Josefine Paul: „Wir wissen alle: Alles, was nicht eine Quote ist, ist weiße Salbe, nicht wirksam“

Antrag der FDP zur Dienstrechtsreform

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lohn, diesen Appell muss ich Ihnen leider gleich wieder wegnehmen; denn der Antrag ist nicht anders zu lesen als entsprechend der Forderung, die die FDP-Fraktion formuliert hat, nämlich, zukünftig eine wirksame Frauenförderung ohne das Instrument einer Frauenquote sicherzustellen. Das heißt nichts anderes als: Die FDP-Fraktion will keinerlei Frauenquote.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Infrage steht dann allerdings nach wie vor, was sie eigentlich mit der wirksamen Frauenförderung meint. Wir wissen alle – das haben mittlerweile auch Politikerinnen und Politiker anderer Fraktionen wie beispielsweise Frau von der Leyen erkannt –: Alles, was nicht eine Quote ist, ist weiße Salbe, weil es eben nicht wirksam ist.
Die Landesregierung hat dieses …
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Lohn zulassen?
Josefine Paul (GRÜNE): Sehr gerne.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte, Herr Kollege.
Werner Lohn (CDU): Vielen Dank, Frau Paul. – Ich möchte nur einer Fehlinterpretation vorzubeugen. Ich sehe mich nicht unbedingt in der Pflicht, den FDP-Antrag zu verteidigen. Aber aus der Begründung des FDP-Antrages geht ganz genau hervor, dass es eben nicht das Ansinnen ist, gegen jegliche Frauenquote zu sein; denn es heißt dort klipp und klar:
„Nicht akzeptabel sind aber Frauenquotenregelungen, die gegen die Verfassungsgrundsätze der Beförderung nach Eignung, Leistung und Befähigung sowie Europarecht verstoßen …“
(Zuruf von der SPD: Wo ist die Frage?)
Dagegen wendet man sich also und nicht gegen eine Frauenquote an sich.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das war zwar keine Frage, Herr Kollege; aber gut. – Möchten Sie dazu etwas sagen, Frau Kollegin Paul?
Werner Lohn (CDU): Ich kann die Frage gern anschließen: Haben Sie das verstanden?
Josefine Paul (GRÜNE): Das habe ich verstanden. Allerdings müssen Sie dann tatsächlich auch den ganzen Antrag lesen; denn das, was ich gerade vorgetragen habe, ist ein wörtliches Zitat aus dem Antrag. Darin steht wörtlich:
„… zukünftig eine wirksame Förderung ohne das Instrument einer Frauenquote sicherzustellen; …“
Meiner Ansicht nach lässt diese Formulierung keinerlei Interpretationsspielraum, um welche Art von Frauenquote es sich handelt. Dort steht schlicht und ergreifend: Die FDP-Fraktion will keine Frauenquote. – Das sage ich an dieser Stelle noch einmal zur Klarstellung.
Wenn wir schon bei der Frage der Wirksamkeit und der Verfassungsmäßigkeit sind, sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion: Die Landesregierung hat ein solches wirksames Instrument vorgelegt, das aus unserer Sicht auch verfassungsrechtlich so geboten ist. Und das ist die Frauenquote.
Die Notwendigkeit einer solchen Frauenquote, Herr Witzel, leitet sich nachgerade aus Ihrer eigenen Feststellung in Ihrem Antrag ab. Sie fordern nämlich eine diskriminierungsfrei agierende Landesregierung. Da sage ich Ihnen: Eine diskriminierungsbewusste Landesregierung handelt dann verantwortlich, wenn sie die Augen nicht vor Benachteiligung verschließt, sondern wirksame Maßnahmen gegen den Abbau dieser Benachteiligung ergreift.
(Ralf Witzel [FDP]: Geisterfahrer!)
Das haben Sie doch in Ihrem Antrag eingefordert. Und das haben wir auch eingelöst.
(Vereinzelt Beifall von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Geisterfahrer!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, klar ist doch, dass der Frauenanteil trotz hoher Zahl in den Eingangsämtern mit zunehmender Hierarchiestufe systematisch abnimmt. Wenn wir also sehen, dass es eine systematische Abnahme gibt, dann ist doch nur festzustellen, dass diese Abnahme strukturell begründet ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine strukturelle Benachteiligung von Frauen verstößt gegen das Gleichstellungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz, auch wenn Ihnen dieses Gebot nach wie vor nicht bekannt zu sein scheint.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Es ist also verfassungsrechtlich nachgerade geboten, hier auf einen Ausgleich zwischen der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz, die Sie richtigerweise einfordern, und dem Staatsziel der Gleichstellung der Frau durch die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken bzw. diesem Ziel nachzukommen. Und Sie wissen genau, dass das nicht meine Worte sind.
(Ingrid Hack [SPD]: Zuhören!)
Das sind vielmehr die Schlussfolgerungen von Herrn Prof. Papier. Aus unserer Sicht erfüllt die Quote genau diese Schlussfolgerungen.
(Ralf Witzel [FDP]: 15 % davon sind verfassungswidrig!)
– Nein, das ist so nicht gesagt. Das unterstellen Sie, und es wird auch nicht dadurch richtiger, indem Sie immer wieder faktenfreie Dinge hier wiederholen. Dadurch wird es doch nicht besser und auch nicht richtiger.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Sie schreiben des Weiteren in Ihrem Antrag, die Landesregierung habe eine ungewöhnliche Rechtsauffassung. Dazu möchte ich Ihnen noch einmal ganz deutlich Folgendes sagen, auch wenn ich das schon hundertmal gemacht habe:
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Was Sie als ungewöhnliche Rechtauffassung beschreiben, ist aus unserer Sicht die Umsetzung eines Verfassungsgebotes, lieber Herr Witzel. Das sollten auch Sie vielleicht endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Eine ähnliche Debatte haben wir doch schon bei der Regelung geführt, die bis zum 30. Juni 2016 in Kraft war. Die vorher gültige Regelung wurde nämlich genauso debattiert wie die jetzige Regelung. Dort wurde auch über die Regelungskompetenz gestritten. Dort wurde über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung gestritten; sie wurde in Zweifel gezogen. Trotzdem müssen wir feststellen, dass im Endeffekt diese Regelung damals einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof standgehalten hat. Es ist daher doch nur konsequent, wenn die Landesregierung jetzt richtigerweise ankündigt, diesen Weg auch diesmal beschreiten zu wollen, wenn dies notwendig ist, auch wenn die FDP das nicht hören möchte.
Ich will mich da nur einmal der Frauenministerin Steffens, die von Ihnen ja auch im Antrag zitiert worden ist, anschließen. Denn Sie haben es gerade schon wieder gemacht. Und die Behauptung wird doch nicht dadurch wahrer, dass Sie sie gebetsmühlenartig hier vortragen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Die Behauptung, schlechter qualifizierte Frauen würden besser qualifizierten Männern vorgezogen, ist faktisch nicht richtig. Das wissen Sie. Trotzdem formulieren Sie das jedes Mal wieder so. Das ist doch ein Schlag ins Gesicht aller qualifizierten Frauen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Diese Polemik, die Sie gegen die Formulierung „im Wesentlichen gleicher Eignung“, also der Vergleichbarkeit und der Gleichwertigkeit der Gesamtbeurteilung, aufbauen,
(Ralf Witzel [FDP])
reiht sich doch in eine ganze Abfolge von Anträgen ein, die Sie hier gestellt haben, die die bestehende Benachteiligung von Frauen negieren.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Wir werden morgen hier noch ein ganz besonderes Kleinod Ihres Feldzugs gegen Genderwahn usw. haben. Da frage ich mich allen Ernstes: Quo vadis, Bürgerrechtspartei?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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