Josefine Paul: „Wir müssten uns jetzt an die Umsetzung machen“

Anträge der Fraktionen von CDU und FDP sowie "AfD" zu Genitalverstümmelung

Portrait Josefine Paul

 Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Weibliche Genitalverstümmelung gehört als archaische Praxis leider nicht der Vergangenheit an. Es ist leider auch kein Phänomen des globalen Südens allein. Nach Zahlen des schon oftmals angesprochenen Runden Tisches NRW leben auch in Nordrhein-Westfalen schätzungsweise 5.000 bis 6.000 Mädchen und Frauen, die von Beschneidung betroffen oder bedroht sind. Zu vermuten steht leider auch, dass auch hier die Dunkelziffer höher ist. Denn weibliche Genitalverstümmelung – das ist schon vermehrt angeklungen – ist nach wie vor ein Tabuthema.
Weltweit leben mehr als 150 Millionen Frauen und Mädchen mit verstümmelten Genitalien, das heißt, mit ganz oder teilweise entfernten Genitalien, mit teils erheblichen täglichen Folgen, was soziale, körperliche und psychische Belastungen angeht. Nicht zuletzt stellt auch das einen eklatanten Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung dar.
Umso wichtiger ist es, hier mit Aufklärung anzusetzen und insbesondere Frauen und Familien zu stärken. Denn es geht nicht nur darum, dass wir eine strafrechtliche Verfolgung brauchen, sondern auch darum, deutlich zu machen, dass wir die dahinterstehenden Traditionen aufbrechen müssen, dass es eben kein Übergangsritual zum Erwachsenwerden ist, damit Mütter und Eltern den Mut haben, ihre Kinder einer solchen Praxis nicht auszusetzen. Deswegen brauchen wir hier mehr Sensibilisierung, mehr Aufklärung, aber auch mehr Stärkung. Diese Familien brauchen nicht mehr Stigmatisierung, sondern sie brauchen die Rückenstärkung von uns, damit sie ihre Kinder dieser archaischen Praxis nicht mehr aussetzen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Sehr geehrte Damen und Herren, der Runde Tisch NRW arbeitet seit 2007; das ist schon mehrfach erwähnt worden. Diese kontinuierliche Arbeit für Sensibilisierung und Aufklärung ist immens wichtig und ist in Nordrhein-Westfalen und bundesweit einzigartig. Selbstverständlich gebührt dieser Arbeit unser gemeinsamer Dank. Frau Schneider hat es auch schon erwähnt.
Wir wollen diese Arbeit des Runden Tisches NRW natürlich weiterhin unterstützen. Das wäre zum Beispiel auch dadurch möglich, ihn einmal mehr in den Frauenausschuss einzuladen. Das haben wir in der letzten Legislatur bereits gemacht. Der Runde Tisch konnte seine Arbeit vorstellen.
Wir sind in den Austausch gekommen – auch und gerade über die Handlungsempfehlungen, die der Runde Tisch uns bereits vor Jahren sehr konkret an die Hand gegeben hat:
Dazu gehören beispielsweise die Sensibilisierung und die Öffentlichkeitsarbeit. Da ist durch den Runden Tisch schon sehr viel an Arbeit geleistet worden.
Dazu gehören aber auch die Stärkung und die Förderung von Strukturen – „stop mutilation“, eine Beratungsstelle aus Düsseldorf, ist nur ein Beispiel dafür – sowie die Stärkung unserer insgesamt vielfältigen Beratungslandschaft. Diese Beratungslandschaft gerade in diesem speziellen Themenbereich weiter zu qualifizieren, wäre ein wichtiger Punkt, den wir ebenso wie die Arbeit aus den Communities heraus landesseitig unterstützen müssten.
Das Aufbrechen alter Traditionen ist nicht nur für die Familien von Bedeutung – ich habe es gerade ausgeführt –, sondern auch für die Communities. Die Enttabuisierung geht auch nur über die Communities und ihre Brückenfunktion. Auch dort Projekte zu fördern, wäre also ein sehr konkreter Schritt, den wir auch als Land gemeinsam umsetzen könnten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Und nicht zuletzt geht es auch um die Forschung zum Thema „Mädchenbeschneidung“ und um die medizinische Versorgung der Betroffenen.
Es gibt also bereits ein ganzes Bündel an Handlungsempfehlungen, die uns der Runde Tisch vorgelegt hat. Wir müssten uns jetzt an die Umsetzung machen, anstatt immer wieder darüber zu debattieren: Wir brauchen jetzt mal Konzepte.
Frau Schneider, Sie haben gerade gesagt: Wir müssen uns daranmachen, im Ausschuss Konzepte zu entwickeln. – Nein, wir müssen uns daranmachen, die Dinge, die wir bereits wissen, die der Runde Tisch erarbeitet hat, umzusetzen. Das ist unsere Aufgabe.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir haben heute schon über Kinderschutz gesprochen. Auch hier gilt eindeutig: Mädchen müssen vor Genitalverstümmelung geschützt werden. Denn Genitalverstümmelung – das gilt es immer wieder deutlich zu machen – stellt eine Form der Kindeswohlgefährdung dar.
Und ich kann es Ihnen nicht ersparen – Frau Butschkau hat gerade darauf hingewiesen –: Bei der Lektüre des Antrags waren wir doch einigermaßen erstaunt, und ich dachte: Diesen Antrag habe ich irgendwo schon mal gelesen. – Deshalb steht in dem Antrag trotzdem viel Richtiges, und selbstverständlich können wir uns dem Antrag inhaltlich anschließen. Trotzdem will ich noch mal unterstreichen, was Frau Butschkau gerade gesagt hat: Es wäre schön gewesen, wenn Sie auf uns zugekommen wären und die Initiative ergriffen hätten, den Antrag gemeinsam auf den Weg zu bringen, um dieses Signal heute gemeinsam auszusenden.
Da der Antrag überwiesen wird, hoffe ich, dass wir noch dazu kommen, einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen, gemeinsam das Signal auszusenden, dass wir in Nordrhein- Westfalen Genitalverstümmelungen weder tolerieren noch akzeptieren, aber gleichzeitig alles für Aufklärung und für die Unterstützung von Familien tun, um sie und die Mädchen stark zu machen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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