Jule Wenzel: „Entkriminalisierung hilft den Menschen“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur Legalisierung von Cannabis

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Lieber Kollege Bakum, es ist sehr schwierig, nach Ihnen zum Redepult schreiten zu müssen, denn ich habe mich bei einer Plenarrede selten so amüsiert. Dafür vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Thorsten Klute [SPD]: Und das ohne Cannabis!)

Wir wissen ja, worauf die antragstellende Fraktion mit dem Antrag hinauswill. Sie möchte Dissense in diesem Parlament offenlegen. Sie möchte, dass wir als regierungstragende Fraktionen uns dazu verhalten und erklären, wie wir zur Entkriminalisierung von Cannabis stehen.

Ich möchte noch einmal ganz klar sagen: Wir sind fein damit, da verschiedener Ansicht zu sein. Wir Grüne haben von Anfang an den Ansatz verteidigt, zu sagen: Entkriminalisierung hilft den Menschen, und zwar den Menschen, die sich um Suchterkrankte kümmern müssen, denen, die davon betroffen sind, wenn Angehörige eine Suchterkrankung durchmachen, und denen, die selbst suchterkrankt sind.

Sie hilft aber auch der Unterstützungsstruktur. Sie hilft den Strafverfolgungsbehörden. Sie hilft dem Jugendschutz. Sie hilft uns allen, der Gesellschaft insgesamt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die AfD schreibt in ihrem Antrag, dass es keine ausreichende Studienlage gäbe, führt aber selber zahlreiche Studien an, um dies zu belegen. Das ist einigermaßen unsinnig.

Ich möchte hier eine Studie zitieren, nämlich den Epidemiologischen Suchtsurvey, der den Anteil des Cannabiskonsums von 12- bis 17-Jährigen im letzten Jahr beobachtet hat. 2011 haben 4,6 % der 12- bis 17-Jährigen Cannabis konsumiert, 2021 dann 7,6 %. Es gab einen deutlichen Anstieg der Zahlen um 3 Prozentpunkte, also fast eine Verdoppelung. Wie deutlich kann man denn noch machen, dass Prohibitionspolitik gescheitert ist?

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sieht mit dieser Politik, die nun weitergeführt werden soll, der Jugendschutz aus? Wenn ich als Jugendliche auf den Schwarzmarkt gehe und bin mit Dealer*innen,

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Oh Gott! – Weitere Zurufe von der AfD)

die mir Stoff anbieten, konfrontiert, dann weiß ich nicht, was da drin ist, in welchem Milieu sich dieser Dealer bewegt und wie nah ich an Organisierter Kriminalität bin.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Statt auf Aufklärung setzen Sie auf Verdrängung und ermöglichen es weiterhin, dass gerade junge Menschen diesem Schwarzmarkt ausgesetzt sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben in den letzten Monaten zahlreiche Diskussionen darüber geführt, ob und wie ein Cannabiskontrollgesetz funktionieren kann, das Schritt für Schritt den Weg einer Entkriminalisierung geht und gleichzeitig die Unterstützungsleistungen für suchterkrankte Menschen hochfährt. Das Gesetz, über das heute debattiert wird, ist nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat. Deswegen, liebe AfD, hätten Sie sich diesen Antrag sparen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Christof Rasche: Es liegt eine Kurzintervention vor, Frau Kollegin, die Sie gerne von Ihrem Platz aus beantworten können. – Ich gebe jetzt für 90 Sekunden Herrn Dr. Vincenz das Wort. Bitte sehr.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Wenzel, Sie sprachen gerade davon, dass wir mit unserem Antrag Jugendliche dazu bringen, in Kontakt mit Dealer*innen treten zu müssen. Ich hoffe, dass das auch nach der Legalisierung, die Sie vorhaben, weiterhin in diesem Fall so ist. Denn ich hoffe, gerade bei Jugendlichen geht es nicht darum, dass sie legal an diesen Suchtstoff kommen.

Ein Studie, die durch das Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurde, zeigte noch diese Woche, dass das Gehirn von bis zu 25-Jährigen massiv unter den Langzeitfolgen von Cannabiskonsum leiden kann, sodass die 12- bis 17-Jährigen hoffentlich auch weiterhin nicht legal an diese Drogen kommen – auch mit den Grünen nicht.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Christof Rasche: Frau Kollegin Wenzel, bitte sehr.

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Cannabiskontrollgesetzentwurf ist öffentlich. Da ist ganz klar geregelt, dass eine Cannabisabgabe für über 18-Jährige gemacht werden soll.

(Dr. Martin Vincentz [AfD]: Unter 21-Jährige!)

Die kontrollierte Abgabe an über 18-Jährige wird einen maßgeblichen Einfluss darauf haben wird, wie der Schwarzmarkt in Deutschland bekämpft werden kann, nämlich indem wir nicht mehr diejenigen kriminalisieren, die konsumieren, sondern diejenigen, die damit handeln.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Dahinein sollten wir unsere Strafverfolgungsressourcen stecken, um den illegalen Handel zu beenden. So werden 12- bis 17-Jährige weder auf dem legalen noch auf dem illegalen Markt an Cannabis gelangen können. Das wäre doch wirklich ein Fortschritt für unser Land.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Klaus Esser [AfD])

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