Jule Wenzel: „Lassen Sie uns also weiter geschlossen gegen die Klimakrise und gegen Lohnarmut vorgehen!“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu Zweitjobs

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! In einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2019 gab ein Drittel der Befragten an, 50 Wochenarbeitsstunden und mehr zu arbeiten, weitere 13 % gaben an, über 60 Wochenarbeitsstunden zu leisten. 16 % gaben an, keine vertraglich festgelegten Arbeitszeiten zu haben.

Hieran zeigt sich: Das ist die Realität in der Mehrfachbeschäftigung. Sie wirkt sich nicht nur krass auf die individuelle Lebensgestaltung aus, sie hat auch Auswirkungen auf Arbeitsschutz und Gesundheit.

Aber die Lage ist komplex. Von Mehrfachbeschäftigung mit zwei abhängigen Jobs bis zu Hybridarbeitsmodellen, in denen entweder die Haupt- oder Nebenbeschäftigung in Selbstständigkeit oder Crowdworking ausgeführt wird, oder auch bei der Anstellung als Übungsleiter stecken hinter den Zahlen viele Gründe, zwei Jobs nachzugehen.

Klar ist: Die Entscheidung zur Mehrfachbeschäftigung oder Hybridbeschäftigung sollte in unserer Gesellschaft jede und jeder frei treffen können. Der Zwang, mehrere Jobs anzunehmen, darf in unserem reichen Land nicht die Regel sein. Jeder Mensch muss von seinem Lohn leben können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das beste Mittel gegen Lohnarmut ist tatsächlich ein Mindestlohn, der sich an den Lebenshaltungskosten orientiert, den nicht nur die SPD auf Bundesebene eingeführt hat, sondern wir Grüne in der Ampelkoalition waren genauso wie die FDP sehr froh, daran mitgewirkt zu haben. Diese Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro kann aber aufgrund der aktuellen Lage nur ein erster Schritt gewesen sein.

Deswegen ist es gut und richtig, dass die Mindestlohnkommission Ende des Monats einen neuen Vorschlag zum Mindestlohn unterbreiten wird. So lässt sich auch ein sehr erfolgreicher Weg fortsetzen; denn die erste Erhöhung des Mindestlohns hat den Niedriglohnsektor von 19 % auf 15 % geschrumpft.

Wie bereits von meinen Vorredner*innen erwähnt, ist auch die Tarifbindung von hoher Bedeutung, um Lohnarmut vorzubeugen. Auch sie muss wieder deutlich steigen, statt wie in den letzten Jahren stetig zurückzugehen. Eine Tarifbeschäftigung bietet Sicherheit in unsicheren Zeiten. Eine verbindliche Sozialpartnerschaft mit Flächentarifen und starken Gewerkschaften wirkt wie kein anderes Mittel gegen prekäre Beschäftigung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber auch wir in der Politik sind gefordert, gute Rahmenbedingungen in der Aus- und Weiterbildung zu schaffen. Der Kabinettsentwurf der Bundesregierung geht da einen guten Weg. Mit einer Ausbildungsgarantie und einem Weiterbildungs- und Qualifizierungsgeld beispielsweise für Branchen, die in der sozialökologischen Transformation stecken, sichert es Beschäftigung und Aufstieg.

Wir von der schwarz-grünen Koalition unterstützen außerdem die Kindergrundsicherung, die Familien endlich unbürokratisch entlasten wird, und hoffen in dieser Sache auch sehr auf die Unterstützung von der SPD auf Bundesebene.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auf Landesebene ergänzen wir diese Maßnahmen im Rahmen der Fachkräfteoffensive beispielsweise durch das Programm „Ausbildungswege NRW“, das 10.000 Jugendlichen in unserem Land ein Angebot auf Ausbildung vermitteln soll.

Auch unser Antrag auf verbesserte Berufsanerkennung schließt eine Gerechtigkeitslücke. Wer in dem Beruf arbeiten darf, in dem er oder sie ausgebildet wurde, ist besser vor prekärer Beschäftigung geschützt.

Wir stehen entschlossen gegen Ausbeutung, egal ob in der Haupt- oder in der Nebenbeschäftigung. Seit Einführung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes setzen wir gezielt auf Schwerpunktkontrollen in prekären Branchen. Auch die Beratungsstellen Arbeit weiten wir in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Sozialfonds aus, damit Beschäftigte eine Anlaufstelle haben, in der sie sich über ihre Rechte informieren und Beistand finden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratische Fraktionen, die antragstellende Fraktion hat mit dieser Aktuellen Stunde keine Lösung für die aktuellen Herausforderungen aufgezeigt. Ein plumpes „Steuern runter, Klimawandel existiert nicht, in China werden Kohlekraftwerke gebaut“ verkennt die aktuelle Lage, in der wir uns befinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir setzen daher als demokratische Fraktion sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene auf eine verlässliche Transformation, auf verlässliche Investitionen in unsere soziale Infrastruktur und in unsere Daseinsvorsorge; denn wir schreiten solidarisch voran, damit die Transformation gerecht gelingen kann. Lassen Sie uns also weiter geschlossen gegen die Klimakrise und gegen Lohnarmut vorgehen! Wir können das sowieso besser.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)15

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