Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinder sind von dieser Krise am stärksten betroffen, aber die Perspektive der Familien und Kinder fand in der Debatte bislang eher nicht statt. Wenn sie stattgefunden hat, dann eher in der Art und Weise, dass wir lediglich darüber gesprochen haben, wie schwierig die Situation für die Kinder ist. Leider ist daraus aber nichts Konkretes gefolgt.
Kitas und Schulen wurden geschlossen, und Eltern mussten sich von heute auf morgen neben ihren eigenen beruflichen Herausforderungen, vielleicht auch Sorgen um ihre berufliche Zukunft – Stichwort: Homeoffice; wir erleben jeden Tag, wie gut oder schlecht das funktioniert –, auf einmal auch noch um die Kinderbetreuung und um das Homeschooling kümmern. Sie mussten als Spielkameraden und Tröster einspringen und den Kindern immer wieder die aktuelle Lage erklären.
Und nun brauchen Kinder und Familien Unterstützung und Perspektiven. Wir sind uns sicher alle einig, dass wir in absehbarer Zukunft keinen normalen Betreuungsalltag haben werden. Vor diesem Hintergrund, Herr Minister, verstehe ich nicht, warum Sie sagen, wenn man es machte wie Bayern, dann würde man etwas vorwegnehmen und das zementieren.
Wir haben jetzt erlebt, dass Nordrhein-Westfalen und Bayern, aus welchen Gründen auch immer, einen gewissen politischen Wettkampf bestreiten, und wir dürfen das alle mit anschauen und manchmal amüsiert zur Kenntnis nehmen. Warum Sie sich allerdings jetzt in dieses bayerisch-nordrhein-westfälische Hickhack einklinken, bleibt Ihr Geheimnis. Hilfreich ist es aber ganz sicher nicht, Herr Minister.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir müssen – und darum geht es im Kern dieses Eilantrags der SPD – die Eltern unterstützen, wenn die Kinder auch weiterhin nicht in die Kita gehen können. Man muss auch einmal in den Blick nehmen, dass unsere Sommerferien in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr sehr früh anfangen, und zwar Ende Juni. Gerade hieß es, wir wüssten doch aber nicht, was im nächsten Monat sein werde. – Aber, Herr Minister, es ist doch relativ absehbar, dass es bis Ende dieses Schuljahres, also bis zum Beginn der Sommerpause, keine Normalität geben wird.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nein, ist es nicht!)
Das heißt, wir werden für Eltern, Träger und Kommunen weiterhin die Situation haben, dass es keinen geregelten, normalen Kitabetrieb geben wird.
Genau darum geht es ja im Eilantrag der SPD-Fraktion, dafür dann eben Planungssicherheit zu schaffen. Das hat nichts damit zu tun, dass man etwas zementiert oder Bayern hinterher- läuft, was man vielleicht nicht möchte, sondern es hat etwas damit zu tun, sich der aktuellen Realität anzupassen und genau diese nachzuvollziehen.
Deshalb glaube ich nicht, dass es irgendwas verschlagen würde, wenn man seitens Nordrhein-Westfalens jetzt hingehen und den Eltern sagen würde: Wir schaffen Planungssicherheit, wir setzen bis zum Ende dieser Krise tatsächlich die Gebühren aus.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn man darüber hinaus auch zu den Kommunen sagen würde, wir lassen euch nicht im Regen stehen, sondern wir übernehmen als Land die volle Kompensation der wegfallenden Gebühren, wären das verlässliche Perspektiven für die Eltern, für die Träger, für die Kommunen – und eben nicht dieses „Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln“, was wir sonst hier erleben. Denn auch da stellt sich die Frage: Was braucht es denn, um wirklich in eine Schrittigkeit hineinzukommen?
Herr Minister, ich muss mich schon sehr wundern, dass – zu Recht – mittlerweile gesagt wird, dass wir nicht genügend über die Auswirkungen von Corona auf Kinder wissen. Aber ganz ehrlich: Baden-Württemberg hat es geschafft, eine Studie in Auftrag zu geben; der nordrhein-westfälische Familienminister schafft es, die Wissenschaft zu bashen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist auch kein wirklich hilfreicher Beitrag. Wir brauchen tatsächlich mehr Studien. Die kann auch die Landesregierung als Impulsgeber mit in Auftrag geben, und der Minister sollte als Interviewgeber nicht die Wissenschaft kritisieren.
Neben wissenschaftlichen Grundlagen, die wir verbessern müssen, brauchen wir natürlich auch konkrete Konzepte und realistische Szenarien. Auch da, Herr Minister, vermisse ich ein bisschen eine klare Linie. Denn mal erklären Sie uns im Ausschuss, dass wir uns alle nichts vormachen dürfen, dass diese ganze Situation noch länger andauern wird und Sie deswegen auf die Bremse treten – diese Einschätzung teile ich durchaus –, doch dann ist zwei Tage später das alles nichts mehr wert. Jetzt heißt es: Wir müssen aber doch schauen, dass wir die Kinder wieder schneller in die Kita bekommen.
Wir haben sicher alle gemeinsam das Interesse, dass Familien entlastet werden und Kinder wieder zu einem kindgerechten und entwicklungsgerechten Leben zurückfinden können. Aber das können wir nur dann, wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen. Diese Vorausset- zungen werden bis diesen Sommer im Sinne eines tatsächlichen Impfstoffs, im Sinne eines wirksamen Medikaments nicht gegeben sein.
Das heißt, wir müssen uns kreative Lösungen überlegen. Da möchte ich, dass die Landesregierung die Träger, die Kommunen und all diejenigen, die vor Ort an solchen Lösungen arbeiten, unterstützen, kreative Lösungen für die Kinder und für die Familien zu entwickeln. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)