Julia Eisentraut: „Um derart vage und zukunftsferne technologische Versprechen abzuwarten, fehlt uns für die Bekämpfung der Klimakrise einfach die Zeit“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Fusionstechnologien

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Kernfusion als Technologie basiert auf der Idee, Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen zu gewinnen. Im Gegensatz zur Kernspaltung, bei der Energie durch Spaltung von Atomkernen gewonnen wird, fallen bei der Kernfusion keine radioaktiven Abfälle an, die endgelagert werden müssen, und die notwendigen Ressourcen gelten als nahezu unerschöpflich.

Diese Vision einer sauberen Technologie begeistert Menschen schon lange. Trotzdem ist die Kernfusion noch weit von der Marktreife entfernt. Zwar meldete die US-amerikanische Forschungseinrichtung National Ignition Facility im Dezember 2022 einen wissenschaftlichen Durchbruch, doch das ändert nichts an der Zukunftsferne.

Denn schauen wir uns genau an, wie viel Energie erzeugt und wie viel Energie dafür insgesamt aufgewendet wurde, dann stellen wir einen Energieverlust von über 90 Prozent fest. Das Experiment hat etwa 170 Kilojoule Energie erzeugt, dafür wurden aber Laser mit 1,9 Megajoule betrieben.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es sich bei der National Ignition Facility um eine militärische Forschungseinrichtung handelt. Professor Dr. Hartmut Zohm, der am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik zu Fusionsreaktoren forscht, sagt sogar Folgendes:

„Aus den Experimenten, die dort gemacht werden, kann man auf jeden Fall auch etwas für die Energiegewinnung durch Kernfusion lernen. Aber das Prinzip, das dort verwendet wird, müsste man grundlegend ändern, wenn man es für die zivile Nutzung anwenden wollen würde.“

Das europäische Forschungsprojekt ITER zielt dagegen unmittelbar darauf ab, die Kernfusion als Energiequelle zu nutzen und den Nachweis zu erbringen, dass Kernfusion auf kommerziell tragfähige Weise möglich ist. Das Projekt bringt Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt zusammen, um die Herausforderungen der Kernfusion zu überwinden. Genau diese transnationale Kooperation statt kleiner, lokaler Initiativen wird gebraucht, um eine vielversprechende Technologie wie die Kernfusion voranzutreiben.

Fusionsenergie wird uns jedoch nicht helfen, die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Wir müssen jetzt schon engagiert mit den vorhandenen Technologien handeln. Selbst optimistischste Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass es noch mindestens 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis die ersten Kernfusionskraftwerke ans Netz gehen.

Um derart vage und zukunftsferne technologische Versprechen abzuwarten, fehlt uns für die Bekämpfung der Klimakrise einfach die Zeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich trotzdem zu.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)