Julia Eisentraut: „Es kostet Zeit, Nerven und Geld, diese Fehler wieder auszubügeln, die die FDP hier hinterlassen hat“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Bauportal.NRW

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Es ist schon schön zu sehen, dass ein Jahr nach der Landtagswahl unser schwarz-grüner Zukunftsvertrag im Digitalbereich so tonangebend ist, dass die FDP hier selbst unsere Vorhaben übernimmt.

Sucht man nämlich im FDP-Wahlprogramm noch vergeblich nach Stichworten wie „Open Source“, enthält dieser Antrag in diesem Bereich zumindest erste gute Ansätze – diese finden sich natürlich auch im schwarz-grünen Zukunftsvertrag –, E-Government-Aufträge des Landes als Open Source zu beauftragen und das auch zu Bedingungen für die finanzielle Unterstützung von Softwareprodukten in Kommunen zu machen.

Diese erste Erkenntnis ist aber leider nicht einmal genug, damit Sie, liebe FDP, Ihre eigenen Ziele erreichen. Ein Blick in Ihr Wahlprogramm verrät beispielsweise, dass Sie sich Once-Only-Dateneingaben für die Verwaltungsdigitalisierung wünschen, dass man also alle Daten nur einmal eingeben muss und diese dann mit verschiedenen Verwaltungsleistungen teilen kann. Dafür braucht es aber mehr als nur Open Source, nämlich standardisierte und offen dokumentierte Schnittstellen und ein aktives Schnittstellenmanagement der Landesregierung. Nur so kann die Interoperabilität von Softwarelösungen verschiedener Anbieter*innen sichergestellt werden. Und ohne Interoperabilität kein Datenaustausch.

Das Gleiche gilt im Übrigen für die Software, die die Kommunen entwickeln. Halten diese die festgelegten Schnittstellen für eigene Softwareprodukte nicht ein, ist kein Datenaustausch möglich, die Nachnutzung in anderen Kommunen deutlich erschwert, da diese andere Fachverfahren nutzen oder nur mit hohen Anpassungskosten möglich ist. Das ist sogar ein zentrales Ergebnis der digitalen Modellregion. Gemeinsame Normen, einheitliche Schnittstellen und Standards sind für die Nachnutzbarkeit für 96 % der befragten Projektpartner*innen eher oder sehr wichtig.

An den digitalen Modellregionen sieht man auch, wie die Strategie im FDP-geführten Digitalministerium der letzten Legislatur war und was passiert, wenn man sich nicht um sinnvolle Förderbedingungen kümmert. 73 Millionen Euro sind aus Landesmitteln und mit der Kofinanzierung der Kommunen sind mehr als 100 Millionen öffentliche Gelder in dieses Projekt geflossen.

Bei den im Abschlussbericht genannten Nachnutzungskosten von Einzelprojekten ist eine flächendeckende Nachnutzung in NRW mehr als fraglich, ein Einzelprojekt beispielsweise mit jährlichen Lizenzkosten von rund 23.000 Euro und 41.000 Euro Investitionskosten pro Kommune – ein Einzelprojekt wohlgemerkt –, ein anderes mit Lizenzkosten von 10.000 Euro, dauerhaft drei Personalstellen und 700 Euro Stromkosten pro Jahr. Die dort entwickelten Produkte müssen die Kommunen teuer einkaufen, anpassen lassen, oder sie werden gleich neue Produkte in Auftrag geben, weil eingesetzte Fach- und Verwaltungsverfahren heterogen sind.

Wie müsste so etwas stattdessen funktionieren? Wir brauchen eine klare Bestandsaufnahme über eingesetzte Fach- und Verwaltungsverfahren. Die zentralen Fragen sind: Welche Nutzungsvoraussetzungen gibt es? Wie hoch sind mögliche Lizenzkosten? Was ist mit Wartungs- und Change-Request-Kontingenten der Kommunen? Welche Schnittstellen bedient die Software überhaupt?

Dafür braucht es eine enge Zusammenarbeit in allen diesen Fragen mit den kommunalen Spitzenverbänden. Dann hätte man sich auf einen Weg einigen müssen, wie man Fach- und Verwaltungsverfahren untereinander kompatibel macht. Parallel dazu hätte man die Digitalkompetenzen in den Kommunen stärken können, genau wie wir das als Zukunftskoalition auch vorhaben. Genau dies ist auch eines der zentralen Anliegen der kommunalen Spitzenverbände.

Dann hätte man für die Digitalmodellregionen tatsächlich auch Kompatibilität von Schnittstellen und Standards zur Bedingung machen müssen und gleichzeitig die richtig ausgebildeten Personen in den Verwaltungen gehabt, um Mittler*innen zwischen IT und Verwaltung zu sein. Das ist Arbeit – das ist mein Eindruck –, die sich das FDP-geführte Ministerium in der letzten Wahlperiode scheinbar nicht machen wollte.

Digitalisierung braucht solche ganzheitlichen Ansätze. Da helfen auch die vielen FDP-Anträge zu einzelnen OZG-Leistungen nichts – ganz im Gegenteil.

(Christian Dahm [SPD]: Wo bleibt der Blick nach vorne?)

Sie sind Ausdruck dessen, warum wir in NRW erst mit unserer schwarz-grünen Zukunftskoalition mit einer medien-profilen digitalen Verwaltung beginnen.

Am Anfang macht man mit Einzelprojekten nämlich schnellen Fortschritt. Damit konnte sich das FDP-Ministerium zur Schau stellen. Langfristig stellt man fest, dass Fach- und Verwaltungsverfahren nicht zusammenpassen, Voraussetzungen zum Weiterbetrieb fehlen und Systeme nicht miteinander kommunizieren können.

Es kostet Zeit, Nerven und Geld, diese Fehler wieder auszubügeln, die die FDP hier hinterlassen hat.

Der Ausschussüberweisung stimmen wir selbstverständlich trotzdem zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)