Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Pfeil, als Ihr Antrag auf die Tagesordnung kam, habe ich mich zunächst gefreut, weil über Katastrophenschutz, Zivilschutz hier im Parlament zu sprechen ganz dringend notwendig ist.
Es ist notwendig, weil wir uns in einer Zeit multipler Krisen befinden – Pandemie, Krieg in Europa und durch die Klimakrise ausgelöste Extremwetterereignisse. All das zeigt: Wir brauchen einen starken Bevölkerungsschutz.
Es ist aber auch notwendig, weil wir die Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten nicht allein lassen dürfen. Auf einmal sind Bunker und Sirenen kein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges mehr, sondern ein konkreter Titel im Haushaltsplan. Das müssen wir erklären. Wir müssen die Menschen mitnehmen, informieren, transparent machen, auch wenn dieses Thema kein Wohlfühlthema ist.
Bevölkerungsschutz ist die gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Der Bund verantwortet die zivile Verteidigung, die den Zivilschutz beinhaltet; die Länder und Kommunen verantworten den Katastrophenschutz, also den Schutz der Bevölkerung in Friedenszeiten. Zusammen ist das Bevölkerungsschutz.
Übrigens – ich kann mir das nicht verkneifen –: Wer von „Zivil- und Bevölkerungsschutz“ spricht, wie Sie das im Titel Ihres Antrags tun, Herr Dr. Pfeil – das ist ein bisschen wie „Äpfel und Obst“. Das macht nicht so richtig Sinn.
Es mag ein bisschen nerdig sein, aber diese Unterscheidung ist durchaus relevant, denn sie legt den Blick auf ein weltweit einmaliges Konstrukt in unserem Grundgesetz frei, nämlich eben die Unterscheidung zwischen „Zivilschutz gleich Bund“ und „Katastrophenschutz gleich Länder“. Diese Unterscheidung im Grundgesetz verkompliziert manches, nicht nur in der Finanzierung, sondern auch im konkreten Doing. Das ist aber nun einmal der Rahmen, in dem wir Länder überhaupt irgendetwas tun können.
Deshalb ist es, wenn wir hier auch immer wieder über den Bund sprechen, kein übliches politisches Verweisen, wie wir das ja oft machen, im Sinne von: „Das muss aber der Bund machen“, sondern das ist Teil unseres Grundgesetzes. Wir als Länder können manche Dinge nicht tun, weil sie Aufgabe des Bundes sind.
Deswegen ist der Bund in der Verpflichtung, den Pakt für den Bevölkerungsschutz, der sehr großspurig angekündigt wurde, oder das Kritis-Dachgesetz für verbindliche Standards im Schutz kritischer Infrastrukturen jetzt auch umzusetzen. Das muss jetzt in die Umsetzung. Das sind zwei zentrale Punkte im Bund.
Auch wir in NRW nehmen unsere Aufgaben extrem ernst. Mit dem Sondervermögen „Krisenbewältigung“ haben wir 2022 Gelder bereitgestellt, um die Versorgung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen im Fall eines Blackouts abzusichern. Wir haben die Sirenenförderung wieder aufgenommen, unterstützen Kommunen bei der Planung und Ausstattung im Zivilschutz. Frau Müller-Witt, genau das, was Sie eben gesagt haben, passiert. Die Länder, die Bundeswehr, wir alle sind in Kommunikation mit den Kommunen.
Wir haben eine Landeszentralstelle für Katastrophenschutz geschaffen und Katastrophenschutzlager aufgebaut. Wir investieren in Waldbrandvorsorge und moderne Ausrüstung vor Ort. Das sind keine Ankündigungen im Sinne von „Wir müssten mal“, sondern das sind ganz konkrete, laufende Projekte. Die Floskel „Wir müssen den Bevölkerungsschutz stärken“ – das ist es, was wir in Sandsäcke, Personal und Sirenen gegossen tun.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Herr Dr. Pfeil, Sie schreiben in Ihrem Antrag – ehrlicherweise hat mich das ein bisschen geärgert – von einer „Kehrtwende“ im Bevölkerungsschutz. Meinen Sie das wirklich ernst? Wollen Sie wirklich eine Hundertachtziggradwende, also genau in die andere Richtung laufen? Das ist nämlich eine Kehrtwende. Wollen Sie all das, was Länder und Bund in den letzten Jahren gemacht haben, wirklich wieder zurückdrehen? Ich glaube nicht, dass Sie das wollen. Denn Sie listen ganz viele der Maßnahmen auf, die bereits laufen.
In diesem ganzen Thema muss aber auch klar sein, dass Bevölkerungsschutz mehr ist als Bundeswehr und Betonbunker. Wir können unsere Sicherheit nicht an die Bundeswehr auslagern. Resilienz entsteht vor Ort in den Kommunen – in den Krankenhäusern, in den Schulen, in kritischen Infrastrukturen, in der Ausbildung der Einsatzkräfte und in der Aufklärung der Bevölkerung.
Darum stärken wir das Ehrenamt im Katastrophenschutz, fördern Übungen und Selbstschutzmaßnahmen und sorgen für Ausstattung, die funktioniert. Darum bauen wir Sirenen, digitale Warnsysteme und Katastrophenschutzlager aus. Darum bringen wir ein BHKG auf den Weg, gemeinsam mit den Hilfsorganisationen.
Ich möchte Sie wirklich einladen, konstruktiv daran mitzuwirken, solange Sie nicht in die komplett andere Richtung laufen wollen, also eine Kehrtwende machen wollen. Es gibt im Moment so viel Personal, so viel Geld, so viel Investitionen in den Bevölkerungsschutz wie seit Ende des Kalten Krieges nicht, und wir stellen vielleicht fest – und das ist richtig –: Das reicht nicht aus.
Wir müssen mehr tun, und wir müssen das Richtige tun, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Ich freue mich, wenn wir gemeinsam den Weg weitergehen und eben nicht kehrtmachen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
