Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen mich nachgerade fassungslos. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll – bei den Redebeiträgen, die FDP und CDU hier gebracht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zunächst möchte ich noch einmal ganz deutlich machen – ich möchte, dass die Leute da gut zuhören –, was Sie, Frau Milz, hier gerade gesagt haben. Sie haben wieder die vierte Stelle im Frauenhaus angezweifelt. Ich weiß nicht, ob Sie hin und wieder einen Blick auf die Ampel der LAG Autonomer Frauenhäuser NRW werfen. Dort findet sich nämlich leider immer noch sehr viel Rot und viel zu wenig Grün wieder. Wenn wir also die vierte Stelle im Frauenhaus streichen, wie Sie das damals gemacht haben,
(Ministerin Barbara Steffens: Haben wir noch mehr Rot!)
tun wir das auf dem Rücken der Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Das müssen Sie dann den Frauen im Land erklären.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das finde ich besonders schade; denn in dieser Woche sollte uns doch besonders bewusst sein, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Nordrhein-Westfalen bittere Realität ist. Der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation hat sich daher gemeinsam auf die Beteiligung an der Fahnenaktion von Terre des Femmes zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen verständigt. Wir waren auch gemeinsam da. Leider war keine Vertreterin der CDU-Fraktion anwesend. Sie haben dem aber auch zugestimmt.
(Ministerin Barbara Steffens: Hört, hört!)
Das Signal der Geschlossenheit, das von dieser Entscheidung ausgegangen ist, würde ich mir auch einmal im konkreten politischen Handeln wünschen. Wir haben jetzt aber eindeutig gesehen, dass unsere Vorstellungen von Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Mädchen da weit auseinanderliegen.
Frau Schneider, in anderen Bereichen liegen unsere Vorstellungen auch weit auseinander. Wir haben diesen Haushaltsantrag eingebracht, weil wir in diesem Haus auch gemeinsam mehrfach darauf hingewiesen haben, dass die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung eine wichtige niedrigschwellige Maßnahme ist, um der schwierigen Situation von Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen werden, Rechnung zu tragen.
Liebe Frau Schneider, warme Worte helfen den betroffenen Frauen aber nicht – also auch Kleine Anfragen nicht. Im Übrigen ist unser Haushaltsantrag bestimmt kein Ausfluss der Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion gewesen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vielmehr ist er mit Sicherheit darauf zurückzuführen, dass wir uns intensiv damit auseinandergesetzt haben.
Wir wollen mit diesem Haushaltsantrag einen Beitrag zu schneller und niedrigschwelliger Hilfe für die Frauen leisten, die sich nach einer Vergewaltigung in einer schwer traumatisierten Situation befinden. Die anonyme Spurensicherung ist ein wichtiger Beitrag zum Opferschutz und kann helfen, Täter auch später noch verurteilen und zur Rechenschaft ziehen zu können.
Frau Schneider, den Popanz, den Sie hier gerade aufgebaut haben, haben Sie doch aus einem Zeitungsartikel entnommen, den ich auch gelesen habe. Auch habe ich mit Verwunderung gelesen, dass dieser Haushaltsantrag im Bereich des Justizministers verortet werden sollte. Mit noch größerer Verwunderung habe ich gelesen, dass die rechtsmedizinischen Institute neuerdings auch im Justizministerium verortet sind. Sie sind nämlich dem Wissenschaftsministerium zugeordnet.
Wir sind da ganz klar. Unser Haushaltsantrag geht an das MGEPA. Dort sollen die Konzeptionierungen jetzt Schritt für Schritt entwickelt werden, damit wir Frauen hier helfen können.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt ansprechen. Es hat schon etwas von „Jährlich grüßt das Murmeltier“, wenn die CDU einmal mehr die Streichung der Mittel für die Kompetenzzentren Frau und Beruf beantragt. Die Antragsbegründung zeugt auch noch einmal mehr davon, dass Sie nicht auf dem harten Boden der gleichstellungspolitischen Realitäten stehen. Sie schreiben nämlich – ich zitiere aus Ihrer Antragsbegründung –:
„Die 2011 vorgenommenen Neuauflagen der alten Regionalstellen Frau und Beruf sind das Abbild einer rückwärtsgewandten Politik.“
Das lassen wir uns jetzt doch einmal auf der Zunge zergehen. Schließlich sind Sie die Mütter und Väter des Betreuungsgeldes, zu Recht auch Herdprämie genannt, also einer Maßnahme, die Frauen vom Erwerbsleben fernhält.
(Beifall von den GRÜNEN)
An dieser Stelle von rückwärtsgewandter Politik zu sprechen, folgt einer Logik, die mit Sicherheit nur Sie verstehen können, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Ich nenne das die Logik der 50er-Jahre. Diese Logik lässt sich – da gebe ich Ihnen recht – in der Tat nur dann verstehen, wenn man sich selbst rückwärts wendet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gleichstellung von Frauen und Männer braucht mehr als warme Worte und mehr als Flexi-Quoten, wie Sie sie in Ihrem schwarz-gelben Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Wir werden sehen, was mit der neuen Großen Koalition da vielleicht zu machen ist. Ich denke, dass es da auch mehr gibt, was man als innovativ bezeichnen kann.
(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)
Wir wollen auf Landesebene mit der Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes die landespolitischen Spielräume nutzen, um Frauen auch in Führungspositionen und Gremien endlich sichtbar zu machen. Natürlich kann ich mich als Frau auch dafür entscheiden, diese Karriere nicht machen zu wollen. Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass Frauen nicht an gläserne Decken stoßen. Es geht darum, dass sie sich auch wirklich dafür entscheiden können. Wahlfreiheit bedeutet doch nicht, dass sich im Grunde genommen keiner darum kümmert, sondern Wahlfreiheit bedeutet, dass Frauen diese Möglichkeiten auch haben. Das werden wir mit der Novellierung des LGG für die landespolitischen Bereiche zu verbessern versuchen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn Partizipation bedeutet für uns nicht, dass sich die Old Boys Networks quasi selbst reproduzieren, sondern dass Frauen gleichberechtigt auf allen Ebenen – Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft – vertreten sind.
(Beifall von Hans Christian Markert [GRÜNE])
Dazu gehört für uns auch eine Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten. Vielleicht sollten Sie das bei sich in den Fraktionen auch mal einführen. Denn nur starke Gleichstellungsbeauftragte können den Finger in die Wunde legen. Das scheint mir bei den Oppositionsfraktionen sehr notwendig zu sein.
Nun bin ich leider nicht mehr dazu gekommen, noch etwas zu dem wichtigen Thema „Runder Tisch Prostitution“ zu sagen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat damit ein wegweisendes Modell. Das würde ich mir auch für die Kommunen wünschen: weniger Emotionalisierung, mehr differenzierte inhaltliche Auseinandersetzung mit allen Beteiligten.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Josefine Paul (GRÜNE): Leider bin ich auch zu dem wichtigen Thema „LSBTTI“ nicht in der Deutlichkeit gekommen, wie ich es gerne getan hätte. An dieser Stelle musste einfach noch einiges zur Irrlichterei der Oppositionsfraktionen im Bereich der Gleichstellungspolitik gesagt werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)