Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Digitale Kompetenzen für Senior*innen sind wichtig, denn Digitalisierung bedeutet heute auch Teilhabe am Leben. Lassen Sie uns mal anhand von vier Beispielen ganz konkret durchgehen, was Teilhabe am Leben durch Digitalisierung für Senior*innen überhaupt bedeutet.
Senior*innen, die digital fit sind, können erstens per Online-Banking ihre Finanzen bequem von zu Hause regeln. Das ist dann besonders wichtig, wenn die letzte Bankfiliale im Dorf schließt, man nicht mehr so mobil ist oder von der nächsten Stadt weit entfernt wohnt.
Ein zweites Beispiel sind soziale Medien und Videotelefonie, die es ermöglichen, mit weit entfernter Familie und weit entfernten Freund*innen in Kontakt zu bleiben. Das ist wichtig, um Einsamkeit und sozialer Isolation zu begegnen.
Drittens erlauben digitale Gesundheitsanwendungen, medizinische Informationen abzurufen, einfach Termine zu vereinbaren oder so etwas wie den Hausnotruf zu bedienen und lange Zeit ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu führen.
Zu all diesen digitalen Kompetenzen gehört viertens die notwendige Medienkompetenz, um beispielsweise nicht den neuen und Künstliche Intelligenz nutzenden Enkeltricks zum Opfer zu fallen, bei denen Stimmen ganz authentisch nachgeahmt werden, sodass man nicht mehr weiß: Telefoniert man gerade mit einem Betrüger oder vielleicht doch mit der eigenen Tochter?
Das alles sind wichtige Bestandteile eines selbstbestimmten Lebens im Alter. Deshalb ist für uns klar: Senior*innen müssen die Chance erhalten, digitale Kompetenzen zu erwerben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Wir müssen dieses Thema aber differenzierter angehen, als das im Antrag passiert, denn es fehlen repräsentative Daten über die Bevölkerungsgruppe der 60- bis 90-Jährigen. Das ist auch das größte Problem dieses Antrags, sind doch die Perspektiven dieser Personen sehr unterschiedlich.
Mit Anfang 60 stehen heute die allermeisten Menschen noch im Berufsleben. Das Berufsleben funktioniert zumeist mit Tablets, Smartphones und Computern. Das heißt: Diese Menschen benutzen in ihrem Alltag schon viele dieser Tools und brauchen vielleicht überhaupt keine Unterstützung dabei, das auch im Alter selbstbestimmt weiterhin zu tun.
Die Menschen, die heute 90 sind, haben allerdings die breite Einführung von Computern im Arbeitsleben verpasst und sich dann vielleicht im Ruhestand in den Weiterbildungseinrichtungen oder im Computercafé um die Ecke selbstständig weitergebildet.
Das heißt: Viele Menschen zwischen 60 bis 90 Jahren liegen mit ihrem Kenntnisstand irgendwo dazwischen.
Wenn wir immer wieder über einen Sparhaushalt diskutieren, so wie in den letzten Tagen, und dieser die Möglichkeit beeinflusst, zusätzlich in die digitalen Kompetenzen von Senior*innen zu investieren, dann ist es doch gut zu wissen, dass das keinen Stillstand bedeutet. Es existiert trotzdem viel Fortschritt, denn Vereine und Initiativen kümmern sich ehrenamtlich darum. Weiterbildungseinrichtungen organisieren total viele Kurse, in denen sich Senior*innen hinsichtlich digitaler Kompetenzen selbstständig fortbilden können, wenn sie das wollen.
Ein weiter wichtiger Punkt ist: Wir dürfen nicht zulassen, dass alles nur noch digital angeboten wird. Uns als Zukunftskoalition ist das klar. Im Koalitionsvertrag haben wir beispielsweise festgehalten, dass der persönliche Zugang zu den Bürgerämtern vor Ort erhalten bleiben muss. Menschen können sich nämlich frei entscheiden, Digitalisierung nicht zu nutzen.
Digitalisierung soll eben nicht das Persönliche ersetzen, sondern dort, wo sie gut eingesetzt ist, Zeit für anderes freiräumen oder neue Möglichkeiten schaffen. Deshalb brauchen wir für alle einen guten Umgang mit Digitalisierung. Das wird durch den vorliegenden Antrag aber nicht ermöglicht. Aus diesem Grund lehnen wir ihn ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)