Jule Wenzel: „Abschließend lässt sich festhalten, dass der öffentliche Dienst nach wie vor sehr attraktiv ist“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Entlohnung von Beamt*innen

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der öffentliche Dienst ist essenziell für das Funktionieren des Staates, der Gesellschaft und für unseren sozialen Zusammenhalt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, behaupten, dass der öffentliche Dienst weniger attraktiv als die Privatwirtschaft sei und darum viele Stellen in der Landesverwaltung unbesetzt seien.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Aber blicken wir der Realität mal ins Auge. Auch in der Privatwirtschaft herrscht in vielen Bereichen ein erheblicher Fachkräftemangel, besonders bei gut ausgebildeten Kräften. Dies ist eher eine Folge des demografischen Wandels als der Gestaltung des öffentlichen Dienstes.

Wenn man sich die aktuellen Stellenbesetzungsquoten im Vergleich zu denen der vergangenen Jahre anschaut, stellt man schnell fest: Es sind über 4.000 weniger unbesetzte Stellen.

(Christian Dahm [SPD]: Ach herrje!)

Die Trendwende ist hier erreicht.

(Christian Dahm [SPD]: Stimmt ja gar nicht!)

Natürlich wollen und werden wir als Koalition hier nicht stehen bleiben und arbeiten weiter an der Attraktivierung des öffentlichen Dienstes. Die schnelle und unkomplizierte Eins-zu-eins-Übernahme des Tarifabschlusses ist hierbei ein wichtiger Baustein und Ausdruck unserer Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Beamtinnen und Beamten.

Die im Antrag erwähnten bereits existierenden Leistungsprämien und Leistungszulagen erfüllen aktuell ihre Aufgabe gut. Sie bieten Anreize für überdurchschnittliche Performance und belohnen solche Mitarbeitenden, die sich gut einbringen und neue Ideen entwickeln.

Darüber hinaus ist es aber Aufgabe der Exekutive und nicht der Legislative, über die Häufigkeit der Nutzung dieser Instrumente zu entscheiden. Das ist ein Kernbereich der Mitarbeitendenführung, in den wir vonseiten des Parlamentes nicht eingreifen sollten.

Sie haben es versäumt, in Ihrem Antrag auf die Familienzuschläge einzugehen, obwohl wir dieses Thema bereits Anfang des Jahres ausführlich diskutiert haben. Lassen Sie mich daran erinnern, dass Sie in der letzten Legislaturperiode die Entscheidung getroffen haben, die Familienzuschläge zu erhöhen, statt die Grundbesoldung anzupassen.

Sie hatten damals die Möglichkeit und auch die finanziellen Spielräume, einen anderen Weg zu wählen. Sie haben ihn bewusst nicht gewählt. Sie werden Ihre Gründe dafür gehabt haben. Jetzt in der Opposition Dinge zu fordern, die Sie in Regierungsverantwortung nicht hinbekommen haben, ist zwar so gewollt, aber wie gewohnt billig und durchschaubar.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Hier im Übrigen zu behaupten, es sei ein Fehlanreiz, Eltern im öffentlichen Dienst die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen, ist mehr als fragwürdig. Vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst, aber ein Großteil der Menschen auch im öffentlichen Dienst hat noch andere Prioritäten im Leben als ausschließlich die Arbeit. Ich gönne es den Menschen von Herzen, wenn sie eine Familie gründen wollen und daher eine Beschäftigung suchen, die Ihnen eine angemessene Versorgung bietet. Denn genau das sind die Stärken des öffentlichen Dienstes, mit denen er werben kann: gute Arbeitszeiten, eine sichere Anstellung zu guten Bedingungen und eine gute Versorgung während der aktiven Dienstzeit auch der Familie, ebenso eine verlässliche Altersversorgung.

Mit der letzten sehr attraktiven Tarifeinigung und deren Übertragung auf die Beamtenschaft sowie auf die Versorgungsempfängerinnen und ‑empfänger haben wir diese Prinzipien für die kommenden Jahre gestärkt.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der öffentliche Dienst nach wie vor sehr attraktiv ist und seine Führungs- und Funktionsfähigkeit gewährleistet bleibt. Aber natürlich arbeiten wir stetig daran, ihn weiter zu verbessern. Ich freue mich auf die weitere Debatte dazu im Ausschuss.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin Wenzel, pünktlich, wenn auch noch nicht angezeigt, ist der Wunsch nach einer Kurzintervention gekommen, und zwar von dem Kollegen Witzel. Sie können sie gleich hier oder von Ihrem Platz aus beantworten. – Jetzt hat erst einmal der Kollege Witzel die Gelegenheit zur Kurzintervention. Bitte schön.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich war eben bei Ihrer Lagebeschreibung etwas erstaunt, weil ich den Eindruck hatte, Sie haben vielleicht nicht alles aufgegriffen, was uns in vielen Sachverständigenanhörungen von den Berufsverbänden und den Betroffenen in den letzten Monaten gesagt wurde. Insbesondere das Bild, das von jungen Vertretern, beispielsweise der dbb jugend, auf die ich eben hingewiesen habe, vorgetragen worden ist, stimmte nach meiner Beobachtung nicht mit dem überein, was Sie hier vorgetragen haben. Deshalb würde mich schon interessieren, was Sie den Stimmen der Jugendlichen entnommen haben, die bei der Anhörung vorgetragen haben.

Welchen Gestaltungsanspruch haben Sie? Sie haben gesagt, es sei Aufgabe des Dienstherrn, Belohnungen auszusprechen. Ich maße mir nicht an, individuelle Personalentscheidungen zu treffen. Aber bei der Frage, ob man mehr Leistungen honorieren will und wie viel Geld man dafür in die Hand nimmt, finde ich schon, dass das Parlament einen Gestaltungsanspruch hat. Sehen Sie den nicht?

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin Wenzel, bitte schön.

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Witzel, Sie schaffen es, jede Intervention und jeden Wortbeitrag zu einer Fragerunde zu machen,

(Beifall von den GRÜNEN)

ob gegenüber der Regierung oder den Kolleginnen und Kollegen im Parlament. Ob das wertschätzend ist, weiß ich nicht. Es ist Ihre Art und Weise, mit der Zeit umzugehen.

Ich habe die Ausführungen der Sachverständigen und deren Anspruch, den sie gegenüber dem öffentlichen Dienst haben, vernommen. Trotzdem bleibe ich dabei, zu sagen, dass wir mit der Eins-zu-eins-Übernahme des Tarifes ein wirklich sehr attraktives Arbeitsumfeld geschaffen haben. Wir werden uns weiterhin mit der Attraktivität des öffentlichen Dienstes auseinandersetzen, auch in der Attraktivierungsoffensive.

Lassen Sie mich sagen: Natürlich stellen Sie darauf ab, wie oft die Leistungsprämien genutzt werden. Ich finde, es steht dem Parlament nicht zu, das der Exekutive, dem Arbeitgeber vorzugeben. Vielleicht könnten wir im Parlament auch erörtern, ob Ihre Mitarbeitenden eine Erschwerniszulage brauchen. Das wäre vielleicht zielführender.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Eggers [CDU])

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