Josefine Paul: „Natürlich ist es erlaubt, zu fragen, ob der Text einer Nationalhymne noch zeitgemäß ist“

Antrag der AfD-Fraktion zum Thema Nationalhymne

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Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Hoffmann von Fallersleben „Das Lied der Deutschen“ dichtete, war Deutschland keine  Nation, keine rechtsstaatliche Demokratie, und Frauen hatten keine Bürgerinnenrechte. Der gesamte Kontext ist hier schon weidlich dargestellt worden.

Das ist eben der historische Kontext des „Liedes der Deutschen“. Heute ist Deutschland natürlich und erfreulicherweise – von niemandem angezweifelt – eine rechtsstaatliche Demokratie. Wir sind eine Nation, und Frauen sind wahlberechtigte Staatsbürgerinnen. Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Im „Lied der Deutschen“ allerdings, deren dritte Strophe die Nationalhymne ist, finden sich  Frauen nur in der zweiten Strophe, und zwar im Kontext von Wein, Gesang, Treue, aber eben nicht als bürgerliche Subjekte. Nationalhymnen – es ist schon dargestellt worden – dienen auch der Identitätsstiftung, sie  sind Ausdruck von Identität. Identitäten von Ländern, aber eben auch von Menschen, die diese Gemeinschaft ausmachen, unterliegen  einem steten Prozess, einem konstanten Prozess, und sie sind natürlich einem konstanten Wandel unterworfen, nicht  zuletzt einer wechselvollen Geschichte.

„Das Lied der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben zeigt exemplarisch, wie wechselvoll Geschichte ist und wie wechselvoll auch die Konnotationen sind, die ein einzelnes Lied mit dem gleichen Text immer wieder hervorrufen kann. Gesellschaften leben im Wandel. Damit ist es natürlich erlaubt, zu fragen, ob der Text einer Nationalhymne noch zeitgemäß ist, ob sie dem entspricht, wie wir die Gesellschaft verstehen und wie wir uns gemeinsam identifizieren. Im Übrigen geht das natürlich über die Frage der Geschlechtergerechtigkeit hinaus, das ist gar kein Thema.

Österreich hat neben großen Söhnen unzweifelhaft auch große Töchter hervorgebracht. Die Frage von gesellschaftlichen Entwicklungen und vielleicht auch Veränderungen haben Österreich und Kanada für sich beantwortet, indem sie ihre historisch überlieferten Texte überarbeitet und veränderten gesellschaftlichen Realitäten entsprechend angepasst haben.

Für mich ergibt sich daraus: Kann und darf man über Nationalhymnen und ihre Texte, auch  wenn sie historisch überliefert sind, diskutieren? Natürlich darf man das. Braucht es dazu diesen Antrag? Den braucht es ganz sicher nicht. 
Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)