Julia Eisentraut: „Der Antrag ist zu einer Hälfte abgeschrieben und zur anderen überaltert“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zum Übergang von der Schule an die Hochschule

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Mir bleibt zu Beginn nur festzustellen: Unsere schwarz-grünen Anträge der letzten Wochen haben anscheinend einen positiven Eindruck bei der SPD hinterlassen.

(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Köstlich!)

Die vielen übernommenen Forderungen lassen für mich keinen anderen Schluss zu.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Sie hätten allerdings besser abschreiben sollen. Wir waren nämlich um einiges detaillierter als Sie, beispielsweise bei der Weiterentwicklung von Vorkursen, bei der Vernetzung der zentralen Studienberatungen, Initiativen wie ArbeiterKind.de und Talentförderung. Dort haben wir sogar einen qualitativen und quantitativen Ausbau gefordert, was keinen Eingang in Ihren Antrag gefunden hat.

All das – der Kollege Tigges hat es schon gesagt – sind Forderungen aus unserem schwarz-grünen Antrag zur Fachkräftesicherung im MINT-Bereich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist schön, dass Sie sich jetzt Ihre Teilnahmeurkunde für ChatGPT im Bildungsbereich abholen. Auch das haben wir für Schulen, Hochschulen und Weiterbildung bereits im letzten Plenum ausführlich debattiert und eingebracht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit kann man das Ganze aber auch positiv sehen. Ihr Antrag hat einige gute Ansätze. Der Mathematikvorkurs für Informatiker*innen hat mich an meiner Heimatuni mein ganzes Studium begleitet.

(Zuruf von der CDU)

Ich habe das erst als studentische Tutorin getan, am Ende meines Studiums als Dozentin. Später habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin leidenschaftlich gern hochschuldidaktische Fortbildungen besucht.

Genau deshalb wundere ich mich inhaltlich über viele Ihrer Forderungen in diesem Antrag. Wie kommen Sie darauf, dass mehr akademische Lehrkräfte automatisch dazu führen, dass die Studienabbruchquote gesenkt wird? Gerade in der Studieneingangsphase kommt es viel stärker auf das Peer Learning an. Peer Learning meint hier die Betreuung durch fortgeschrittene Studierende. Das ist in vielen Fächern seit Jahrzehnten üblich und gut so.

Vor allem bei Vorkursen ist das der Fall. Denn die Studierenden beschweren sich nicht, wie in Ihrem Antrag genannt, über die unterschiedliche Vorbereitung verschiedener Schulformen oder durch die unterschiedlichen Bundesländer, sondern darüber, dass es schwierig ist, in einer neuen Stadt anzukommen, neue Menschen kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, sich an das Lehren und Lernern an der Uni zu gewöhnen, Arbeiten und Studieren zu vereinbaren oder den familiären Verpflichtungen nahezukommen.

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Frau Kollegin Eisentraut, es liegt eine Zwischenfrage von dem Abgeordneten Herrn Ott vor. Möchten Sie die zulassen?

Julia Eisentraut (GRÜNE): Ich führe das erst zu Ende. Dann kann er sich am Ende gern noch mal melden.

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: So machen wir das.

Julia Eisentraut (GRÜNE).: Ich wundere mich außerdem über Ihre Forderung zur Qualität der Lehre. Die Orientierung der Hochschullehre an den Bedürfnissen der Studierenden ist ohne Frage wichtig. Wie sieht Ihr konkreter Vorschlag jenseits von Qualifizierung durch die hochschuldidaktischen Zentren im Rahmen der Hochschulautonomie aus? Schon heute sind die Fortbildungen auf Studierendenzentrierung aus. Das alles, von Kompetenzorientierung bis Flipped Classroom, ist bereits heute ein Schwerpunkt der hochschuldidaktischen Weiterbildung.

Bei den letzten beiden Forderungen frage ich mich, wann Sie zuletzt in die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz geschaut haben. Die KMK definiert seit mindestens 20 Jahren Bildungsstandards mit einem Kompetenzmodell. Ich überlasse es an dieser Stelle den Zuhörer*innen, zu bewerten, ob das jetzt so modern und neu ist.

Bekannt ist auch, dass die Ansprüche der Hochschulen deutlich über dem liegen, was die Schulen im Endeffekt zu leisten vermögen. Die Debatte ist schon alt.

DER SPIEGEL schrieb im Jahr 2002:

„Das Abi war einmal der Garantieschein für eine sichere Zukunft. Doch heute sprechen Professoren den meisten Abiturienten die Studierfähigkeit ab. Viele wollen sich die Erstsemester künftig selbst aussuchen. Die Schule muss dagegen nicht nur die Prüfungen, sondern auch sich selbst grundlegend reformieren.“

Auch Ihre Forderung nach fächerverbindendem Lernen ist nicht neu. Schüler*innen sollen so selbstständig lernen, zu lernen. Schüler*innen lernen das heutzutage im Fachunterricht in allen Fächern. Schon in der 5. Klasse müssen sie selbstständig Themen erarbeiten und präsentieren.

Man kann also zusammenfassen: Der Antrag ist zu einer Hälfte abgeschrieben und zur anderen überaltert. Aber vielleicht können wir ja im Ausschuss in der Diskussion noch ein paar gute Punkte darin finden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Vielen Dank. – Es lag noch die Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Kollegen Ott vor, die ich gern noch, wenn Sie es erlauben, freischalte. – Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Jochen Ott (SPD): Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Frau Kollegin, auch herzlichen Dank, dass Sie diese Frage am Ende zulassen. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Grünen in der Regierung, im Schulministerium dann auch dafür sorgen würden, dass das Letztgesagte, zum Beispiel fächerübergreifender Unterricht, erlaubt wird.

Meine Frage lautet jedoch, ob Ihnen bekannt ist, dass die Ministerin in beiden Ausschüssen Anfang des Jahres beim Thema „ChatGPT“ zum Besten gegeben haben, dass das Prinzip noch nicht so weit sei und man sich damit Zeit lassen könne.

(Beifall von der SPD)

Ich kann es auch konkreter fassen: Die Abteilungsleiterin im Schulministerium hat uns in der Ausschusssitzung erklärt, die Lehrer hätten das alles im Griff, und man müsse sich nicht kümmern, weil das Programm noch nicht ausgereift sei. Ist Ihnen das bekannt?

Julia Eisentraut (GRÜNE): Wir hatten diese Diskussion bereits in der letzten Plenardebatte. Ich bin kein Mitglied des Schulausschusses, sondern ich bin Mitglied des Wissenschaftsausschusses. Ich gehe davon aus, dass Sie die Wissenschaftsministerin meinen, wie es bei Ihrem Kollegen Herr Dr. Hartmann in der letzten Debatte auch schon der Fall war.

Ich wundere mich immer, wie falsch man Debatten wiedergeben kann.

(Jochen Ott [SPD]: Das steht im Protokoll!)

Wir haben darüber diskutiert,

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Das können Sie nachlesen!)

dass wir jetzt handeln müssen. Wir müssen jetzt handeln und unser Schulsystem und unser Hochschulsystem fit dafür machen.

(Zuruf von der SPD: Lesen Sie das Protokoll!)

– Genau das stand das letzte Mal in unserem Antrag. Wir müssen uns diesen Fragen jetzt widmen.

Wir brauchen aber ganz klar keine Panik. Panik ist in dieser Situation das Falsche.

(Jochen Ott [SPD]: Panik haben Sie gerade, weil Sie das nicht erklären können!)

Wir werden immer wieder in Situationen kommen, dass uns die Technik überholt und dann mit der neuen Technik neue Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Genau dafür werden wir unsere Bildungseinrichtungen entlang der ganzen Kette fit machen.

(Jochen Ott [SPD]: Es steht im Protokoll des Schulausschusses!)

Es spielt keine Rolle, ob Ihnen das passt oder nicht, denn so ist es. So stand es in unserem Antrag. Es würde vielleicht helfen, unsere Anträge ab und zu mal zu lesen.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)