Josefine Paul: „Ohne Quote löst sich gar nichts von alleine“

Antrag der FDP gegen die Frauenquote im öffentlichen Dienst

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur als nächste Rednerin, sondern auch gleich als einzige Rednerin, denn es ist schon ganz interessant, dass zum Thema „Frauenförderung“ nur eine einzige Frau spricht.
(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)
Der Debatte hätte eine gewisse Frauenquote ebenfalls gutgetan.
(Stefan Zimkeit [SPD]: Besser als Herr Stotko kann man aber nicht sprechen!)
– Gegen den Frauenbeauftragten der SPD-Fraktion, Thomas Stotko, ist heute wirklich nichts zu sagen – auf keinen Fall.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber trotzdem will ich als Frau die Gelegenheit nutzen, noch auf einige frauenrelevante Aspekte einzugehen. Denn nachdem wir so viel von der Benachteiligung der Männer gehört haben, will ich auf ein paar Fakten zur Benachteiligung von Frauen eingehen.
Wenn Sie, Herr Witzel, sich die Mühe gemacht hätten, sich die Berichte zur Umsetzung des LGG anzuschauen, zu lesen, zu verstehen und nachzuvollziehen, wüssten Sie, dass wir auf der einen Seite einen sehr positiven Effekt haben, nämlich dass der öffentlichen Dienst anscheinend sehr attraktiv für Frauen ist. Das ist gut, denn der Anteil an Frauen im öffentlichen Dienst steigt kontinuierlich.
(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)
Das ist begrüßenswert und gut.
Aber – jetzt kommt das, woraus der Handlungsbedarf entsteht – diesen Teil haben Sie vermutlich nicht gelesen oder wollen ihn nicht zur Kenntnis nehmen. Denn der Vierte Bericht zur Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes weist darauf hin – ich zitiere –
Die Verteilung von Frauen auf die Besoldungs- und Entgeltgruppen der Laufbahnen weist klar auf strukturelle Benachteiligungen hin. Sowohl im gehobenen als auch im höheren Dienst nehmen die Frauenanteile mit zunehmender Besoldungs- und Entgeltgruppe systematisch ab; in den Spitzenpositionen der Laufbahngruppen herrscht demensprechend durchweg Unterrepräsentanz.
Liebe Kollegen von CDU und FDP, ich frage Sie: Ganz ehrlich, was gedenken Sie denn, für die vielen frustrierten Frauen zu tun, die in diesem Land seit Jahren an die gläserne Decke stoßen?
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Nichts gedenken Sie zu tun, gar nichts!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Diesem Handlungsbedarf, der hier eindeutig aufgezeigt ist, versucht diese Landesregierung Rechnung zu tragen. Sie tut das mit dem vorgelegten Gesetzentwurf.
(Ralf Witzel [FDP]: Verfassungswidrig!)
– Verfassungswidrig, da kommen wir genau zu dem Punkt, über den ich mit Ihnen sprechen möchte. Was Sie konsequent ignorieren – das scheint mir bei Ihnen auch systematisch der Fall zu sein, dass Sie sagen: verfassungswidrig, weil Art. 33 Abs. 2 –, ist Art. 3 Abs. 2, also die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist ein Verfassungsgebot. Und das Verfassungsgebot der Bestenauslese – es steht in keinem Kommentar – ist höher zu gewichten als andere Verfassungsprinzipien. Das sollte auch der FDP bekannt sein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Weil ich weiß, dass Sie sich das von mir nicht sagen lassen wollen und mir auch nicht glauben, möchte ich einen anderen Kronzeugen – das wird Sie nicht überraschen – zitieren: Prof. Papier – das ist gerade schon angesprochen worden –, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts und sicherlich nicht verdächtig, genderwahnsinnige Gefälligkeitsgutachten zu schreiben.
(Heiterkeit von Ministerin Sylvia Löhrmann)
Er kommt zu der Erkenntnis, dass die bisherige Praxis, Herr Witzel, nicht mehr verfassungskonform ist. Das heißt doch im Umkehrschluss: Wer konsequent Art. 3 Abs. 2 ignoriert, handelt verfassungswidrig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Papier kommt zu dem Schluss, dass wir ein Gesetz brauchen, das einen schonenden Ausgleich schafft zwischen Art. 3 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieses Gesetz das tut und dass es das auch verfassungskonform tut.
Damit sind wir bei der Frage der im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, die immer wieder in Rede steht. Deshalb sagen Sie konsequenterweise: In diesem Land werden jetzt nur schlechtere Frauen befördert, und die besseren Männer schauen alle in die Röhre.
(Ralf Witzel [FDP]: Genau!)
Hören Sie auch da mal zu. Auch da würde sich ein bisschen fachlicher Input lohnen.
(Stefan Zimkeit [SPD]: Bei dem nicht!)
Schauen Sie sich die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes an. Ich finde sie zu dieser Fragestellung sehr erhellend. Sie kommt zu dem Schluss, dass auch schon bisher Frauen im Wesentlichen gleiche Leistungen zu erbringen hatten und dass das auch in Zukunft so sein wird.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Denn die angebliche Mathematisierbarkeit, also die absolute Vergleichbarkeit, ist doch ein Mythos. Wir reden nicht davon, wer wie viele Akten bearbeitet hat, sondern richtigerweise geht es doch auch darum, welche Qualität dahintersteckt. Das ist auch bislang selbstverständlicherweise nur „im Wesentlichen“. Es geht um eine qualitative und nicht rein um eine quantitative Beurteilung.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Eine Beurteilung kann immer nur im Wesentlichen gleich sein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne ein Beispiel zur Fragestellung: Brauchen wir heute noch Quoten? Setzen sich leistungsstarke Frauen nicht ohnehin durch? Sollte eine moderne Gesellschaft des Jahres 2016 ohne Quote auskommen?
Da reicht doch ein Blick ins Rund. Ein Beispiel aus meiner Fraktion: Die Fraktion der Grünen und die Grünen insgesamt haben seit ihrem Bestehen eine 50-%-Quote, eine feste und starre Quote. Deswegen ist unser Frauenanteil auch der höchste hier im Haus.
Ihre Partei und Ihre Fraktion haben keine Quote, kein Quorum, kein Quötchen, gar nichts. Deshalb haben Sie einen Frauenanteil von unter 20 %. Ungefähr diesen Frauenanteil gab es schon in der Nationalversammlung von 1919.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
So viel auch zu Ihrer These, Herr Stamp! Wir haben darüber beim WDR gesprochen. Sie sagten, dieses Problem werde sich mit der Zeit von alleine lösen. Nein, ohne Quote löst sich gar nichts von alleine.
Deshalb ist dieser Weg richtig. Er ist auch verfassungskonform.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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