Jutta Velte: „Afghanistan ist nicht sicher“

Antrag der Piraten für einen Abschiebestopp nach Afghanistan

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Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kuper, ich selber war noch nie in Afghanistan; ich glaube, Sie auch nicht. Das, was Sie an Support für Afghanistan vorgeschlagen haben, entzieht sich meiner Kenntnis und sicherlich auch der Kenntnis vieler, die davon berichtet haben, was passiert, wenn Menschen da ankommen.
Wir beschäftigen uns heute mit einem Piratenantrag, und angesichts dessen finde ich es schon beeindruckend, dass die Piraten nicht vollzählig anwesend sind. Aber sei es drum.
Afghanistan ist nicht sicher – diese Einschätzung teilt auch die Evangelische Kirche in Deutschland, und sie ist nicht von der Hand zu weisen. Sie steht in Verbindung mit Anmerkungen des UNHCR vom 22. Dezember 2016 – davon ist schon häufiger berichtet worden. Die Organisation weist darauf hin, dass sich einerseits die aktuelle Sicherheitslage verändert, andererseits beobachten wir zugleich, dass sich auch die Schutzquote für afghanische Flüchtlinge verändert; sie sinkt nämlich. Lag sie für Afghanistan ohne die Dublin-Rücküberstellungen in 2015 noch bei 77 %, so ist sie 2016 auf 56 % abgesunken. Das heißt, dass 44 % der Afghaninnen und Afghanen abgelehnt werden.
Eine neue Bewertung der Sicherheitslage muss natürlich Auswirkungen auf die Schutzquote haben. Es besteht – das muss man in diesem Zusammenhang auch noch einmal deutlich machen – für abgelehnte Asylsuchende die Möglichkeit, ihr Antragsverfahren durch einen Asylfolgeantrag wieder aufzunehmen.
Wichtig ist, dass die Sicherheitslage nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern im Bund bewertet wird. Dort muss sie gewürdigt werden, und dort gilt es auch, die Aussagen der NGOs einzuschätzen. Der Bund muss dahin gehend aktiv werden. Wir sind jedes Mal erschüttert über die Ignoranz der Bundesregierung gegenüber den Aussagen vieler Nichtregierungsorganisationen über die Lage in Afghanistan; das halten das für skandalös. Es scheint allein politisch motiviert zu sein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was können wir also in Nordrhein-Westfalen tun? Einen Abschiebestopp über drei Monate zu verhängen und dann die Leute wieder ins Unsichere zu entlassen, halten wir für nicht wirklich zielführend. Deswegen sind wir froh, dass die kommunalen Ausländerbehörden die Aufgabe haben, noch einmal zu prüfen, ob die rund 1.500 ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen die Voraussetzung für einen weiteren Aufenthalt aufgrund humanitärer Aspekte erfüllen oder/und ob im Einzelfall Integrationsleistungen vorliegen. Das Innenministerium hat dazu einiges herausgegeben; das ist schon vielfach erwähnt worden.
Die handlungsleitenden und ermessensleitenden Hinweise gelten selbstverständlich auch für die Geflüchteten aus Afghanistan, beispielsweise wenn es um gut integrierte Jugendliche oder um Ausbildungszwecke geht. Es ist richtig – und beim letzten Flug nach Afghanistan auch geschehen –, dass dann im Einzelfall geprüft wird, ob es überhaupt verantwortbar ist, dass diese Menschen zurückgeführt werden.
Wir als Grüne haben durchgesetzt, dass bei Rückführungen zuallererst die freiwillige Rückkehr in den Mittelpunkt gestellt wird und nicht die Abschiebung, die Zwangsmaßnahme. Das ist auf jeden Fall im Sinne der Betroffenen. Im rot-grünen Koalitionsvertrag haben wir zur Flüchtlingspolitik vereinbart, dass wir unter besonderer Berücksichtigung integrationspolitischer und humanitärer Gesichtspunkte die landesrechtlichen Spielräume nutzen wollen, damit die Betroffenen von der bestehenden Rechtslage profitieren können.
0Wir stehen daher weiterhin für eine verantwortungsbewusste, an Humanität orientierte Flüchtlingspolitik im Rahmen – das kann man auch kritisieren – der bundesgesetzlichen Vorgaben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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