Jule Wenzel: „Armut macht einsam, krank und bietet Nährboden für Spaltung“

Zum Haushaltsgesetzentwurf 2026 - zweite Lesung - Arbeit & Soziales

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Das hier sind meine vierten Haushaltsberatungen. Es waren immer schwierige Haushalte, und in den vergangenen Jahren mussten wir Kürzungen vornehmen, die für uns schmerzlich waren. Das haben wir uns nicht ausgesucht. In diesem Jahr können wir mit dem NRW-Plan, der Investitionen in Kommunen dort fördert, wo es dringend gebraucht wird – auch im Sozialen –, und mit diesem Haushalt etwas zurückgeben.

Bevor ich einsteige, möchte ich aber schon feststellen: Ich finde es bemerkenswert, dass wir viel über Ausgaben und wenig über Einnahmen sprechen. Ja, es ist richtig und wichtig, dass wir gerade auf der Bundesebene in der Sozialstaatskommission darüber sprechen, wie wir Bürokratie einfacher machen und damit auch den Zugang zu Sozialleistungen verbessern können. Es ist aber schon absurd, dass es auch in diesem, in unserem Haushalt in NRW spürbare Erleichterungen gibt, weil ausnahmsweise in einem Fall in Bayern mal vernünftig Erbschaftsteuer gezahlt wurde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir hatten in Deutschland einmal eine Zeit, in der es eine Verantwortungsgemeinschaft gab, zu der eine Vermögensteuer und eine Erbschaftsteuer, die nicht so löchrig wie heute war, gehörten. Wenn Erbschaftsteuerzahlungen zur Seltenheit geworden sind, dann stimmt etwas nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] und Thorsten Klute [SPD])

Es gibt das Stichwort: „Starke Schultern können viel tragen.“

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Mir würde es schon reichen, wenn absurd reiche Schultern endlich mehr tragen würden,

(Beifall von der SPD)

denn ohne eine gerechte Verteilung bleibt der Sozialstaat auf einem wackeligen Fundament.

(Zurufe von Henning Höne [FDP] und Franziska Müller-Rech [FDP])

Das gilt insbesondere für unsere Kommunen – Herr Dr. Korte hat es gestern schon ausgeführt –, die dringend mehr Unterstützung vom Bund beim Schultern der wichtigen sozialen Aufgaben brauchen.

(Christof Rasche [FDP]: Vom Land!)

Aber jetzt zu unserem Haushalt im Bereich „Soziales“:

(Henning Höne [FDP]: Aha!)

Wir haben Wort gehalten. Im letzten Jahr sind 30.000 Menschen auf die Rheinwiese gegangen, um für unsere soziale Infrastruktur einzustehen.

(Henning Höne [FDP]: Die haben gegen Ihre Politik demonstriert!)

Sie engagieren sich damit für das Rückgrat unseres Landes.

Damals haben wir nicht alle Kürzungen zurücknehmen können. Wir haben aber versprochen, wieder Geld zurückzugeben, sobald wir wieder mehr Spielräume haben. Heute halten wir dieses Versprechen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Mit insgesamt 28 Millionen Euro – insbesondere in der Ergänzungsvorlage – können wir viele Kürzungen ausgleichen und an vielen Stellen sogar noch etwas drauflegen. Wir nehmen die Kürzungen bei den Wohlfahrtsverbänden, bei den Aidshilfen und beim Gewerkschaftsbund zurück. Wir sind stolz, dass wir das geschafft haben, denn die soziale Infrastruktur ist das Netz, das unsere Gesellschaft zusammenhält.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von Franziska Müller-Rech [FDP])

Nur weil die SPD hier von Taschenspielertricks redet, werden noch keine Taschenspielertricks daraus.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

Das Geld kommt dort an, wo es gebraucht wird. Dafür braucht man eine Excel-Tabelle mehr. Aber das, was Sie hier machen, ist Augenwischerei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Armut ist das Gift unserer Gesellschaft. Armut macht einsam, krank und bietet Nährboden für Spaltung. Deshalb war es uns wichtig, gerade dort gezielt einzugreifen, wo die Probleme am größten sind. Bei der Suchtbekämpfung geben wir mit 1,5 Millionen Euro wichtige Mittel für den Kampf gegen Crack und andere tödliche Drogen. Für die Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit – ein Titel, den wir nie gekürzt haben – legen wir jetzt noch mal 1 Million Euro drauf.

Bereits in diesem Jahr haben wir zudem nicht nur die Strukturen, die sich gegen Armut engagieren, sondern auch Armutsbetroffene selbst unterstützt, damit sie die Stimme erheben können und wir nicht über, sondern miteinander sprechen. Jetzt geben wir noch mal 1,9 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr in die Armutsbekämpfung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir fördern die Zugänge zum Arbeitsmarkt mit Ausbildungsstätten, die fit für KI gemacht werden, mit mehr Geld für die überbetrieblichen Bildungsstätten und damit, dass wir wieder 1,5 Millionen Euro in die Schaffung von Plätzen in Inklusionsunternehmen investieren. Wir haben so viel Potenzial für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt, das wir nutzen wollen.

Im MWIKE stehen – es wurde gerade angesprochen – weiterhin 2,9 Millionen Euro für die Fachkräfteoffensive in den Titeln bereit, in denen sie angewendet werden. Das weiß die SPD auch, aber sie spricht heute hier nicht davon. Vielleicht können wir ja in den Ausschüssen wieder zur Fachberatung zurückkehren.

Das hier sind nur Ausschnitte. Wir investieren auch in anderen Einzelplänen. Wir investieren zum Beispiel in dem Ministerium der Justiz und im Innenministerium in den Schutz von Frauen und im Chancenministerium in die Unterstützung von Familien mit geringen Einkommen oder in die Integration von zugewanderten Menschen, die Opfer von Ausbeutung werden. Meine Kollegin Meral Thoms wird gleich auch noch die Gesundheitsprävention ansprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt zeigt: NRW ist und bleibt ein soziales Land, ein Land, in dem wir aufeinander aufpassen und füreinander einstehen. Ich danke dem Ministerium für die Einbringung dieses Haushalts und allen, die mit uns daran gearbeitet haben. Lassen Sie uns diesen Weg weitergehen für soziale Gerechtigkeit, für eine starke soziale Infrastruktur und für eine Gesellschaft, die zusammenhält.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)