Josefine Paul: „Recht und Akzeptanz sind keine Selbstverständlichkeit“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu "50 Jahre Stonehall Inn"

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass wir nach einer gerade sehr hitzigen Debatte jetzt so einhellig über die Anerkennung der Geschichte von Verfolgung und Emanzipation von LSBTI – Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intermenschen – sprechen, ist keine Selbstverständlichkeit.
(Unruhe – Glocke)
Wir haben zwar keinen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, FDP und Grünen vorliegen, aber auch der Entschließungsantrag der regierungstragenden Fraktionen zeigt, dass es uns hier in diesem Haus ernst mit Minderheitenrechten und der Anerkennung von Geschichte von Verfolgung und Emanzipation der LSBTI-Bewegung ist.
(Beifall von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])
Wir hatten heute Besuch in unserer Fraktion von Künstlerinnen und Künstlern und Aktivistinnen und Aktivisten aus Brasilien. Das hat mir noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wenig selbstverständlich es ist, dass wir hier gemeinsam über dieses Thema debattieren können, dass wir hier gemeinsam ein Zeichen setzen können für Emanzipation.
Denn diese jungen Menschen haben uns aus ihrem Alltag berichtet. Sie haben uns von den Anfeindungen, von den Diskriminierungen und auch von der Gewalt berichtet, denen sie tagtäglich ausgesetzt sind.
Vielleicht kennen einige von Ihnen die Geschichte der Aktivistin und Kommunalpolitikerin Marielle Franco, die im letzten Jahr ermordet, ja regelrecht hingerichtet worden ist, weil sie sich für die Rechte von Frauen und LSBTI, aber auch für die Rechte von schwarzen Minderheiten vor allem in den Armenvierteln Brasiliens eingesetzt und engagiert hat.
Das zeigt, dass die Rechte von LSBTI, frei zu leben und frei zu lieben, weltweit bei Weitem keine Selbstständigkeit sind. Deswegen ist es umso wichtiger, ein gemeinsames Zeichen zu setzen, dass wir Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung nicht hinnehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist auch deswegen ein wichtiger Punkt, weil wir auch hier in Deutschland auf eine Geschichte zurückblicken, in der staatliche Repression noch gar nicht so lange der Vergangenheit angehört. Denn die endgültige Streichung des § 175 aus dem Strafgesetzbuch ist gerade einmal 25 Jahre her. Erst 1994 ist dieser Paragraf endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden. Weitere 23 Jahre hat es gedauert, also bis vor zwei Jahren, bis die Unrechtsurteile aus dieser bundesrepublikanischen Geschichte endlich aufgehoben worden sind.
Bei der Ausstellungseröffnung des Centrums Schwule Geschichte im Landeshaus des LVR, das sich mit der Geschichte des § 175 beschäftigt, hat Minister Stamp, der heute nicht hier sein kann, in seiner Einführungsrede die Opfer um Vergebung gebeten. Für diese Geste und dieses wichtige Zeichen möchte ich ihm, auch wenn er jetzt persönlich nicht anwesend ist, ausdrücklich danken.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Jahr ist das Jahr von vielen großen Jubiläen, unter anderem auch 70 Jahre Grundgesetz. Ich finde, es ist an der Zeit, unserem Grundgesetz ein gewisses Makeover angedeihen zu lassen. Denn unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig, und das Grundgesetz bildet die Grundlage unseres Zusammenlebens. Deshalb sollten wir endlich auch LSBTI in den Schutz und in die Sichtbarkeit des Art. 3 Grundgesetz mit ein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vielfalt ist in diesem Land Realität, aber Diskriminierung ist leider auch noch alltäglich. Wir erleben, dass aller Errungenschaften und auch der in weiten Teilen gestiegenen Akzeptanz zum Trotz die offene Gesellschaft unter Druck gesetzt wird. 50 Jahre Stonewall erinnern uns eben nicht nur daran, dass es im Kampf gegen Diskriminierung und für Emanzipation auch ein historischer Weg gewesen ist, sondern es muss uns auch ein Ansporn sein, jeder Form von Diskriminierung und Anfeindung entschieden entgegenzutreten – in NRW, in Deutschland, aber auch in der Solidarität mit den weltweiten Aktivistinnen und Aktivisten.
Es sind die vielen Engagierten damals in der Christopher Street, also vor heute genau 50 Jahren, es sind diejenigen, die mit Beharrlichkeit dafür gestritten haben, dass der § 175 endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird, und die später auch für gleiche Rechte gekämpft und 2017 auch die Öffnung der Ehe erreicht haben. Und es sind all jene weltweit, die bis heute unter Einsatz ihres Lebens für Menschenrechte – denn darum geht es ja im Kern beim Einsatz für die Rechte von LSBTI – eintreten und denen heute und auch an allen anderen Tagen unserer besonderer Dank gebührt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen, denn Recht und Akzeptanz sind eben keine Selbstverständlichkeit, und es bleibt auch noch einiges zu tun. Wir leben hier nicht auf der Insel der Glückseligen, und das bedeutet, dass wir sehr begrüßen, dass der Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie auch unter einem Beteiligungsprozess weiterentwickelt werden soll. Es gilt aber auch, alle Ressorts daran zu beteiligen. Man kann LSBTI nicht in ein Ressort outsourcen und dann sagen, damit ist es getan. Wir wollen, dass alle Ressorts mit am Tisch sitzen, denn es ist ein breites Thema. Es ist ein Querschnittsthema, das als solches behandelt werden muss.
Es gilt auch weiterhin, sich für ein Transsexuellengesetz einzusetzen, was endlich Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt und Schluss macht mit der Pathologisierung.
Auch die Frage von Konversionstherapien gilt es endlich so in Angriff zu nehmen, dass sie verboten werden, was dann für alle Gruppen gilt, auch für Trans- und Interpersonen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Zum Schluss möchte ich noch einmal darum bitten, dass die Landesregierung prüft, ob die vielfältigen Engagierten bei all den CSDs, die wir heute in kleinen und großen Kommunen haben, und dieses wichtige ehrenamtliche Engagement für gleiche Rechte und für Sichtbar- keit von Landesseite deutlich finanziell unterstützt werden kann. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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