Jule Wenzel: „Ich bin erleichtert, dass das Bürgergeld endlich an den Start gehen kann“

Zum Eilantrag der SPD-Fraktion zum Bürgergeld

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Ich bin sehr froh, dass im Vermittlungsausschuss gestern eine Kompromisslösung für das Bürgergeld erarbeitet wurde und wir damit die Chance haben, noch zum neuen Jahr diesen Paradigmenwechsel in der Arbeits- und Sozialpolitik auf den Weg zu bringen. Damit ist auch klar: Der Antrag der SPD-Fraktion ist seit gestern gegenstandslos.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte aber trotzdem die Gelegenheit nutzen, Ihren Antrag zu bewerten. Taktisch kann ich das ja nachvollziehen, liebe Kolleg*innen von der SPD. Allerdings haben Sie doch lange genug selbst in Koalitionen regiert, um zu wissen, wie das Gesetzgebungsverfahren zwischen Bund und Ländern abläuft. Als Koalition haben CDU und Grüne in NRW auch hier im Parlament transparent gemacht, dass wir beim Bürgergeld auseinanderliegen. Dies ist auch in anderen grünmitregierten Landesregierungen der Fall. Gestatten Sie mir aber, hinzuzufügen, dass sich beim Bürgergeldverfahren auch von der SPD mitregierte Bundesländer aufgrund der Uneinigkeit innerhalb ihrer Koalitionen im Bundesrat enthalten mussten.

(Beifall von den GRÜNEN und Fabian Schrumpf [CDU])

Dazu gehören die sogenannten Keniakoalition in Brandenburg und Sachsen, sowie die sogenannte Deutschlandkoalition in Sachsen-Anhalt, deren Stimmen im Bundesrat zur Verabschiedung des Gesetzes ebenfalls gefehlt haben. Außerdem ist da ja noch die Tatsache, dass die SPD im Bund in letzten 13 der vergangenen 17 Jahre die Arbeits- und Sozialminister gestellt hat. Ich meine, es ist gut genug dokumentiert, mit welchen Koalitionspartner*innen es nun das Bürgergeld und diesen sozialpolitischen Fortschritt gibt und mit welchen nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und von Jens Kamieth [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie machen es sich bewusst einfach, indem Sie die NRW-Koalition zum Sündenbock machen. Es musste bundesweit eine Lösung unter allen demokratischen Parteien gefunden werden, und dafür haben wir uns als Grüne mit aller Kraft eingesetzt. Ich bin deshalb erleichtert, dass dieser Kompromissvorschlag nun den Weg durch Bundesrat und Bundestag gehen wird und das Bürgergeld endlich an den Start gehen kann.

Für mich ist klar: Selbst der zwischen Ampel und Union geeinte Kompromissvorschlag zum Bürgergeld, der jetzt verabschiedet wird, ist immer noch die größte sozialpolitische Reform der vergangenen 20 Jahre. Es bringt einen Paradigmenwechsel, nämlich den Vorrang für Weiterbildung und Qualifikation statt Vermittlungszwang in Maßnahmen oder Aushilfsjobs, die dringend notwendige Erhöhung des Regelsatzes, Bonuszahlungen für Weiterbildung und Ausbildung, höhere Freibeträge für Neben- und Sommerjobs, einen Ansatz, der von Kooperation statt von Gängelung ausgeht und ein entschärftes Sanktionsregime sowie eine immer noch einjährige Karenzzeit, in der sich Betroffene auf die Jobsuche konzentrieren können.

Es wäre aber unehrlich, heute nicht auszusprechen, dass für uns Grüne in allen Bereichen eine noch größere Veränderung notwendig gewesen wäre. Eine Erhöhung des Regelsatzes über die 53 Euro aus dem jetzigen Vorschlag der Ampel hinaus muss umgesetzt werden. Denn es muss unser Ziel sein, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Wir bedauern außerdem den Wegfall der Vertrauenszeit, denn wie eine Studie des INES Berlin belegt, sind Sanktionen nicht nur wirkungslos, sondern auch kontraproduktiv.

(Beifall von Elisabeth Müller-Witt [SPD] und Lena Teschlade [SPD])

Für mich bleibt es dabei: In einer idealen Welt hätten wir mehr für die Menschen, die jetzt dringend gezielte Förderung und echte Unterstützung brauchen, herausholen können.

(Beifall von Elisabeth Müller-Witt [SPD] und Lena Teschlade [SPD])

In der realen Welt werden wir als Grüne uns weiterhin dafür einsetzen, dass Menschen mit geringen Einkommen und Sozialleistungsbezieher*innen nicht weiterhin gegeneinander ausgespielt werden,

(Beifall von den GRÜNEN, Elisabeth Müller-Witt [SPD] und Lena Teschlade [SPD])

dafür, dass die Löhne in unserem Land weiter steigen und den Sozialleistungsbezieher*innen ein Leben mit Teilhabe und in Würde ermöglicht wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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