Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Was wäre, wenn wir nicht jeden Cent zweimal umdrehen müssten? Ich glaube, dann könnten wir im Digitalbereich viele sehr schöne Visionen aufzeigen und sehr viele coole, innovative Dinge anstoßen. Aber die Lage ist so, wie sie ist. Und wir drehen nun einmal in diesem Haushalt jeden Cent zweimal um.
(Ralf Witzel [FDP]: Dabei kommt wenig raus!)
Die eine Seite sagt: Wir sollen mehr sparen. Die andere Seite sagt, wir sollen mehr priorisieren. Am Ende ist es, egal, wie wir es machen, auch wieder nicht recht. Wenn man sich anschaut, was FDP und SPD hier sagen, dann erzählen sie einfach, wir würden es uns leicht machen und das Geld einfach zur Seite legen. Das ist totaler Quatsch. Niemand tut sich diese Debatten an, wenn man das Geld wirklich frei zur Verfügung hätte.
Wissen Sie, was mich gerade im Bereich der Digitalisierung ärgert? Hätte man von Anfang an, 2017 beispielsweise, als man das OZG eingeführt hat, richtig und entschlossen gehandelt, dann wären wir doch heute schon sehr viel weiter.
Wo stehen wir denn heute? Wir haben Software, die hinten und vorne nicht zusammenpasst. Da füllt die Bürgerin, der Bürger ein Formular aus, in der Verwaltung wird es abgetippt. Warum? Weil das E-Government-Gesetz der letzten Regierung den Anschluss von OZG zu der Verwaltungsleistung nicht hinbekommen hat. Und das muss man dann teuer aufräumen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch das Einer-für-alle-Prinzip, so wie es in der letzten Bundesregierung beispielsweise gelebt wurde, ist gescheitert. Ein Bundesland entwickelt eine Software. Statt dann vielleicht marginal die eigenen Verwaltungsverfahren anzupassen, schafft man einfach Parallelstrukturen in der Software. Das ist teuer, das ist zeitaufwändig, das ist fehleranfällig, und das können wir uns einfach so nicht mehr leisten.
Wenn man aber FDP und SPD zuhört, weiß man auch, warum es so schiefging. Da wird IT-Sicherheit an Geld gemessen. Da wird Motivation für Digitalisierung an Geld und neuen Geräten gemessen. Wissen Sie was: IT-Sicherheit ist eine organisatorische Frage, die sich jede einzelne Beschäftigte immer wieder stellen muss. Deshalb ist auch klar, dass alle in ihren Häusern auch IT-Sicherheit garantieren müssen. Daraus machen Sie gerade einen großen Skandal, Frau Freimuth.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Wenn wir uns die Frage anschauen, was man für Verwaltungsverfahren für eine Software braucht: Die allermeisten Sachen sind kein Hexenwerk. Das ist nichts, wofür man Unmengen Rechenpower braucht. Man braucht ein solides Gerät. Das kann auch zwei Jahre älter sein als das neueste Modell.
Trotzdem sage ich Ihnen: Wir kriegen die Zeit nicht zurückgedreht. Das, was in den letzten zehn Jahren in der Digitalisierung schieflief, lässt sich nicht in einem Jahr wieder aufholen. Macht es Spaß, damit zu arbeiten? Nein. Trotzdem versuchen wir als Zukunftskoalition, hier das Beste daraus zu machen, während Sie nicht einmal konstruktive Vorschläge einbringen, wie es am Ende gehen kann.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Ich kann Ihnen auch noch einen Punkt nennen. Für eine Zeit, in der man priorisieren muss, ist die Informatik sehr gut aufgestellt. Software wird heute nämlich nicht mehr nach starren Plänen geschrieben. Man hat irgendwann gut erkannt: Wenn man alles erst einmal konzipiert, dann schreibt und testet und am Ende auf Kund*innen loslässt, passt das nicht mehr alles zusammen.
Also priorisiert man in allen Softwareprojekten sehr klar nach dem, was am meisten bringt. Genau das kann man dann auch tun, wenn Mittel eben nicht mehr so unbegrenzt zur Verfügung stehen, wie das vielleicht vor zwei, drei Jahren der Fall war. Geht das dann alles so schnell, wie man sich das manchmal wünschen würde? Nein. Heißt das, dass wir einen Stillstand in der Digitalpolitik haben? Auch nein. Dafür sind eben Priorisierungen da.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Wenn wir damit weitermachen: Die Rankings, die Sie ansprechen, auf die Sie sich immer wieder beziehen, führen dazu, dass wir nicht die Verwaltungsleistung als Erstes digitalisieren, die den Menschen am meisten bringt, nein, sondern die, die am einfachsten ist – so etwas wie Hundesteuer oder Angelschein –, obwohl die großen Fragen unserer Zeit in der Digitalisierung doch in anderen Anwendungen liegen wie beispielsweise dem Wirtschafts-Service-Portal.
Wenn Sie wirklich Digitalpolitik machen wollen, dann beenden Sie diese Spielchen! Konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Frage, wieviel Zahlen da stehen, sondern darauf, wie IT-Sicherheit organisatorisch oder eine gute Verwaltungsdigitalisierung funktionieren. Wir bieten Ihnen gerne eine konstruktive Zusammenarbeit an. Wir sind der Überzeugung: Mit einer guten Priorisierung im Jahre 2025 kriegt man das auch im Digitalhaushalt hin.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Liebe Kollegin Frau Eisentraut, ich war leider etwas abgelenkt und zu langsam. In der letzten Sekunde kam noch eine Zwischenfrage von dem Kollegen Watermeier. Würden Sie die gestatten?
Julia Eisentraut (GRÜNE): Ja.
Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Ja, super.
Sebastian Watermeier (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Frau Kollegin, habe ich es gerade richtig verstanden, dass wir die Haushaltsdebatte unabhängig von Haushaltszahlen führen sollen?
Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Bitte.
Julia Eisentraut (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Nein, aber Sie müssen verstehen, dass sich Digitalisierung nicht nur an Haushaltsmitteln bemisst, sondern es ist auch eine Frage, wie man sie umsetzt. Was Sie in Ihrer Rede vollständig ausgeblendet haben, ist, dass IT-Sicherheit auch eine Frage der Organisation und nicht nur der Mittel ist. Wenn Sie diesen Punkt hier so spielen, sollten Sie wenigstens fachlich vollständig agieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sebastian Watermeier [SPD]: Wir sind in einer Haushaltsdebatte, Frau Kollegin! – Dr. Julia Höller [GRÜNE]: Ich würde mich nicht mit ihr anlegen! – Weitere Zurufe)