

Gesetz zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation in den Gemeinden

Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Scharrenbach, wenn Sie von 16 Ausschussgemeinden sprechen und sagen, dass 16 sehr glücklich mit den Ausschüssen seien, dann gestatten Sie mir, dass ich Ihnen ganz kurz widerspreche. Die Stadt Remscheid ist Modellkommune gewesen. Auch dort mehren sich die Stimmen, die sagen: Wir möchten gerne einen Integrationsrat haben. – Das war im Übrigen schon Thema bei der Entscheidung des Rates. Da haben die Migrantinnen und Migranten demonstriert und gesagt: Wir können selber gehen, wir sind selber stark genug. Wir finden es gut, wenn Ratsmitglieder dabei sind, aber wir möchten die Mehrheit haben und den Ausschussvorsitz stellen.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das ist wichtig, weil es ein Hinweis darauf ist, dass es bei einer Beteiligung auf der einen Seite immer um die Frage der Augenhöhe geht, auf der anderen Seite um die Frage, wer Macht zugesteht und wer Macht nimmt.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Simone Brand [PIRATEN])
Bei Ausschüssen sind die Mehrheitsverhältnisse ganz klar. Der Rat der Stadt, der Kommune hat die Mehrheit. Das heißt, die gewählten Vertreter der Migrantinnen und Migranten hätten strukturell im Prinzip schon im Ausschuss keine Chance, wenn sich der Rat gegen sie stellen würde. Ein Antrag aus dem Ausschuss hätte noch nicht mal eine Chance, in den Rat zu gelangen. Mit der Einrichtung der Integrationsräte wäre das völlig anders, denn mit deren Anträgen müsste sich der Rat auseinandersetzen.
Deswegen haben wir uns nach langer Diskussion, auch mit meinen Wuppertaler Kolleginnen und Kollegen, die ich sehr genossen habe, die sehr tiefgreifend war, entschieden, uns der Forderung der LAGA anzuschließen, nur noch Integrationsräte zuzulassen. An der Stelle steht die Freiheit der kommunalen Selbstverwaltung der Kommunen gegen die Freiheit der Migrantinnen und Migranten, ihr Modell selber zu bestimmen. In der Abwägungsfrage haben wir uns für die Freiheit der Migrantinnen und Migranten entschieden, um in den Kommunen mehr Partizipation auf Augenhöhe zu ermöglichen.
Wir gehen davon aus, dass die Integrationsrätinnen und ‑räte ihr Mandat dann ernst nehmen, dass sie es als Verpflichtung verstehen, mündig genug sind, entsprechende Anträge in die Räte der Städte einzubringen, und damit auf Augenhöhe agieren.
Sie haben zu Recht angesprochen, dass es gut wäre, wenn die Migrantinnen und Migranten, um die es geht, Teil der politischen Regelstrukturen wären. Ich fände das auch richtig. Nur, die Wirklichkeit spricht eine ganz andere Sprache. In den Räten in Nordrhein-Westfalen sind kaum Migrantinnen und Migranten aktiv. Schlimmer noch, es gibt kein kommunales Wahlrecht. Das heißt, Drittstaatsangehörige können nicht über die Parteien für die Räte kandidieren. Solange dieser Mangel besteht, solange es in den Kommunen keine vernünftige politische Partizipation über die Parteien gibt, halte ich die Integrationsräte für ein geeignetes Mittel, um sich vorwärtszuentwickeln, um Partizipation in den Kommunen, da, wo die Menschen leben, möglich zu machen und zu verbessern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In der Diskussion ist immer wieder der Punkt aufgetaucht, dass die Ausschüsse doch so gut mit den Städten zusammenarbeiten. Das ist aber nicht überall so, auch bei den Integrationsräten nicht. Deswegen kann man das nicht als Argument verwenden und sagen: Weil sie so gut zusammenarbeiten, spielt die Struktur der Ausschüsse überhaupt keine Rolle. So würde ich das nicht betrachten. An der guten Zusammenarbeit zwischen Rat und Ausschuss und an der Gelingensbedingung wird sich überhaupt nichts ändern, nur weil etwas mehr Migranten als Ratsmitglieder im Ausschuss sind. Wenn es die Gelingensbedingung vor Ort gibt, heißt das doch, dass die Politik die Integrationsräte ernst nimmt. Wenn das so ist, dann nimmt sie sie als Räte oder als Ausschüsse ernst. Daher würde es nichts bringen.
Ich wünsche den zukünftigen Integrationsräten auf jeden Fall viel Glück bei der Arbeit, viel Ernsthaftigkeit und einen tollen Wahlkampf. Ich freue mich auf die Kommunalwahlen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

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