Josefine Paul: „Sie müssen wissen, dass sie sich an die Polizei und an die Unterstützungsstrukturen wenden können und dass diese Strukturen ihnen auch helfen“

Antrag der Piraten zum Schutz von Flüchtlingen vor Gewalt

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg, Vertreibung und Gewalt suchen, müssen diesen Schutz auch bekommen. Das gilt nicht nur als globales Grundrecht, sondern es gilt natürlich auch für Gewaltschutz in Einrichtungen und Unterkünften. Da sind wir uns in diesem Hause wohl alle einig, dass das Ansinnen Ihres Antrags vollkommen richtig und berechtigt ist.
In ganz besonderem Maße gilt das für die von Ihnen beschriebenen besonders schutzbedürftigen Gruppen – einschließlich der LSBTTI-Gruppe, die in Ihrem Antrag steht, auch wenn diese Gruppe durch die EU-Aufnahmerichtlinie nicht explizit genannt ist. Nichtsdestotrotz müssen wir auch diese Gruppe mit in den Blick nehmen, und wir brauchen ein ganzes Bündel – darüber haben wir heute Morgen schon bei dem Integrationsantrag diskutiert – an Maßnahmen, um Schutzbedürftige wirksam zu schützen und zu unterstützen.
Das beginnt schon bei der Aufklärung über die Rechte und die Rechtslage in Bezug auf Kinder, Frauen, Gleichstellung und LSBTTI. Denn die Menschen müssen wissen, welche Rechte sie in diesem Land haben und dass Gewalt nicht toleriert wird. Vor allem müssen sie wissen, dass sie sich an die Polizei und an die Unterstützungsstrukturen in diesem Land wenden können und dass diese Strukturen ihnen auch helfen.
Geflüchtete, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden brauchen dafür Handreichungen und Informationen zur geschlechtsspezifischen Flucht, aber auch zu Asylgründen und darüber, dass die Verfolgung aufgrund der sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität ein anerkannter Asylgrund ist, vor allem auch dann noch, wenn die Betroffenen dies erst später angeben, weil sie sich vielleicht zunächst aufgrund von negativen Vorerfahrungen nicht getraut hatten. Es darf ihnen daraus – das ist EU-richterlich so beschieden worden – kein Nachteil erwachsen, dass sie das erst später zu Protokoll gegeben bzw. ihrem Antrag hinzugefügt haben.
In der vergangenen Woche hat der LSVD im Emanzipationsausschuss die Handreichung für die Betreuung und Unterstützung von LSBTTI-Flüchtlingen vorgestellt, die diese in Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, der Hirschfeld-Eddy-Stiftung im Pari NRW erstellt haben. Diese Initiative ist vorbildlich, weil sie sehr gut auf die rechtlichen Grundlagen hinweist und wie mit speziellen Gruppen, in diesem Fall der Gruppe der LSBTTI-Geflüchteten, umzugehen ist.Demnächst soll – das finde ich begrüßenswert und vorbildlich – diese Handreichung auch auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Haushalt Mittel eingestellt, um zum einen traumatisierte geflüchtete Frauen zu unterstützen. Wir haben aber auch Mittel eingestellt, um – was auch in Ihrem Antrag gefordert worden ist – die Frauenhausstruktur weiter zu stärken. Nicht zuletzt haben wir Geld eingestellt, um die Beratung und Unterstützung von LSBTTI-Geflüchteten zu fördern. Darüber hinaus – Frau Hack hat es bereits gesagt – befindet sich die Landesregierung momentan in einem intensiven Abstimmungsprozess, um für die Landeseinrichtungen Gewaltschutzkonzepte auf Grundlage der auch von Ihnen erwähnten Handreichungen und Empfehlungen des Instituts für Menschenrechte zu entwickeln.
Es ist notwendig und wünschenswert, dass diese Konzepte dann auch in den Kommunen übernommen und umgesetzt werden. Denn die Menschen kommen erst in die Landesaufnahmeeinrichtungen und dann in die Kommunen. Es muss ihnen auch da gleicher Schutz zuteilwerden; denn Gewaltschutz ist kein Luxus, sondern eine gesellschaftliche Verpflichtung und Verantwortung. Deshalb ist klar und muss klar sein, dass das Gewaltschutzgesetz auch für Unterbringungen gilt.
Im Einzelfall ist dann zu prüfen, ob Frauen und ihre Kinder in andere Einrichtungen verlegt werden sollten oder ob der Täter weggewiesen werden sollte. Beide Maßnahmen – ich finde, es ist auch für die Behörden wichtig, das noch einmal zu betonen – dürfen sich aber nicht nachteilig auf Asylverfahren auswirken. Also auch deshalb ist mit den Ausländerbehörden noch weiter zu sprechen, damit sich das dann im Hinblick auf die Residenzpflicht nicht negativ auswirkt.
Darüber hinaus brauchen wir – auch da bin ich ganz bei Ihnen – Schutz- und Rückzugsräume in bestehenden Einrichtungen. Das kann – auch Frau Hack hat es schon gesagt – möglicherweise durch eigene Wohnflügel geschehen. Möglicherweise kann es aber auch eigene Einrichtungen dafür geben. Nicht zuletzt brauchen auch die Kinder adäquate Räume, in denen sie spielen, sich bewegen und vielleicht einfach nur mal begegnen können. Dort sollten sie nach den oftmals traumatischen Erlebnissen ihrer Flucht auch tatsächlich Kinder sein können.
Die erste Unterbringung – also das erste Dach über dem Kopf – ist aber nur der erste Schritt. Heute Morgen – ich habe es gerade schon erwähnt – haben wir breit über den Integrationsplan diskutiert. Gleichstellung darf auch hierbei nicht unter den Tisch fallen. Gleichberechtigung von Männern und Frauen, von LSBTTI und Minderheitenschutz müssen selbstverständlicher Teil von Sprach- und Integrationskursen sein. Auch der Bund ist gefragt, an dieser Stelle die Curricula entsprechend anzupassen.
Nicht zuletzt wird bei der großen Aufgabe der Integration beispielsweise auch den kommunalen Integrationszentren eine große Bedeutung zukommen. Auch hier muss die Gleichstellungspolitik in den Arbeitsprogrammen fest verankert sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, Ihr Anliegen ist berechtigt. Ich glaube, alle im Haus haben deutlich gemacht, dass wir dieses Anliegen teilen. Wir teilen auch das Ziel. Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass sich die Landesregierung an der Stelle bereits auf den Weg gemacht hat. Um einen von Ihren Punkten aufzugreifen: Ich denke, dass die Landesregierung auch gerne Ihrem Wunsch oder Ihrer Aufforderung nachkommen wird, das Parlament über den Fortgang der weiteren Programme, die entwickelt werden, zu unterrichten; sie sind zum Teil auch schon auf dem Weg. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)