Jule Wenzel: „Wer hat es erfunden? Die Ampel“

Zur Aktuellen Stunde unter anderem auf Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zur Pflegeausbildung

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich finde es immer gut, wenn eine Aktuelle Stunde zur Pflege auf der Tagesordnung steht. Noch mehr habe ich mich darüber gefreut, dass Sie auch einen sozialpolitischen Aspekt in die Aktuelle Stunde hineingebracht haben.

(Thorsten Klute [SPD]: Hätten Sie auch machen können!)

Darauf gehe ich gleich näher ein.

Allerdings finde ich, dass sich gerade die SPD in der Debatte auf der Stelle bewegt.

(Zuruf von Rodion Bakum [SPD])

– Ich komme gleich zu Ihnen, Herr Klute.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das war Herr Bakum!)

Ich frage mich immer wieder, wie wir junge Menschen motivieren können, eine Ausbildung in der Pflege aufzunehmen, wenn die Arbeitsbedingungen in der Pflege in diesem Parlament konstant schlechtgeredet werden. Welches Signal senden wir an junge Menschen, die gerade dabei sind, sich für eine Ausbildung zu entscheiden? Ich finde, die SPD sendet da kein gutes Signal.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte kurz auf den Vorwurf eingehen, wir würden mit statistischen Tricks arbeiten. Der Minister und die Vorredner*innen, Herr Hagemeier, Herr Mostofizadeh, Frau Oellers, haben das schon sehr deutlich gemacht. Ich möchte das Bild auch für Frau Schneider genauer einordnen.

Wir haben seit 2010 wegen des demografischen Wandels auch insgesamt sinkende Auszubildendenzahlen, nämlich seit 2010 bundesweit etwa 300.000 weniger. Dass wir trotzdem in Nordrhein-Westfalen in absoluten Zahlen die Anzahl der Auszubildenden in der Pflege erhöhen konnten, ist doch eine Leistung, eine wirklich große Leistung, die wir da erbracht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Thorsten Klute [SPD]: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt!)

Entschuldigung, worüber reden wir? Wer hier die Zahlen verdreht, ist sehr eindeutig.

(Thorsten Klute [SPD]: Alles super!)

Als ich den Artikel, den die SPD zur Begründung der Aktuellen Stunde herangezogen hat, gelesen habe, gab es bei mir ein paar Fragezeichen. Ich bin froh, dass Sie, Frau Kollegin Kapteinat, hier aufgeklärt haben. Denn für uns besteht erst einmal kein Widerspruch zwischen sozialer Bedürftigkeit und Pflegebedürftigkeit. Dass Menschen, die sich aufgrund von Inflation in finanziell schwierigen Lagen befinden, sich öfter zu ihren Pflegeansprüchen beraten lassen und damit ihre Rechte wahrnehmen, ist doch etwas Gutes.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Denn seit der Reform hinsichtlich der Pflegestufen bzw. Pflegegrade gibt es zielgerichtete Angebote, um gepflegt zu werden. Dafür bin ich sehr dankbar.

Lassen Sie mich die Debatte um die Dimension „Altersarmut“ ergänzen. Das ist ja in dem Artikel, den Sie angeführt haben, auch ein Argument gewesen. Ich möchte hierzu noch ein paar Dinge sagen.

Wir sollten uns alle miteinander damit beschäftigen, dass die Grundsicherung im Alter weiter stabil gehalten und an die Inflation angepasst wird. Dass das Thema „Altersarmut“ auch eine gleichstellungspolitische Dimension hat und dass gerade Frauen von Altersarmut proportional stärker betroffen sind, müssen wir auch in den Blick nehmen. Equal Pay und die gerechte Verteilung von Sorgearbeit muss unser Ziel sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist wichtig, dass wir den Einsatz von pflegenden Angehörigen auch weiter bei der gesetzlichen Rente berücksichtigen, damit diese durch ihre Pflegeleistungen, die sie jeden Tag für unsere Gesellschaft erbringen, nicht in Altersarmut enden und sich Altersarmut somit reproduziert. Ich würde mich freuen, wenn wir auch weiter auf Bundesebene eine Diskussion darüber führen, wie wir das noch stärker wertschätzen können. Wir Grünen stehen dafür bereit.

Liebe SPD, bei mir gibt es noch ein Fragezeichen hinsichtlich der Forderung, die Sie direkt aus dem Artikel entnehmen, nämlich der nach Videobegutachtungen und Telefoninterviews. Die strenge Reglementierung, die Sie da anstrengen wollen, ist Bundessache. Aber da war doch was. Dort wurden nämlich zuletzt durch das Pflegeunterstützungs- und Pflegeentlastungsgesetz sowie das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens – immer lange Namen, ich weiß – Videobegutachtungen grundsätzlich auf den Weg gebracht. Wer hat es erfunden? Die Ampel. Von daher würde ich jetzt gerne vom Redepult wegtreten, Herr Klute, Ihnen persönlich die Hand geben und uns zu diesem riesigen Erfolg beglückwünschen.

(Beifall von den GRÜNEN – Thorsten Klute [SPD]: Wir können uns auch umarmen!)

Das zeigt doch: Die Ampel kann auch selbstwirksam sein.

Sie haben eine wichtige Frage aufgemacht, Herr Klute, nämlich: Wer kann sich Pflege eigentlich noch leisten? Da wollen Sie jetzt eine Bundesratsinitiative der schwarz-grünen Landesregierung anstrengen. Wir als Grüne wären dabei. Vielleicht können Sie das ja mal auf dem nächsten SPD-Bundesparteitag ansprechen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Klar ist: Wir brauchen sektorübergreifend ein gut verzahntes Angebot und müssen aufgrund des demografischen Wandels neue Formen der Versorgung erproben. Die Versorgung im Quartier ist von höchster Bedeutung. Deswegen haben wir als schwarz-grüne Koalition die Gesundheitsregionen als unser Projekt eingeführt, um diese neuen Formen zu erproben, damit die sozialpolitische Dimension, nämlich „Wie funktioniert das in der Nachbarschaft? Wie sind die Wege? Wie können Menschen selbstständig und selbstbestimmt leben?“, bei der pflegerischen Versorgung von Menschen mitgedacht werden.

Darüber hinaus haben wir uns zu den Community Health Nurses bekannt. Sie wollen ja immer die GemeindeschwesterPlus voranbringen. Wir finden die Community Health Nurses besser. Sie sind besser ausgebildet,

(Zuruf von Lena Teschlade [SPD])

sie müssen nicht fragen, wenn sie Behandlungen vornehmen. Das sind die Hausärztinnen der Zukunft. Das ist ein wirklich gutes Projekt, das diese Landesregierung angehen wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und bin gespannt auf den weiteren Verlauf.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mehr zum Thema

Pflege, Soziales