Julia Eisentraut: „Landeszuschüsse allein können bei diesen unterschiedlichen Handhabungen nicht die Antwort sein“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur "Studentischen Mobilität"

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Es gibt richtige Anliegen und richtige Wege dahin. Beides zusammenzubringen, hat die SPD mit ihren Anträgen nicht geschafft.

(Oho-Zurufe von der SPD)

Das richtige Anliegen ist es, Studierende und Studierendenwerke zu unterstützen. Studieren muss für alle möglich sein und darf nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern. Wenn wir über die Sicherung der Fachkräfte bei Lehrkräften, Ingenieur*innen, Sozialpädagog*innen oder Softwareentwickler*innen sprechen, über das Senken von Abbruchquoten der Hochschulen reden, dann müssen wir zwingend auch über gute Studienbedingungen sprechen.

Ein wichtiger Baustein dafür sind gut aufgestellte Studierendenwerke. Denn wer überlegen muss, wann die nächste Mahlzeit auf den Tisch kommt, wie das Kind betreut wird oder ob die nächste Miete bezahlt werden kann, der kann sich nicht aufs Studieren konzentrieren.

Die Anträge der SPD bieten jedoch nicht mehr als reißerische Überschriften. Das hat keinen Mehrwert. Sie lassen in Ihren Anträgen die komplexe Situation rund um die Studierendenwerksfinanzierung und das Semesterticket völlig aus und werden dieser Debattenlage an keiner einzigen Stelle gerecht. Damit fehlt Ihnen, liebe SPD, an entscheidender Stelle ein differenzierter Blick auf die Sachlage.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Diesen differenzierten Blick liefere ich Ihnen gerne nach. Studierende sind armutsgefährdet. Dabei stellen vor allem Wohnraummangel und damit verbundene hohe Kosten für Wohnungen und WG-Zimmer ein Problem dar. 2022 waren 38,5 % der Studierenden finanziell nicht in der Lage, unerwartet größere Ausgaben zu bestreiten. Ein Viertel der Studierenden insgesamt, mehr als die Hälfte derjenigen, die allein oder in Studierenden-WGs lebten, galt 2021 als überbelastet.

(Dr. Bastian Hartmann [SPD]: Deswegen tun wir jetzt nichts?)

Hinzu kommen hohe Inflation im Lebensmittelbereich und gestiegene Energiekosten. Welche Antworten gab es dazu bereits? Die Bundesregierung hat hierfür mehrere Entlastungspakete zur Unterstützung bereitgestellt: die Heizkostenzuschüsse, die Einmalzahlungen an Studierende, eine BAföG-Reform mit der Steigerung des Förderungshöchstbetrages von 861 Euro auf 934 Euro, eine Erweiterung des Anspruchskreises der Berechtigten. Hier zeigt sich: Entlastungen werden bereitgestellt und auch stetig aufgestockt.

Sie fordern auf Bundesebene selbst auch, dass Studieren nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf. Wissen Sie, was dazu wichtiger ist als der Sozialpreis für die Studierenden? Ein elternunabhängigeres BAföG und eine Fortführung des Notfallmechanismus.

(Beifall von der FDP)

BAföG erreicht zielgerichtet die Studierenden in finanzieller Not.

Liebe SPD, für Sie ist Meckern in der Opposition einfacher, als soziale Gerechtigkeit im Bund mit Ihrem Bundeskanzler umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ihr Antrag hat weitere eklatante inhaltliche Lücken. So zählen Sie zwar alle Leistungen der Studierendenwerke auf, Ihre darauffolgende Rechnung bezieht sich aber nur auf den allgemeinen Zuschuss. Sie berücksichtigen damit nur einen Bruchteil dessen, was das Land an Studierendenwerke zahlt. Gerne schlüssele ich das für Sie im Detail auf. Insgesamt werden 73,4 Millionen Euro für Kosten von Mensen, Personal, BAföG-Verwaltung, psychosoziale Beratung und Bauinvestitionen vom Land an die Studierendenwerke gezahlt. Hinzu kommen staatliche Zuschüsse für Kinderbetreuung in den eigenen Einrichtungen der Studierendenwerke.

Laut der aktuellsten Leistungsbilanz für 2021 lagen diese Kosten bei rund 24,6 Millionen Euro. Auch der Bau und die Sanierung von Wohnraum für Studierende und Auszubildende werden vom Land zusätzlich mit bis zu 150 Millionen Euro pro Jahr aus den Mitteln der Wohnraumförderung bezahlt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Förderbedingungen für die Studierendenwerke haben wir deutlich verbessert und damit gezeigt, dass wir sie dabei unterstützen, noch deutlich mehr günstigen Wohnraum für Studierende zu schaffen. Und es geht noch weiter: 2022 und 2023 erhalten die Studierendenwerke weitere Gelder zur Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Im Rahmen der ersten Tranche des Sondervermögens bekommen sie bis zu 30 Millionen Euro für gestiegene Energiekosten und erhöhte Rohstoff- und Einkaufspreise der Mensen sowie knapp 1,7 Millionen Euro für eine Sicherstellung der unterbrechungsfreien Stromversorgung. Zusammen mit der dreiprozentigen Erhöhung der allgemeinen Zuschüsse ist das für dieses Jahr mehr als ein Inflationsausgleich. Liebe Kolleginnen, das müssen auch Sie anerkennen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die SPD hat noch im September letzten Jahres nur 10 Millionen Euro mehr für den allgemeinen Zuschuss gefordert. Diese haben wir für 2022 und 2023 mit den von uns bereitgestellten Hilfen deutlich übertroffen.

Daher kamen viele Studierendenwerke auch ohne und andere mit nur geringen Erhöhungen des Sozialbeitrags aus. Kein Verwaltungsrat trifft die Entscheidungen für Erhöhungen leichtfertig. Aus der Außenperspektive ist es deshalb nur schwer nachvollziehbar, warum einzelne Studierendenwerke in diesem Semester die Sozialbeiträge, die die Studierenden an sie zahlen, deutlich erhöht haben.

Die Verwaltungsräte waren darüber im Bilde, dass das Land die Studierendenwerke mit weiteren Förderungen unterstützen wird, als sie die Entscheidungen getroffen haben. Trotzdem erwarten wir, dass sich die Verwaltungsräte der betreffenden Studierendenwerke noch einmal eingehend mit der Frage befassen, welche Faktoren die Erhöhungen bedingt haben. Damit bekommen wir die so dringend notwendige differenzierte Debatte, die in diesen Anträgen fehlt. Die Landeszuschüsse allein können bei diesen unterschiedlichen Handhabungen nicht die Antwort sein. In allen Verwaltungsräten haben Studierende vier von neun Sitzen und damit die Möglichkeit, die Diskussion anzustoßen.

Die möglichen Gründe für Steigerungen der Sozialbeiträge durch die Verwaltungsräte dürften vielfältig sein. Wirtschaftliche Unsicherheiten, sinkende Studierendenzahlen, eine geringere Auslastung der Menschen nach Corona, mögliche Tarifabschlüsse, unterschiedliche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen. Das bedeutet andere Bedingungen in puncto Sozialpreissteigerungen.

Warum die Studierendenwerke die Mensapreise zu Beginn des Jahres trotz Hilfen erhöht haben, war auch für uns nicht klar. Das zeigt: Viele Diskussionen über die Gründe der Erhöhung werden und müssen zuerst vor Ort geführt werden. Dass diese Differenzierung von der SPD nicht wahrgenommen oder zumindest in ihrem Antrag nicht behandelt wird, spricht Bände. Liegt es vielleicht daran, dass sich differenzierte Forderungen nicht griffig mit „Kollaps“ betiteln lassen? Es braucht Diskussionen in den Verwaltungsräten über die zukünftige Aufstellung der Studierendenwerke.

Bevor Sie jetzt den nächsten reißerischen Antrag schreiben: Diese Diskussionen laufen bereits. Da gibt es also wenig für Sie zu tun.

Der Antrag zum Semesterticket weist noch größere Lücken in der Ausgangslage auf. Dort fehlen sowohl die bundesweiten Verhandlungen für ein bundeseinheitliches Solidarmodell als auch die vielen Gespräche von Minister Oliver Krischer und seinem Haus mit Studierendenvertretungen. Kein Wunder, vor diesem Hintergrund ergibt nämlich das gesamte Leitbild der SPD, die Landesregierung lasse die Studierenden allein, überhaupt keinen Sinn mehr. Es sind gut gemeinte Anträge in handwerklich schlechter Umsetzung mit reißerischen Überschriften, die die Verantwortung des Bundes für die Studienfinanzierung über BAföG komplett außen vor lassen und die Arbeiten am bundeseinheitlichen Solidarmodell für das Studierendenticket einfach unterschlagen.

Die schwarz-grüne Landesregierung braucht keine Aufforderung, um Politik auf Augenhöhe mit Studierenden und Studierendenwerken zu machen. Ihre affekthaschenden Anträge sind an dieser Stelle unbrauchbar und zeigen nur, wie hilflos die SPD versucht, sich zum unerwünschten Retter aufzuschwingen. Deshalb lehnen wir beide Anträge ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)