Julia Eisentraut: „Genau wie für die Digitalisierung gilt insbesondere auch für künstliche Intelligenz, dass sich das an den Bedürfnissen der Menschen, die dort arbeiten, orientieren muss“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Einsatz von Informationstechnologie (IT) und Künstlicher Intelligenz (KI)

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Wenn mir eines in den letzten Wochen aufgefallen ist, dann, dass künstliche Intelligenz immer wieder als Problemlöser für alles herhalten muss oder als die Zukunftsvision gesehen wird, mit der wir all das, was gerade schiefläuft, beheben können.

Natürlich hat künstliche Intelligenz große Potenziale, auch in Zukunft zu einem guten Arbeiten beizutragen, und sie bietet auch die Möglichkeit, in Zeiten demografischen Wandels Arbeit effizienter zu gestalten.

Mir ist es immer wichtig zu betonen, dass es uns nicht an Ideen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz mangelt. Es passiert viel im Bereich der Digitalisierung und beim Einsatz künstlicher Intelligenz in der Justiz. Das wird aber nichts daran ändern, dass wir Menschen brauchen, die das alles können und die diese Prozesse begleiten.

Genau wie für die Digitalisierung gilt nämlich insbesondere auch für künstliche Intelligenz, dass sich das an den Bedürfnissen der Menschen, die dort arbeiten, orientieren muss.

Künstliche Intelligenz fällt nicht einfach vom Himmel. Mit einer guten Idee ist man von der eigentlichen Umsetzung noch weit weg ,denn im Rahmen von künstlicher Intelligenz braucht es immer und immer wieder das Feedback erfahrener Menschen, die nicht nur fachlich einschätzen können, ob das, was eine KI tut, richtig ist, sondern die auch in dem Sinne grundlegende Kompetenzen darin haben, zu verstehen, wie KI eigentlich funktioniert. Dafür brauchen wir einen ganz strategischen Aufbau. Das wird eine Zeit dauern.

„Künstliche Intelligenz“ klingt immer so, als würde es rein um Computer und Technik gehen. Dabei befinden sich bei allen Künstliche-Intelligenz-Systemen, die wir heute im Einsatz haben, immer wieder Menschen in den Feedbackschleifen. Wir alle reden immer über ChatGPT sowie darüber, Texte zu schreiben, und diskutieren, ob wir das in der Justiz genauso können.

Doch die Wahrheit ist: Auch hinter ChatGPT stehen heute immer noch extrem viele Menschen, die tagtäglich daran arbeiten, dass diese Systeme so sind, wie sie sind. Das bräuchten wir in einem ähnlichen Maßstab dann auch für die Justiz: Menschen, die immer wieder daran arbeiten, dass die Künstliche-Intelligenz-Systeme in der Justiz besser werden. Das ist ein langer Weg.

Wenn wir einen Ideenwettbewerb ausrufen, der die Hoffnung schürt, dass wir mit künstlicher Intelligenz in den nächsten drei Monaten bis zwei Jahren alle Probleme lösen, die wir haben, dann wecken wir Erwartungen, die wir mit künstlicher Intelligenz einfach nicht erfüllen können.

Wenn man sich anschaut, wie lange die Entwicklung all der erfolgreichen Systeme gedauert hat, sieht man: Das waren auch bei ChatGPT und anderen Sachen Zeithorizonte von mehreren Jahren, fünf Jahre, acht Jahre und mehr. Die Forschung in dem Bereich ist noch sehr viel älter als das. Die ist in anderen Bereichen aber nicht da.

Mit einem Ideenwettbewerb, bei dem jetzt schon klar ist, dass wir mit künstlicher Intelligenz und anderen Automatisierungstechniken gar nicht zeitnah zu einer Lösung kommen, frustrieren wir doch die Leute in der Innovation. Wir brauchen die Innovation.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wichtig ist, die Motivation der Leute zu erhalten, aber sie auch da einzusetzen, wo wir sie verwenden können. Das ist eben nicht in einem Ideenwettbewerb für künstliche Intelligenz und IT in der Justiz der Fall. Da haben wir ganz andere Probleme. Wir denken immer, Technologie sei die Wunderwaffe für all unsere Probleme, aber wir müssen einfach damit aufhören, technologische Lösungen auf Probleme zu werfen, die nicht technologischer Art sind. Dafür können wir die Motivation unserer Mitarbeiter*innen, unserer Dritten, einfach sehr viel besser verwenden. Deshalb sprechen wir uns gegen einen Ideenwettbewerb in der Art, wie er hier vorgeschlagen wird, aus. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)