Josefine Paul: „Wir müssen gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die die Selbstbestimmung von Frauen stärken“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Prostituiertenberatung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Prostitution ist sicherlich kein Job wie jeder andere. Aber Prostitution, auch als Gewerbe, ist Realität. Mir geht es, ehrlich gesagt, darum, dass wir durch gesetzliche Rahmenbedingungen einen Rahmen schaffen, um die Selbstbestimmung von Frauen zu stärken.
Frau Troles, mir ist in Ihrer Rede zu stark durchgeklungen, dass Sie doch ein sehr paternalistisches Bild haben. Ich glaube nicht, dass wir alle Frauen schützen, beschützen und retten müssen. Vielmehr müssen wir gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die die Selbstbestimmung von Frauen stärken und damit auch einen Beitrag leisten, Menschenhandel wirksam zu bekämpfen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich reden wir hier über eine Gruppe von Frauen, die oftmals am Rand der Gesellschaft stehen und darüber hinaus häufig in prekären Lebensverhältnissen leben. Dementsprechend braucht es – Kollegin Butschkau hat darauf hingewiesen auch im ländlichen Raum und nicht nur in städtischen Regionen Beratungsstrukturen, die diese Frauen überhaupt noch erreichen können.
Aber das fälschlicherweise als Prostituiertenschutzgesetz titulierte Gesetz von 2017 erschwert die Arbeit der Beratungsstellen noch. Von Prostituiertenschutz kann bei diesem Gesetz leider auch überhaupt keine Rede sein. Denn eigentlich hatte man sich vorgestellt, dass mit diesem Gesetz die Menschen im Mittelpunkt stehen würden. Was ist allerdings passiert? Im Grunde genommen wurden dort repressive Aspekte gestärkt, obwohl die Stärkung von Selbstbestimmung wichtig gewesen wäre. Und es handelt sich in der Tat in allererster Linie um ein administratives Gesetz. Aber auch dort gibt es Punkte, die nach wie vor nicht funktionieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, das haben wir allerdings schon im Vorhinein diskutiert. Es ist breit dargelegt worden, dass das, was in dem Gesetz angelegt ist, überhaupt nicht dazu geeignet ist, Menschen in der Prostitution zu stärken, Menschenhandel zu verhindern und die Situation insgesamt zu verbessern.
Nicht zuletzt im Sachstandsbericht der Landesregierung wird darauf hingewiesen. Konsequenterweise analysiert die Landesregierung – ich zitiere aus dem Bericht –:
„Auch die jetzige Landesregierung beobachtet die Auswirkungen des Gesetzes bezogen auf die Pflicht für Prostituierte zur Anmeldung und gesundheitlichen Beratung sowie auf die Kondompflicht sehr kritisch. Es bestehen sogar begründete Zweifel, ob das Gesetz in der Praxis seinem ursprünglichen Schutzgedanken jemals gerecht werden kann.“
Nein, dieses Gesetz wird diesem Schutzgedanken nicht gerecht werden. Deswegen appelliere ich an Sie, Frau Ministerin: Nutzen Sie Ihren Einfluss in Berlin, um dieses Gesetz jetzt zu reformieren. –
Wir müssen nicht noch bis 2025 warten, bis auch beim Bund endlich angekommen ist, dass das Gesetz in dieser Art und Weise unwirksam ist. Wir brauchen jetzt ein Gesetz, das im Sinne von Stärkung der Selbstbestimmung, im Sinne von wirksamem Schutz überarbeitet wird.
Wir brauchen aber kein Rumgeeiere und auch kein Rumevaluieren, zumal zumindest die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein schon sehr dezidierte Erkenntnisse darüber geliefert haben, dass genau diese Ansprüche nicht eingelöst werden.
Dementsprechend haben wir, um die Situation in Nordrhein-Westfalen vor Ort verbessern zu können, einen Antrag vorgelegt, der dezidierter auf die unterschiedlichsten Probleme eingeht. Denn nein, es ist nicht richtig, dass es sich allein um die Frage der Beratungsinfrastruktur handelt. Reden Sie mit den kommunalen Vertreterinnen und Vertretern vor Ort, wie dieses Gesetz vor Ort umgesetzt werden muss! Da gibt es nicht die einheitlichen Richtlinien, da gibt es nicht die einheitlichen Verfahren. Das führt zusätzlich zu Verunsicherung, und zwar nicht nur bei den Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, sondern auch bei denen, die das Gesetz vor Ort umsetzen sollen. Deshalb springen Sie zu kurz, wenn Sie hier einen Antrag vorlegen, in dem Sie all die Punkte, die bekannt sind, ignorieren.
Frau Troles, ich kann deshalb auch nicht verstehen, warum Sie unseren Antrag für obsolet halten. Ehrlich gesagt ist Ihr Antrag obsolet. Ich habe die Ministerin so verstanden, dass die Analyse, die Sie hier für die Evaluation der Beratungsstellen einfordern, doch eigentlich Teil der von Ihnen angekündigten Bestandsanalyse der Frauenhilfeinfrastruktur sein soll. Wenn das so ist, dann frage ich mich, warum Sie hier einen Antrag vorlegen, in dem Sie die Landesregierung noch einmal zu etwas auffordern, was sie nach eigenen Aussagen längst tut. Also, an dieser Stelle springt Ihr Antrag im Wesentlichen zu kurz.
Ich möchte auch sagen, dass ich mich über einen Vorgang doch einigermaßen geärgert habe. Liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, ich bin auf Sie zugegangen und habe gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam an diesem wichtigen Thema arbeiten. Denn an dieser Stelle ist es kein Streit zwischen uns hier im Haus, sondern es ist eigentlich ein Streit mit denen, die das nordische Modell favorisieren. Dem, was Kollegin Schneider gesagt hat, ist nichts hinzuzufügen. Das ist kein geeigneter Weg. Das ist der falsche Weg, der Frauen zusätzlich in ein Dunkelfeld und zusätzlich in Bedrohungssituationen drängt.
Wir hätten hier gemeinsam etwas auf den Weg bringen können. Wie gesagt, ich bin auf Sie zugegangen. Sie hatten allerdings nichts Besseres zu tun, als im Grunde genommen das, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, in diesen Antrag zu gießen. Dass Sie nicht einmal auf uns zugekommen sind, um mit uns an dieser Stelle zusammenzuarbeiten, finde ich sehr, sehr schade, und ehrlich gesagt finde ich das auch keinen besonders guten Stil.
Ich denke, es hätte der Frauenpolitik und auch unserer gemeinsamen, eigentlich guten Haltung im Sinne von Schutz und Selbstbestimmung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern gut- getan, wenn Sie den Konsens hier nicht aufgekündigt hätten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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