Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Hinter uns liegen aufreibende Wochen, denn die Lage bei den öffentlichen Haushalten ist schlecht. Durch Krieg, Klimakrise und Investitionsstau leben wir in Zeiten mit riesigen Aufgaben, aber knappen Kassen. Die Steuereinnahmen steigen nicht stark genug, um all das, was jetzt nötig ist, zu finanzieren. So kam es bereits bei der Aufstellung des Haushalts zu Einsparnotwendigkeiten von 3,6 Milliarden Euro.
Es gab aber auch die guten Nachrichten, und dies auch im Haushaltsentwurf des Arbeits-, Gesundheits- und Sozialministeriums: keine nennenswerten Kürzungen bei der Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, Investitionen in überbetriebliche Bildungsstätten und massive Unterstützung in der Pflegeausbildung für die so händeringend gesuchten Pflegekräfte.
Lassen Sie mich hier klar sagen: Niemand von uns will im sozialen Bereich kürzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die krasse Haushaltslage hat uns vor diese schlimme Aufgabe gestellt. Wir mussten Prioritäten setzen. Den gesamten sozialen Bereich konnten wir nicht ausnehmen, aber wir konnten die Härten abfedern.
Eine starke soziale Infrastruktur ist für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft essenziell. Zum Selbstverständnis der Menschen in unserem Land gehört, dass wir uns gegenseitig zuhören, dass wir uns helfen und unterstützen. An diesen Unterstützungsleistungen haben die Beratungsstellen und die Einrichtungen in unserem Land einen maßgeblichen Anteil. In einer schwierigen Finanzlage ist es uns in einer Kraftanstrengung gelungen, für den sozialen Bereich insgesamt …
(Lena Teschlade [SPD] spricht mit anderen Abgeordneten.)
Hören Sie uns vielleicht kurz zu, Frau Kollegin Teschlade? Dann machen Sie es das nächste Mal richtig.
(Beifall von den GRÜNEN – Kirsten Stich [SPD]: Unverschämtheit! – Zuruf von Lena Teschlade [SPD])
… 43 Millionen Euro mehr Geld zur Verfügung zu stellen, als im Haushaltsentwurf zunächst vorgesehen war: durch Umschichtungen im Haushaltsentwurf mehr als 12 Millionen Euro, davon 7,5 Millionen Euro im vorliegenden Einzelplan des MAGS, in Projekten über den ESF mehr als 11 Millionen Euro sowie durch den Präventionsbereich im Maßnahmenpaket nach Solingen mehr als 19 Millionen Euro. Wir haben gemeinsam wirklich jeden Euro umgedreht, um das möglich zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Lena Teschlade [SPD])
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten genau zugehört: den lauten wie auch den leisen Tönen, denen, die sich für diejenigen in unserer Gesellschaft einsetzen, die Hilfe brauchen, und den Betroffenen selbst, denn Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung findet meist im Stillen statt.
Liebe Kolleg*innen, NRW ist und bleibt ein soziales Land.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Wir machen es uns auch in schwierigen Zeiten nicht einfach und schauen genau auf alle Bereiche der sozialen Infrastruktur.
Unser Paket macht im Einzelplan 07 6 Millionen Euro für soziale Beratung von Geflüchteten möglich, 5,3 Millionen Euro für ehrenamtliches Engagement zur gelingenden Integration, 5,2 Millionen Euro für Radikalisierungs- und Extremismusprävention und 1 Million Euro für Peer-to-Peer-Projekte. Durch Umschichtungen im Haushaltsentwurf können wir die Familienberatung wieder mit zwei Millionen Euro mehr unterstützen. Bei der Schuldnerberatung haben wir die Kürzungen mit 286.000 Euro sogar komplett zurückgeholt. Gleiches gilt für den Gewaltschutz von Frauen und ihren Kindern.
Im Einzelplan 04 – Justiz konnten wir 500.000 Euro mehr für den Täter-Opfer-Ausgleich bereitstellen.
(Lena Teschlade [SPD]: Zum Thema reden!)
Im Bereich des MAGS, über den wir gerade debattieren, konnten wir die Landeszuweisung an die Freie Wohlfahrtspflege wieder um 500.000 Euro aufstocken. Eine große Rücknahme der Kürzungen gab es bei den Aidshilfen. Hier haben wir 1,2 Millionen Euro von 1,6 Millionen Euro an Kürzungen zurückgeholt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bei der Armutsbekämpfung haben wir die Mittel um 1,6 Millionen Euro wieder aufgestockt. Uns ist es wichtig, Armut nicht nur zu lindern, sondern zu bekämpfen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Zudem liegen in der Ergänzungsvorlage der Landesregierung Verbesserungen in Höhe von 2 Millionen Euro für die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen vor. Im ESF wollen wir KAoA auffangen, die Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung auffangen, die Kompetenzzentren „Selbstbestimmt leben“ und auch die Transformationsberatungsstelle beim Deutschen Gewerkschaftsbund unterstützen.
(Zuruf von Lena Teschlade [SPD])
Liebe Kolleg*innen, um unsere soziale Infrastruktur auskömmlich zu finanzieren, brauchen wir andere finanzielle Grundlagen. Wenn die Opposition jetzt von Schatztruhen im Haushalt spricht und davon, dass wir in diesem Haushalt keine Not hätten, dann führt sie die Öffentlichkeit in die Irre.
(Christian Dahm [SPD]: Reptilienfonds!)
Sie muss schon sagen, ob sie bei gebundenen Mitteln aus Selbstbewirtschaftungsmitteln, bei Hochwasserschutz, bei Krankenhäusern, bei Kitas oder beim Breitbandausbau den Rotstift ansetzen will. So ehrlich muss sie sich hier machen. Alles andere ist eine Täuschung.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Christian Dahm [SPD])
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal ganz klar sagen, kein Bürger und keine Bürgerin in diesem Land hat Bock darauf, dass ständig die Verantwortung für unsere schlechte finanzielle Ausstattung hin und her geschoben wird.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ihr schiebt doch die Verantwortung weg!)
Es betrifft Menschen, wenn Brücken kaputt sind, Schulen nicht saniert werden oder die soziale Infrastruktur nicht gut ausgestattet ist. Lassen Sie uns also Schluss damit machen, über die Schuldenbremse zu sprechen, als wären wir auf dem Fußballplatz. Lassen Sie uns Schluss mit D-Day-Papieren machen oder damit, ständig – egal auf welcher Ebene und in welcher Farbenlehre – Haushaltsoptionen wie Investitionsfonds vor Verfassungsgerichten wegzuklagen.
Die Bürger*innen dieses Landes haben es verdient, dass wir über Lösungen sprechen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)