Julia Eisentraut: „Damit wir die Chancen von Künstlicher Intelligenz besser nutzen können, brauchen wir die richtigen Voraussetzungen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Einsetzung einer Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz"

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! „Künstliche Intelligenz“ ist ein großer Begriff, hinter dem sich ganz unterschiedliche Methoden verbergen. KI kann uns helfen, Reden zu schreiben, Mails zu beantworten oder einfach nur die Spam-E-Mails in den Spam-Ordner zu verschieben. Auch bei den Beispielen, die im Einsetzungsantrag zur Enquetekommission genannt werden, sind ganz unterschiedliche Arten von Künstlicher Intelligenz nötig.

Lassen Sie uns einfach ein paar Beispiele durchgehen.

Erstens: Klassifikation, also das Einteilen von Daten in verschiedene Kategorien. Sie kann beispielsweise dazu genutzt werden, auf Bildern Personen von Tieren zu unterscheiden und so der Polizei bei der Sichtung von Daten zu helfen. Eine andere Art von Klassifikation ist die Einteilung von Anträgen in „abgelehnt“ und „genehmigt“, also klassisches Verwaltungshandeln. Vereinfacht heißt das: Bei Klassifikationen gehen Daten rein, und am Ende kommen Kategorien raus.

Das zeigt ganz klar, dass Künstliche Intelligenz keine Blackbox sein darf, sondern dass am Ende Menschen informiert darüber entscheiden können müssen, ob das, was passiert ist, sinnvoll ist.

Das zweite Beispiel ist Clustering. Beim Clustering werden Daten in Gruppen zusammengefasst, die möglichst ähnlich zueinander und möglichst verschieden zu allen anderen Gruppen sind. Das lässt sich beispielsweise in der Stadtreinigung anwenden, um Müll-Hotspots zu identifizieren und vielleicht herauszufinden, ob es an der Fast-Food-Kette um die Ecke oder an fehlenden Mülleimern liegt.

Das dritte Beispiel, das wir alle gut kennen, ist generative KI, also so etwas wie ChatGPT, womit wir Chatbots gestalten können. Der Begriff kommt daher, dass die gleiche Art von Daten, die zum Training verwendet wird, auch wieder rauskommt. Also: Texte kommen rein, Texte kommen wieder raus.

Zu oft denken wir jedoch an Künstliche Intelligenz, obwohl einfachere Formen von Digitalisierung ausreichen.

Ein Beispiel dafür ist die Automatisierung in der Verwaltung. Dafür ist KI nicht unbedingt notwendig. Überspitzt formuliert: Warum brauchen wir ChatGPT zum Ausstellen eines Angelscheins oder um den Personalausweis zu beantragen? Eine solide Digitalisierung ist dort ausreichend. Solide Digitalisierung ist außerdem die Grundlage jedes Einsatzes Künstlicher Intelligenz.

Die Veröffentlichung von ChatGPT 3.5, also der Version, die weltweit den KI-Hype angeheizt hat, ist jetzt gut zwei Jahre her. Tech-Enthusiasten haben die große Revolution vorhergesagt. Es bewahrheitet sich aber etwas, was ich hier im Parlament ganz zu Anfang gelernt habe: Technologischer Wandel mag schnell sein, gesellschaftlicher Wandel braucht seine Zeit.

Hand aufs Herz: Wie sehr hat sich Ihr Leben in den letzten zwei Jahren durch den Einsatz von ChatGPT verändert? Ich erzähle Ihnen mal von meinem Tag. ChatGPT hat heute Morgen weder meinen Kaffee gekocht noch meine Pflanzen gegossen, mich zum Zug gebracht oder diese Rede geschrieben. Gut, ChatGPT hat am Ende über die Rede drübergeschaut.

KI ist in unserem Leben aber trotzdem ein ständiger Begleiter: auf meinem Smartphone, das ich hier für die Rede nutze, bei der Navigation, bei der Sprachsuche oder auch bei den Snapchat-Filtern, die man gerne mal einsetzt.

Damit wir die Chancen von Künstlicher Intelligenz besser nutzen können, brauchen wir die richtigen Voraussetzungen in Bildung, Forschung, Staat, Wirtschaft, in den Köpfen der Menschen, aber auch in der Infrastruktur, auf der wir sie betreiben.

Liebe Kolleginnen von CDU und FDP, Sie wollen diese Enquetekommission gemeinsam leiten. Die SPD fragte eben schon witzelnd, ob das jetzt einen Koalitionsstreit bedeute. Nein, ganz und gar nicht. Es zeigt nur, dass wir als Zukunftskoalition konstruktiv mit der Opposition zusammenarbeiten können – ganz anders, als es die SPD gerne mal behauptet.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich habe noch eine kurze weitere Bemerkung. Ich finde es schön, dass Sie die Enquetekommission in einer Doppelspitze leiten wollen. Es ist ein bei uns Grünen schon lange gelebtes Modell. Schön, dass es jetzt endlich auch bei Ihnen Anklang findet.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Heiterkeit von der CDU – Heiterkeit Franziska Müller-Rech [FDP])

Ich verspreche Ihnen eine realistische Einschätzung, technische Genauigkeit, kritische Fragen in Bezug auf die Umsetzbarkeit und Leidenschaft für das Thema. Das bringe ich gerne in diese Enquetekommission ein. Ich freue mich auf die konstruktive Zusammenarbeit und auf viele spannende Diskussionen darüber, wie wir das Leben der Menschen in Nordrhein-Westfalen mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz wirklich besser machen. Wir stimmen natürlich zu. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Franziska Müller-Rech [FDP])