Jule Wenzel: „Angesichts dieser hohen Zahlen finde ich derartige Relativierungen, gelinde gesagt, schäbig“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu "Kälteschutzplänen"

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Kein Mensch sollte auf den Straßen in unserem Land erfrieren. Dieser Grundsatz ist so einfach wie unverrückbar. Genau deswegen hat sich die AfD ihn ausgesucht, um sinnlose Stellvertreterdebatten zu führen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie behauptet ohne jeglichen Beweis, dass wir in unserem Land Kältetote aus den Augen verlieren und den Hitzetoten mehr Aufmerksamkeit schenken würden. Dabei stellt sie dem Begriff „Klimawandel“ wieder einmal das Wort „vieldiskutiert“ voran, um Zweifel an seiner Existenz zu säen. Schlussendlich spricht sie von Todesfällen nur „im vermeintlichen Zusammenhang“ mit dem Klimawandel und davon, dass Hilfe an anderer Stelle gebraucht würde.

Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts sind in den Spitzenhitzejahren 2015, 2018 und 2019 Tausende Menschen an den Folgen von Hitze gestorben.

In Deutschland waren es 6.500, 8.600 und 7000. Im letzten Jahr waren es immerhin 3.000. Angesichts dieser hohen Zahlen finde ich derartige Relativierungen, gelinde gesagt, schäbig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir müssen das eine tun und dürfen das andere nicht lassen. Aber es zeigt: Die AfD entdeckt ihre soziale Ader – die extrem klein ist – immer nur dann, wenn sie ihre rechtsextreme Ideologie verfolgen und breittreten kann. So sollen in diesem Antrag obdachlose Menschen für die Leugnung der Klimakrise herhalten. Und nicht nur dafür: Erst im November letzten Jahres versuchte ihr Bundestagsabgeordneter Springer in einer Pressemitteilung – wie von meiner Kollegin Teschlade bereits ausgeführt –, obdachlose Menschen gegen Geflüchtete auszuspielen.

Wir, die demokratische Mehrheit dieser Gesellschaft, wehren uns gegen diese durchsichtigen Methoden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Als Land NRW haben wir die Kältehilfen zuletzt auf 900.000 Euro erhöht.

Wenn Sie fordern, dass wir eine Datenlage brauchen, um die Mittel zielgerichtet einzusetzen, schwingt in Ihrem Antrag etwas mit: Das ist Misstrauen – Misstrauen gegen Hunderte, gegen Tausende Menschen in diesem Land, die sich in den Kältehilfeorganisationen für ihre Mitmenschen engagieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In jedem Winter berichten die Zeitungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk darüber, wie man Menschen in der Kälte helfen kann. Sogar die Fraktionen und wir Abgeordnete posten regelmäßig auf Social Media darüber.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einen großen Dank an Hunderte, an Tausende von Menschen in unserem Land aussprechen, die sich in der Kältehilfe engagieren, Schlafplätze vermitteln, warme Getränke ausgeben und Erste Hilfe leisten. Vielen herzlichen Dank!

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Susanne Schneider [FDP])

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Ehrenamtlichen schließen. Es stammt von der Berliner Obdachlosenhilfe e. V.:

„Die AfD steht nicht für Lösungen, sondern für Menschenverachtung. Wer zur Hetzjagd gegen Schutzsuchende aufruft, wer Menschen aufgrund ihrer Armut oder ihrer ,Volkszugehörigkeitʻ diskriminiert, wer anderen Menschen das Recht zu lieben und die Freiheit zur Selbstbestimmung abspricht, kann keine Alternative sein – nicht für uns, und für euch hoffentlich auch nicht.“

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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